Wenn der Mitarbeiter zum Eigentümer wird

KMU
08.10.2014

Passt die Unternehmenskultur, haben Mitarbeiterbeteiligungsmodelle durchaus positive ­Effekte. Zwar tun sich börsennotierte Unternehmen bei der Umsetzung leichter – doch auch für KMU gibt es Möglichkeiten, ihre Mitarbeiter am Erfolg zu beteiligen.

Die Situation sah nicht gut aus: Nach fast 20 Jahren wollte Gerhard Stockers Geschäftspartner das gemeinsam gegründete Unternehmen Stasto verlassen, um sich neuen Herausforderungen zu stellen. Was nun? Die Hälfte auszubezahlen schien ein Ding der Unmöglichkeit, auch Finanzexperten schlugen die Hände über dem Kopf zusammen und rieten, einen Investor an Bord zu holen. Doch der Gründer schlug einen anderen Weg ein: ein Mitunternehmermodell. Bereits seit langem hatte er sich Gedanken gemacht, wie man die Mitarbeiter besser ins Unternehmen einbinden könnte. „Es war meinem Vater ein Anliegen, dass das Modell transparent ist, dass die Mitarbeiter Zugriff auf alles haben und alles sehen dürfen“, erinnert sich Dieter Stocker, der die Firma Stasto heute gemeinsam mit seinem Bruder Christof führt.

Fünf Mitarbeiterpioniere stiegen bei Stasto zunächst als stille Gesellschafter ein. Für sie bedeutete das eine Gehaltsreduktion auf das Kollektivvertragsniveau und die Beteiligung mit einer Einlage am Insolvenzrisiko. Dafür profitierten sie einmal im Jahr von einer Gewinnausschüttung. Den fünf Pionieren folgten schnell andere Mitarbeiter des Innsbrucker Pneumatik-, Armaturen- und Hydraulikhändlers. Mittlerweile sind rund 90 Prozent der 43-köpfigen Belegschaft Mitunternehmer. Bei der jährlichen Gesellschafterversammlung haben sie 50 Prozent Stimmrecht, die anderen 50 Prozent liegen bei Christof und Dieter Stocker.

Die Hälfte zeigt prinzipielles Interesse
Transparenz und Mitbestimmung behagt aber nicht jedem Eigentümer. In einer Sozialpartnerstudie von 2005 bekundete zwar jedes zweite befragte KMU ohne Mitarbeiterbeteiligungsmodell grundsätzlich Interesse daran. Blickt man auf die Zahlen, sind Mitarbeiterbeteiligungen aber die Ausnahme. Nur rund sechs Prozent der unselbstständig Beschäftigten halten Beteiligungen an ihrem Arbeitgeber-Betrieb. Unternehmen mit solchen Modellen erhoffen sich von den Beschäftigten höhere Motivation und Bindung, die Förderung unternehmerischen Denkens und mehr Produktivität.

Für Stasto hat sich das eingeführte Modell jedenfalls bezahlt gemacht. Neben positiven Effekten für die Firmenkultur erzielte man auch Einsparungen. Reisekosten seien um 30 Prozent gesunken, da über deren Notwendigkeit nachgedacht wird. Das Argument, die Firma zahle ja ohnehin, zieht nicht mehr. Ein weiterer Vorteil: die Minimierung der Fixkosten. „Läuft es schlecht, bekommen die Mitarbeiter ja ‚nur den Kollektivvertrag‘ ausbezahlt.“ Das sei aber erst einmal vorgekommen.

Steuerfreibetrag mit Auflagen
Hinzu kommt der Anreiz einer steuerlichen Vergünstigung. Aber Vorsicht, Kapitalbeteiligungen der Mitarbeiter fallen nur unter bestimmten Voraussetzungen darunter. Die Kapitalanteile müssen unter anderem in das wirtschaftliche Eigentum der Arbeitnehmer übergehen und vergünstigt oder kostenlos abgegeben werden. In diesem Fall gilt ein Steuerfreibetrag von 1.460 Euro pro Jahr für den Mitarbeiter, auch in Bezug auf Sozialversicherungs- und Lohnnebenabgaben. Für den Arbeitgeber sind Mitarbeiteraktien als Personalaufwand abzugsfähige Betriebsausgaben. Hat der Unternehmer aber zum Beispiel das Recht, die Anteile zu einem fixen Preis zurückzukaufen, oder gehen diese nach dem Ende des Dienstverhältnisses wieder an den Arbeitgeber zurück, liegt kein wirtschaftliches Eigentum vor, der Steuervorteil ist somit dahin.

Dass die steuer- und abgabentechnische Abwicklung eines Beteiligungsmodells auch eine rechtliche Gratwanderung sein kann, zeigt das Beispiel Stasto. Wegen Steuer und Sozialversicherungsabgaben führt das Unternehmen seit Jahren einen Rechtsstreit. Der Grund: Stasto bekam rückwirkend Lohnsteuerbescheide, obwohl die Mitunternehmer die Einkommensteuer bereits voll abgeführt hatten. „Es wäre ja ein Nullsummenspiel und egal, ob man Lohn- oder Einkommensteuer bezahlt. Doch wir zahlen keine Doppelbesteuerung“, ärgert sich Stocker. „Wir haben das Gefühl, dass man vonseiten der Finanz keine neuen Systeme haben will.“

Der Rechtsstreit ist offen, Stasto hat sein Modell mittlerweile von stillen Gesellschaftern auf atypische stille Gesellschafter umgestellt. Der Hintergrund: Stille Gesellschafter sind als Dienstnehmer nur mit ihrer Einlage am Verlust des Unternehmens beteiligt und nicht am vollen Unternehmensrisiko, das die Komplementäre tragen.

KMU: Erfolgsbeteiligungen sind am einfachsten
Für viele KMU rät es sich aber sowieso, auf Prämienmodelle zu setzen, auch wenn diese strenggenommen keine Mitarbeiterbeteiligungen sind. Für kleine Unternehmen sind sie dennoch eine gute Möglichkeit, Mitarbeiter am Unternehmensgewinn teilhaben zu lassen. „Kapitalbeteiligungen sind am ehesten bei börsennotierten AGs oder Genossenschaften umzusetzen, da es hier sehr einfach ist, den Wert der Beteiligung zu bestimmen. Für KMU ist es hingegen aufgrund ihrer Gesellschaftsform schwieriger. Eine Erfolgsbeteiligung ist bei kleineren Unternehmen einfacher umzusetzen“, erklärt Ralf Kronberger, Leiter der Abteilung für Finanz- und Handelspolitik der Wirtschaftskammer.

Und wie funktioniert das? „Bei der Gewinnbeteiligung wird ein gewisser Prozentsatz vom Unternehmensgewinn an die Mitarbeiter ausgeschüttet oder ein bestimmter Betrag vorab festgelegt“, erklärt Conrad Pramböck, Gehaltsexperte bei Pedersen & Partners. „Im Unterschied zum klassischen Bonus, für den Ziele vereinbart werden, bekommt der Mitarbeiter die Prämie aber nur dann, wenn etwas in der Kasse ist.“ Der gemeinsame Erfolg wird letztlich belohnt. Das stärkt im Normalfall den Zusammenhalt im Team. „Gemeinsamer Erfolg gehört belohnt, von der Reinigungskraft bis zum Außendienstmitarbeiter“, sagt der Unternehmer Stocker. Unternehmensberater Pramböck relativiert: Mitarbeiter- und Gewinnbeteiligungen seien sinnvoll, wenn die Unternehmenskultur stimmt. „Sie sind dann motivierend, wenn das Betriebsklima passt.“