Arbeitsbelastung

Mehrarbeit ja! Doch bitte planbar.

Arbeitnehmerschutz
17.12.2024

Wie Mitarbeitende auf eine deutlich erhöhte Arbeitsbelastung reagieren, hängt stark davon ab, wie vorhersehbar und folglich planbar diese für sie ist. Das belegt eine Studie.
Vielbeschäftigtes Krankenhaus

Die Anforderungen an die Mitarbeitenden von Betrieben steigen zuweilen plötzlich und unerwartet – so zum Beispiel, wenn

  • unverhofft neue Aufträge hereinkommen und abgearbeitet werden müssen oder
  • viele Mitarbeitende zeitgleich krank oder in Urlaub sind oder
  • vakante Stellen aufgrund des Fachkräftemangels länger als gedacht unbesetzt bleiben.

In all diesen Situationen kommt auf die Mitarbeitenden Mehrarbeit zu. Das heißt, sie müssen entweder in ihrer regulären Arbeitszeit mehr leisten oder Überstunden machen.

Dann stellt sich für ihre Arbeitgeber*innen oft die Frage: Wie kann ich die Mehrarbeit so gestalten, dass die Mitarbeitenden

  • diese nicht als Zumutung empfinden und
  • nicht an ihre Belastungsgrenzen stoßen bzw. diese überschreiten?

Mitarbeitende möchten, dass ihre Arbeit planbar ist

Eine im Fachjournal „Personnel Psychology“ veröffentlichte Studie mit dem Titel „I didn't see that coming!...“ kommt zum Schluss: Wie Mitarbeitende auf Mehrarbeit reagieren, hängt stark davon ab, wie vorhersehbar diese für sie ist. In der Studie wurden die Auswirkungen von erwarteter und unerwarteter Mehrarbeit auf das Wohlbefinden von Arbeitnehmer*innen miteinander verglichen. Die Ergebnisse zeigen: Eine hohe Diskrepanz zwischen der erwarteten und der tatsächlichen Belastung verursacht bei den Mitarbeiter*innen Stress – zum Beispiel, weil sie sich dann fragen:

  • Schaffe ich das in der mir zur Verfügung stehenden Zeit oder muss ich aufgrund der Mehrarbeit meine Tages-, Wochen- oder gar Lebensplanung ändern? Und:
  • Ist dies eine Ausnahmesituation oder künftig die Regel?

Generell gilt: Eine unerwartete Mehrarbeit beeinträchtigt das Bedürfnis der Mitarbeitenden nach Selbstbestimmung – und zwar negativ. Außerdem geht mit ihr außer einer physischen meist eine emotionale Mehrbelastung einher. Und diese führt, sofern die Situation anhält, nicht selten dazu, dass die Mitarbeitenden sich mit der Zeit immer erschöpfter fühlen und teilweise sogar „ausbrennen“.

Die Mitarbeitenden frühzeitig informieren

Die im Journal „Personnel Psychology“ veröffentlichte Studie bestätigt, was viele Führungskräfte wissen: Die Mitarbeitenden sind in der Regel bereit, im Bedarfsfall Mehrarbeit zu leisten – zumindest solange sie sich mit ihrer Arbeit und ihrem Arbeitgeber identifizieren. Wichtig ist aber, dass ihr Leben und ihre Arbeit für sie planbar bleibt und die Mehrarbeit sie nicht so überraschend wie ein Blitz aus heiterem Himmel trifft. Also zum Beispiel fünf Minuten vor Feierabend, denn dann haben sie für den restlichen Tag meist schon andere Pläne. Dasselbe gilt für das Wochenende.

Deshalb sollten Führungskräfte ihre Mitarbeitenden so früh wie möglich über eine (eventuelle) Mehrarbeit informieren. Das ist meist möglich: Denn wie viele Mitarbeitende wann in Urlaub sind, ist deren Arbeitgeber*innen stets bekannt. Ebenso erfahren Führungskräfte in der Regel nicht erst am Freitagnachmittag, dass am Montagmorgen eine wichtige Sitzung ansteht, die noch vorbereitet werden muss. Ebenso wissen sie, dass das Besetzen einer vakanten Stelle in der aktuellen Arbeitsmarktsituation meist länger als ein, zwei Wochen dauert.

Also hätten sie meist ausreichend Zeit, um mit ihren Mitarbeitenden so früh über anstehende Mehrbelastungen zu sprechen, dass

  • diese sich emotional hierauf einstellen können und
  • ihr Leben so organisieren können, dass aus der Mehrarbeit keine Folgeprobleme für sie entstehen.

Ein weiterer Vorteil eines frühen Thematisierens ist: Dann können im Bedarfsfall noch eventuelle Alternativlösungen gefunden werden oder Unterstützungsmaßnahmen für die Mitarbeitenden organisiert werden, die dazu beitragen, deren Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit zu bewahren.

Die Mitarbeitenden sind nicht nur Arbeitnehmer*innen

Generell sollten Unternehmen die Bedeutung (soweit möglich) verbindlicher Arbeitszeitpläne für das Gros ihrer Mitarbeitenden nicht unterschätzen. Denn diese sind nicht nur Arbeitnehmer*innen. Sie sind zum Beispiel auch

  • Lebenspartner*innen oder Singles auf Partnersuche,
  • Eltern von Kindern oder Kinder pflegebedürftiger Eltern,
  • Vereinsmitglieder oder ehrenamtlich tätig,
  • stolze Haus-, Garten- oder Hundebesitzer*innen,
  • und, und, und…

Und all diese Rollen wollen oder müssen sie im Alltag unter einen Hut bringen. Entsprechend wichtig ist eine frühzeitige Information über eventuelle Mehrbelastungen für die Mitarbeitenden, damit sie ihr Leben so planen und gestalten können, dass sie sich trotzdem (noch) wohl in ihrer Haut fühlen. Dies können sie nur, wenn sie wissen,

  • wann muss ich arbeiten und wann nicht und
  • an welchen Tagen bin ich nach der Arbeit so ausgelaugt, dass ich dieses oder jenes nicht mehr tun kann.

Die Mitarbeitenden als Menschen wahrnehmen

Deshalb sind weitgehend verbindliche Arbeitszeitpläne auch ein Signal an die Mitarbeitenden, dass sie auch als Mensch wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Und dies ist wiederum eine Voraussetzung dafür, dass sie sich (auf Dauer) mit ihrem Arbeitgeber identifizieren und bereit sind, auch dessen Bedürfnisse bei ihrer Lebensgestaltung zu berücksichtigen. Denn nur wenn die Zusammenarbeit auf einem wechselseitigen Geben und Nehmen basiert, sind die Mitarbeitenden – auf Dauer – auch bereit, für ihren Arbeitgeber (bzw. ihr Team) ihr „Bestes“ zu geben; selbst, wenn dies partiell ihren persönlichen Interessen zuwiderläuft.

Und noch ein Tipp: Es ist nicht selbstverständlich, dass Mitarbeitende Mehrarbeit bzw. Überstunden leisten (selbst wenn dies manche Arbeitgeber*innen denken). Also sollten Sie sich bei ihnen für eine geleistete Mehrarbeit bedanken – selbst, wenn sie hierfür bezahlt werden oder einen Freizeitausgleich erhalten, denn: Auch Flexibilität ist in der modernen Arbeitswelt ein wertvolles Gut.