Was will der Mittelstand?
Der Mittelstand, wie Sie ihn verstehen, definiert sich durch ein Bekenntnis zu gewissen Werten. Losgelöst davon hat aber der Eigentümer eines mittelständischen Unternehmens andere Interesse und Forderungen etwa an die Politik, als ein Mitarbeiter, der zu den gleichen Werten steht. Wo schlägt sich diese Tatsache in den Umfrageergebnissen nieder?
Ja, ich denke es gibt neben den Unternehmen/Freiberuflern zw. 1-250 Mitarbeitern auch eine mittelständische Wertegemeinschaft der Werte Leistung, Eigentum, Nachhaltigkeit und Fairness, zu der sich genau ein Drittel der Bevölkerung bekennt. Die Tatsache, dass es in bestimmten Bereichen wie Lohn, Sozialleistungen, Arbeitszeit etc. auch trotz aller Zusammengehörigkeit auch unterschiedliche Interessen gibt, spiegelt sich am deutlichsten in der unterschiedlichen Beantwortung auf die Frage nach der Wichtigkeit des (nach Werten ) definierten Mittelstands wieder: Während die KMU-Unternehmer diesen Mittelstand zu 93% für sehr wichtig halten, sind das bei den Österreichern nur 50%. Auch, dass die Mittelstands-Angehörigen in der Bevölkerung in ihren Parteipräferenzen die SPÖ an zweiter Stelle nach der ÖVP haben, während für die KMU-Unternehmer die SPÖ und Grünen fast unwählbar sind, spricht Bände. In den Betrieben funktioniert aber dennoch das an einem Strang ziehen und sich „verwandt“ fühlen, weil viele der KMU-Unternehmer in familiärem, entgegenkommenden Stil mit ihren Mitarbeitern umgehen und diese auch in „schlechteren Zeiten“ lange „gehalten“ statt gekündigt werden
Die Forderungen des unternehmerischen Mittelstandes an die Politik sind seit Jahr und Tag fast unverändert. Hat sich etwas neues ergeben oder verschärft?
Es stimmt, dass sich an den zentralen Forderungen des Mittelstands wenig geändert hat. Die Jahrzehnte lang links-populistisch geprägte Sozialpolitik – die eben auch von der ÖVP mitgetragen wurde - hat ihre Spuren hinterlassen und kann den tiefsitzenden Groll der Unternehmen trotz Mittelstands-freundlicherer neuer Regierung nicht so rasch beenden. Der Mittelstand verlangt weiter Bürokratie-Abbau, Steuer-Gerechtigkeit sowie mehr Wertschätzung und Durchsetzungs-Unterstützung auch wenn die Regierungs-Maßnahmen und Bestrebungen in den Bereichen Flexibilisierung der Arbeitszeit, Bürokratie-Abbau, Erleichterungen für Kleinbetriebe wie die Genehmigungsfreistellungs-Verordnung, der Familien-Bonus als Konsumstütze und das „Beraten statt Strafen“-Prinzip bei ihm gut ankommen. Außerdem gibt es aus Sicht des Mittelstandes noch viel zu tun bezüglich Verwaltungsreform, Bildung, Steuergerechtigkeit und Facharbeiter-Verfügbarkeit. In einem Punkt – und das ist auch aus den Antworten bei den offenen Fragen erkennbar gewesen – gibt es schon so etwas wie eine Verschärfung: Ihm feht mehr denn je 1. Ein klares Bekenntnis zum Mittelstand, 2. Mehr Hilfe bei der Stärkung der Durchsetzungsfähigkeit von KMU – je mehr Mittelstandsbetriebe bei innovativen Kooperationen den Lead innehaben und sich dadurch durchsetzen, umso besser wäre das für sie und damit auch für Standort, Wertschöpfung und Steuern in Österreich. Dieses Grundgefühl noch immer nicht ganz ernst genommen zu werden, verstört und verleidet die Freude an der Arbeit. Da muss die Regierung aufpassen.
Sehen Sie konkrete Anzeichen, dass die Chancen des Mittelstands gestiegen sind, ihre Forderungen durchzubekommen?
Tatsächlich sind ja – wie gesagt – von der neuen Regierung bereits einige für den Mittelstand sehr positive Weichenstellungen vorgenommen worden. Sollte diese Regierung ihre Arbeit in diese Richtung fortsetzen, dann wird auch der Mittelstand davon weiter profitieren. Das Problem ist, dass er, der Mittelstand diese Verbesserungen weniger als Interessengruppe „durchbekommen“ hat, sondern dass er mehr im Zuge des Drucks der Industrie und der Vernunft der neuen Minister auch vom gestarteten Wirtschafts- und Sozialprogramm profitiert. Er schwimmt also irgendwie fast anonym mit, ist aber leider noch immer in Nationalrat, Landtagen und auch den maßgeblichen Regierungs-Gremien unterrepräsentiert. Gut ist es jedenfalls, wenn der WKO-Präsident Mahrer – wie ich höre – der teilweisen Unzufriedenheit der Mittelständler mit gewissen Leistungsbereichen der Wirtschaftskammer mit intensiven Reformen der WKO entgegentreten will. Letztlich aber wird auch viel von der Bereitschaft der KMU und Freiberufler, sich in bestehenden Strukturen zu engagieren abhängen. Für eine noch vielen nicht in Ihrer Bedeutung für Standort und Zukunft bewusste aber sehr wichtige Forderung, nämlich die nach der verstärkten Unterstützung von KMU/EPU/Startups bei ihren Kooperationen und ihrem Durchsetzungs-Lobbying für ihre innovative, nachhaltige Produkte, wäre bildungsmäßige, strukturelle und auch finanzielle Hilfe enorm wichtig.
Die Studienergebnisse im Überblick:
Laut der von Lobby der Mitte vorgestellten neuen Befragung besteht der unternehmerische Mittelstand aus ca. 1/2 Mio Menschen. Der Wertegemeinschaft Mittelstand der Werte Leistung, Eigentum, Nachhaltigkeit und Fairness fühlen sich laut Befragung 33% der Österreicher, also fast 3 Mio zugehörig, 85% sehen ihn als wichtig an. Wolfgang Lusak: "Der Mittelstand ist für 50% der Bevölkerung der „bringt Österreich voran“-Vertrauensträger Nr.1, deutlich und zunehmend vor Regierung (34%), Konzernen (26%) und Finanzwirtschaft. Gleichzeitig wird er aber als schwache Lobby angesehen." Haupt-Profiteure des Lobbyings sind, so die Studie, die Politik (70%), Konzerne (67%) und globale Finanzwirtschaft (50%).
Innerhalb des Mittelstandes selbst sehen sich laut KMU-Online-Befragung sogar 2/3 als „Land-Voran-Bringer“. Das neue Selbstbewusstsein des unternehmerischen Mittelstandes sei, so Lusak, auch daran erkennbar, dass er sich selbst zu über 90% als sehr wichtig bezeichnet. Daran, dass sowohl Bevölkerung als auch Mittelstand kleineren, unabhängigen, Mittelstands-nahen Interessenvertretungen eine verhältnismäßig hohe Wertigkeit zubilligen. So sehen die Österreicher z.B. den Gewerbeverein mit 27% am 3. Platz, die Lobby der Mitte mit 18% am 6. Platz der starken Interessenvertretungen des Mittelstandes. Erwartungsgemäß hält Wirtschaftsbund Platz 2 (39%) und Wirtschaftskammer Platz 1 (61%).
Auffällig bei der Frage nach der "Mittelstands-Partei" ist laut Vorstands-Mitglied und KMU-Online-Befragungs-Verantwortlichem Michael Kunz: „30% der Österreicher zeigten sich eher ratlos und sagten „keine unserer Parteien“ oder „weiß nicht“. Die Nr.1 für den Mittelstand ist bei Österreichern und Mittelständlern die ÖVP. Die Mittelständler haben die NEOS auf ihrem Platz 2. Alle Parteien haben das mittelständische Wähler-Potential schlecht ausgeschöpft."
Vorstands-Mitglied und Steuerberater Robert Baumert ergänzt: „Der Umgang mit dem Staat ist für den Mittelstand ein zentrales Thema. Er sieht sich als Leistungsträger und erwartet sich Entbürokratisierung, effiziente staatliche Verwaltung, ein verständliches, gerechtes Steuersystem, bessere Zugänge zu Kapital und die Bereitstellung von gut ausgebildeten Mitarbeitern.“
„IT wird täglich mehr zum vielbeschworenen unternehmerischen Überlebensfaktor“, sagt Vorstand und Digitalisierungsberater Alexander Chvojka, „angesichts vieler „Berührungsängste“ der KMU und einer infrastrukturfokussierten Unterstützung durch Politik und Sozialpartner brauchen wir im Mittelstand schlicht mehr Mut für neue Urheberwerte. Wir sollten digitale Lösungen als attraktive KMU-Services „made in Austria“ sicht- & leistbar machen. Auch und gerade in Bereichen, die bisher Konzernen vorbehalten waren.“
KMU bräuchten nicht nur Unterstützung bei der digitalen Transformation, sondern auch Zugang zu Risikokapital, um Zukunftsprojekte zu stemmen, sagt Vorstands-Mitglied Reinhard Willfort. Er kennt die Probleme aus vielen Jahren Innovationspraxis: „Großunternehmen haben den Zugang zu Kapital, KMU haben den Geist für Innovationen. Das Dilemma: Den Großen fehlen oft „intellektuelles Risikokapital“ und der Mut, den Kleinen die Ressourcen um Ideen umzusetzen. Da hilft auch das Alternativfinanzierungsgesetz nicht viel. Die wenigen privaten Investoren parken ihr Geld zurzeit in Mauern und Grundstücken. Österreich fehlt es leider bis heute an einer Innovations- und Investitionskultur.“
Michael Kunz zieht aus den Umfragen bei den Mittelständlern den Schluss, dass Hilfe bei der kaufmännischen Unternehmensführung der größte Wunsch der KMU ist: „Durch Stress im Alltag wird die Betriebswirtschaft und Buchhaltung in KMU vernachlässigt. 50% wünschen sich mehr Unterstützung in Sachen Finanz- und Unternehmensführung, um sich fokussierter dem Tagesgeschäft widmen zu können.“
„Für den Mittelstand ist das Positivste an der Politik, dass die gegenwärtige Regierung nicht streitet sondern arbeitet und damit das Wirtschaftsklima verbessert“, meint Wolfgang Lusak. Erfreulich seien auch die Regierungs-Maßnahmen und Bestrebungen in den Bereichen Flexibilisierung der Arbeitszeit, Bürokratie-Abbau, Erleichterungen für Kleinbetriebe wie die Genehmigungsfreistellungs-Verordnung, der Familien-Bonus als Konsumstütze und das „Beraten statt Strafen“-Prinzip. Noch viel zu tun gäbe es bei der Verwaltungsreform, Bildung und Steuergerechtigkeit gegenüber Konzernen. Lusak weiter: „Was uns noch fehlt ist 1. Ein klares Bekenntnis zum Mittelstand, 2. Mehr Hilfe bei der Stärkung der Durchsetzungsfähigkeit von KMU - je mehr Mittelstandsbetriebe bei innovativen Kooperationen den Lead innehaben, umso besser wäre das für Standort, Wertschöpfung und Steuern in Österreich.“
Zusammenfassend sagt Lusak: „Dem Mittelstand wird zunehmend bewusst, dass es keine Umverteilung von unten nach oben, sondern von Mitte nach oben und unten gibt, dass ihm die politische und mediale Beschäftigung mit den „Ärmsten der Armen“ und den „Super-Reichen“ die Sichtbarkeit raubt, die dem Haupt-Sicherer der Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Nachhaltigkeit eigentlich zustünde. Wir wollen diesem unsichtbaren, gutmütigen, jetzt aufwachenden Riesen dabei helfen sich besser durchzusetzen.“