Der Zauber der Zahlen
Die Zeiten sind unsicher wie schon lange nicht mehr. Das trifft vor allem auch die kleinen und mittleren Unternehmen. Die Energiepreise schnellen in die Höhe, die Inflation wütet und die Einkaufspreise der Rohstoffe sind unberechenbar. Auch während der Corona-Krise waren viele Entwicklungen für die Unternehmer nicht einschätzbar – durch neue gesetzliche Änderungen waren die Unternehmen fast täglich mit neuen Rahmenbedingungen konfrontiert. Ist es möglich, dennoch situativ und agil zu handeln und in unterschiedlichen Szenarien zu denken, um am Markt konkurrenzfähig zu bleiben?
Es braucht dafür den perfekten finanziellen und kaufmännischen Überblick über die Unternehmenslage, um die richtigen Entscheidungen zu treffen und das Unternehmen in die Zukunft zu führen.
Den kaufmännischen Überblick behalten
„Es braucht dafür den perfekten finanziellen und kaufmännischen Überblick über die Unternehmenslage, um die richtigen Entscheidungen zu treffen und das Unternehmen in die Zukunft zu führen“, ist Rainer Haude überzeugt. Er ist Coach und Geschäftsführer von Scopevisio Österreich, einem Entwickler von cloudbasierter Unternehmenssoftware für den Mittelstand. Um diesen Überblick zu bekommen, müssen einige Unternehmer und Manager aber über ihren Schatten springen und sich mehr als bisher mit den Zahlen ihres Unternehmens beschäftigen. „Vieles, was Zahlen, Finanzen und Steuern betrifft, ist negativ besetzt und wird von den Unternehmern als mühsam angesehen. Zahlen vom Steuerberater oder der Buchhaltung stehen meist nicht im Fokus des Unternehmens“, sagt Haude. Das betreffe in erster Linie Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern.
Warum die Zahlenbilanz des Vormonats oft zu unbeachtet in die Ablage wandert, hat bei vielen Unternehmern auch den Grund, dass die Erwartung hinsichtlich Gewinn und Umsatz nicht zutrifft und die Ziele nicht erreicht wurden. Welche Zahlen sind es nun, deren Kenntnis über den zukünftigen Erfolg des Unternehmens entscheiden?
Strategische Schlüsselkennzahlen beachten
Natürlich geht es hier um die klassischen Schlüsselkennzahlen (Key Performance Indicators, abgekürzt KPIs). „Oft haben Unternehmen zu viele KPIs und verzetteln sich. Wenn ich die KPIs strategisch richtig auswähle, werden Buchhaltung und Finanzen zum Führungsinstrument, das mich und meine Mitarbeiter automatisch leitet“, erklärt Haude. Eine Standardlösung für alle Branchen gibt es hier jedoch nicht, für jedes Unternehmen sind, in Abstimmung mit der eigenen Strategie, unterschiedliche KPIs entscheidend. „Die richtigen KPIs festzulegen, ist ein langfristiger und oft auch mühseliger Prozess, der seine Zeit braucht“, so der Coach. Je nach Art und Branche des Unternehmens werden andere Schlüsselkennzahlen relevant sein. Wer online verkauft, wird beispielsweise die Anzahl der Webbesuche zählen, ein Verkäufer von Babyartikeln verfolgt die Geburtenentwicklung, so der Experte. Natürlich gibt es auch Zahlen, die branchenunabhängig Bedeutung haben, wie Umsatz, Deckungsbeitrag oder der Cashflow.
Zahlen als Managementtool nutzen
Neben den KPIs gibt es noch eine weitere Aufgabe, die jedes Unternehmen erledigen sollte, um Zahlen als echtes Managementtool nutzen zu können. „Viele Unternehmer haben eine externe Buchhaltung und überlassen dem Steuerberater die Organisation der Saldenlisten. Das ist eine vertane Chance“, warnt Haude. Er rät dazu, das Rechnungswesen inklusive der Buchhaltungskonten so zu organisieren, dass daraus in Folge betriebswirtschaftliche Schlüsse gezogen werden können. „Eine Cash-Flow-Auswertung wird von der Buchhaltung meist nicht mitgeliefert. Jeder Unternehmer sollte aber wissen, wie hoch sein Liquiditätspolster aktuell ist“, sagt der Coach.
Oft ist es auch die bestehende Unternehmenssoftware, die nur einen mangelhaften Überblick über die Unternehmenszahlen liefert. „Ein Teil der angesprochenen Probleme resultiert daher, dass in vielen Unternehmen Software eingesetzt wird, deren Arbeitsprozesse, Konzepte und Funktionen die Arbeitskonzepte der 1980er- und 1990er-Jahre abbildet“, erklärt Haude.
Ein anschauliches Beispiel dafür ist, wie mit Rechnungen umgegangen wird. Diese bleiben oft immer noch im Sekretariat des Unternehmens liegen und sind schwer auffindbar, nicht alle Verantwortlichen geben die Rechnung termingerecht frei, was zu Mahnspesen führt. „Wir haben mit Scopevisio eine Software entwickelt, die Prozesse wie diesen digitalisiert. KI-unterstützt wird entscheiden, zu wem die Rechnung weitergeleitet wird“, so der Geschäftsführer. Das Cloud-System von Scopevisio macht darüber hinaus vernetztes und verteiltes Arbeiten möglich, auch mobil und im Homeoffice.
Auf Abweichungen reagieren
Die wichtigste Funktion einer modernen Unternehmenssoftware sind die flexiblen Auswertungsmöglichkeiten der vorhandenen Zahlen sowie die automatisierte Lieferung der Berichte. „Damit erkenne ich sofort die Abweichungen von meinen Zielen und kann darauf reagieren. Denn Zahlen lügen nicht“, meint der Coach.
Übrigens: Das Erfassen von Zahlen muss nicht immer eine trockene Angelegenheit sein. Man kann daraus sogar ein Spiel machen, das die Gruppendynamik im Team und somit die Motivation der Mitarbeiter steigert. Beispiel Bäckerei: Auf einer Liste kann jeder Mitarbeiter die Produkte erfassen, die er verkauft hat. „Das hat erstens den Effekt, dass der Unternehmer die für ihn wichtigen Basisdaten bekommt. Wenn jeder Mitarbeiter dann versucht, die meisten Semmeln oder Kuchen zu verkaufen, kommt Spaß in die Zahlenerfassung und jeder sieht auch gleichzeitig den Erfolg seiner Arbeit“, so Haude.