Bio Produkte

Die Apfel-Revolution

Bio
12.09.2022

Von: Harald Koisser
Der Bio-Kistl-Pionier Adamah aus dem ­Marchfeld wird zu einem der ganz großen ­Bio-Apfelproduzenten. Profit ist nicht der ­Antrieb. Der Wachstumsschub soll vielmehr Mitsprache und Marktdurchdringung erwirken.
Elmar Fischer-Neuberger macht es sich als Apfelbauer nicht leicht. Vielmehr setzt er auf Erfahrung und Vielfalt. Der Nachhaltigkeit zuliebe.

Erfolgreiche Bio-Landwirtschaft funktioniert, wenn man nicht nur Fläche, sondern noch mehr Erfahrung um sich herum hat.

Elmar Fischer-Neuberger, Adamah Bio-Bauernhof

Der Marchfelder Bio-Bauernhof Adamah betreibt seit sechs Jahren elf Hektar Apfelplantage in Demeter-Qualität. Ein Übungsfeld für Apfelproduktion und zur Eigenvermarktung. Jetzt hat das Unternehmen weitere 70 Hektar gepachtet. Damit wird Adamah zu einem der ganz großen Bio-Apfelproduzenten des Landes mit einem Marktanteil von fünf Prozent. Warum dieser Vitaminstoß? Das ist viel mehr, als Adamah selbst über sein berühmt gewordenes und oft nachgeahmtes Kistl je verkaufen kann, auch wenn Adamah einen Pool von bereits 30.000 Kund*innen in Wien und Umgebung hat und wöchentlich an rund 7.500 Haushalte ausliefert.
„Bio ernährt die Welt“, ist das Credo von Adamah-Gründer Gerhard Zoubek und er hat auch immer auf qualitatives und quantitatives Wachstum geschaut, „weil sich Bio nicht verstecken soll. Man darf vor Größe keine Scheu haben.“ Sigrid und Gerhard Zoubek haben sich aus ihrem eigenen Betrieb zurückgezogen und ihn voriges Jahr an ihre vier Kinder übergeben. Mitsamt der Mission, Bio groß zu machen. Den Deal mit der Apfelplantage hat Gerhard noch eingefädelt.
„Du, ich hätte da 70 Hektar Apfelplantage“, hat er zu seinem Schwiegersohn Elmar Fischer-Neuberger gesagt. Der war schon für die bisherigen elf Hektar Demeter-Äpfel in Poysbrunn verantwortlich und hat spontan Ja gesagt. Die Anlage, die Gerhard vom Schottenstift angeboten worden war, liegt im mittleren Burgenland in Klostermarienberg an den Ausläufern der Günser Berge bei Baumgarten an der Rabnitz. Eine idyllische Gegend, perfekt für den Obstanbau. Nicht frostgefährdete Höhenlagen und weite Flächen in der Ebene, die sich gut maschinell bearbeiten lassen. Allerdings wurde die Fläche bisher konventionell bewirtschaftet. „Die haben eben Gift gespritzt“, sagt Elmar Fischer, „und auf Ertrag und Optik geschaut. Das Immunsystem der Äpfel ist ja egal, wenn man spritzt.“
Ihm aber ist es nicht egal und er stellt jetzt alles um auf Bio-Landwirtschaft. Dazu muss er neu aussetzen und es braucht immerhin vier Jahre, bis die Setzlinge in Vollertrag sind. „Ich brauche gute Erde, viele Bodenlebewesen und andere Sorten.“ Solche, wo er kein Kupfer nehmen muss. Das wäre zwar für die biologische Landwirtschaft zulässig, aber toxisch ist es ja doch. „Wir haben fast keinen Schorfbefall, keinen Pilzbefall“, freut sich Elmar Fischer, „wir verwenden unter anderem Schwefel und Backpulver und ziehen einen Pheromonring um die Anlage, um den Wurmbefall zu verhindern.“ Das alles funktioniert, weil Elmar „nicht nur Fläche, sondern noch mehr Erfahrung“ um sich herum hat. Der erfahrene Demeter-Apfelbauer Martin Birnstingl, mit dem er schon die ersten elf Hektar bewirtschaftet hat, kümmert sich auch um die jetzt doch sehr große Apfelplantage. Elmar hat in Breitenlee ein mächtiges Apfellager mit-erworben. Da können 1.200 Tonnen Äpfel in „Controlled Atmosphere“ ein Jahr lang frisch gehalten werden, indem Sauerstoff entzogen und Stickstoff eingebracht wird. Der erfahrene Lagerleiter Klaus Holzmüller ist an Bord geblieben und hält mit seinem technischen Know-how die Äpfel fast zwölf Monate lang frisch.  

Sigrid und  Gerhard Zoubek
Sigrid und Gerhard Zoubek

„Wenn man einen langen Weg geht, ist es wichtig, Weggefährten an seiner Seite zu haben“, haben Sigrid und Gerhard Zoubek der nächsten Generation mitgegeben. Durch die Mitarbeiter*innen der Apfelplantage ist ein Ruck des Erstaunens gegangen, als sie den neuen Führungsstil bemerkt haben. Locker, familiär, voll auf bio ausgerichtet. Die wichtigsten Know-how-Träger sind alle geblieben. „Laszlo Pelczmann, der Betriebsleiter in Klostermarienberg, gehört sicherlich zu den Besten und Erfahrensten im österreichischen Apfelanbau“ sagt Elmar.
„Ich könnte es mir jetzt leicht machen“, meint er, „ich pflanze überall Topas, eine sehr widerstandsfähige Sorte. Eine einzige Sorte mit hohem Ertrag ergibt eine hocheffiziente industrielle Arbeitslinie. Dann habe ich 1.200 Tonnen hochqualitative Topas, fahre mit dem Preis hinein und schließe den Markt. Dann fahre ich zwei Wochen nach Mauritius.“
Aber so sind sie eben nicht bei Adamah. Stattdessen hat Elmar zusätzlich Marillen und Zwetschken gesetzt. Drei unterschiedliche Marillensorten, die schön nacheinander reif werden, was die Arbeitsschritte optimiert. Jetzt im Zuge der Umstellung prüft er, welche Apfelsorten geeignet sind. Wahrscheinlich braucht es neue Sorten, die dem Klimawandel angepasst sind. Sortenzüchtung aber muss man sich leisten können. Da hilft die Größe. Die Vermarktung der Apfelmengen wird weit über Adamah hinausgehen und „vielleicht beteiligen wir uns sogar noch an anderen Obstplantagen“, sagt Elmar.

Wenn man einen langen Weg geht, ist es ­wichtig, Weggefährten an seiner Seite zu haben.

Sigrid und Gerhard Zoubek

Mitsprache am Markt erwirken
„Bio muss sichtbar werden“, sagt Gerhard Zoubek. „Ich will mitreden“, ergänzt Elmar, „Bio ist eine politische Einstellung.“ Gehört und gesehen werden alleine genügt ihm nicht, er will Mitsprache und Umsetzungskraft. „Wenn du am Abend durch das March­feld fährst, siehst du, was die für unfassbare Mengen an Wasser verbrauchen“, sagt er, „das hat enormen Impact und ein natürliches Limit. Wir müssen dem Klimawandel begegnen.“ Bei der mittelburgenländischen Apfelplantage hat er Wasserrechte an der Rabnitz, aber er weiß auch, dass das Wasser allen gehört. „Wenn wir mehr bewässern müssen, dann wird es weniger Wasser für andere geben“, sagt Elmar, „und wenn wir weniger Wasser bekommen, dann wird die Ware teurer.“ Dieser drohenden Verknappung gilt es zu begegnen.
Adamah ist ein hebräisches und biblisches Wort für „Erde“. In ihm steckt auch Adam, der erste Mensch der katholischen Schöpfungsgeschichte. „Adamah ist ein Auftrag“, sagt Elmar und meint es weniger religiös als pragmatisch. Dass biologische Landwirtschaft nur zwei Prozent der weltweiten Landwirtschaft ausmacht, stört den Apfelbauern. Eigentlich sollten biologische Produkte im Supermarkt normal sein, meint Gerhard Zoubek und versteht überhaupt nicht, warum sie in ein eigenes Regal kommen. Eher sollten alle nichtbiologischen Produkte mit einem schwarzen Punkt gekennzeichnet werden. Die Äpfel sind ein Beitrag, dass es anders wird. Jetzt schon wird Hofer beliefert, ohne dass irgendwo „Adamah“ draufsteht. Es geht um Mitsprache und Marktdurchdringung mit Bio.
Adamah ist für Elmar auch persönlich ein Auftrag. Als er vor zwanzig Jahren Argrarwissenschaften an der Boku studiert hat, hat er einen Job gesucht. „Wir sind im Beisl auf ein Bier gesessen und da ist ein Adamah-Auto vorbeigefahren“, sagt er. Dann hat er zehnmal angerufen, weil er mitarbeiten wollte. „Du meine Güte, bist du zach“, hat Gerhard Zoubek damals gesagt. Dann hat Elmar Bio-Kistln ausgeführt. Heute ist er selbst Teil der Adamah-Familie und bald einer der größten Bio-Apfelbauern von Österreich.