Firmenpleiten
Unternehmensinsolvenzen um 27 Prozent massiv gestiegen
Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung wurden im ersten Quartal 2024 in Österreich 1.691 (+ 27,3 % gegenüber 2023) Unternehmensinsolvenzen gezählt. Das entspricht rund 19 Firmenpleiten pro Tag. Besonders betroffen sind vor allem die Branchen Bau, Handel und Beherbergung/Gastronomie. Aufgrund mehrerer Großinsolvenzen von jeweils über 10 Mio. Euro haben sich die vorläufigen Passiva um 146,2 Prozent auf 992 Mio. Euro erhöht. Parallel zu den steigenden Insolvenzen hat sich zudem die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter*innen auf 8.200 Personen verdoppelt, und jene der Gläubiger*innen um 37,6 Prozent auf 12.800 Betroffene erhöht. Für das Jahr 2024 erwartet der KSV1870 aus heutiger Sicht zumindest 6.200 Firmenpleiten.
Im Schatten zahlreicher Insolvenzen rund um die Signa-Gruppe hat das heimische Insolvenzgeschehen in den ersten drei Monaten des Jahres deutlich an Geschwindigkeit zugelegt. Die wirtschaftliche Lage zahlreicher heimischer Unternehmen ist im Jahr 2024 weiterhin äußerst angespannt und das Marktumfeld gestaltet sich vielerorts schwierig – insbesondere die Industrie leidet aufgrund der hohen Energiekosten massiv. „Die vergangenen Jahre haben unübersehbare Spuren in den Betrieben hinterlassen. Der Druck auf die Wirtschaft steigt zunehmend und die daraus resultierenden Folgen spiegeln sich jetzt auch im sehr deutlichen Anstieg der Insolvenzen wider“, erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter der KSV1870 Insolvenz. Aufgrund der Entwicklungen im Vorjahr ist ein Anstieg im Bereich der Firmenpleiten jedenfalls erwartbar gewesen. Der nunmehrige Zuwachs von 27,3 Prozent auf 1.691 Unternehmensinsolvenzen fällt in dieser Dimension dann aber doch etwas höher als erwartet aus. Ein tiefergehender Blick in die aktuelle Hochrechnung zeigt, dass bereits im vierten Quartal 2023 mit 1.450 Pleiten rund 150 Fälle mehr gezählt wurden als in jedem der drei vorangegangenen Quartale. „Das erste Quartal 2024 ist nicht nur das insolvenzreichste Quartal seit dem Jahr 2009, sondern aus heutiger Sicht auch der Auftakt zu einem massiven Zuwachs an Insolvenzen in 2024“, so Götze, und fügt hinzu: „Das Tempo hat sich deutlich erhöht. Vor allem sind immer häufiger auch etablierte, größere Betriebe betroffen.“
Steigende Zahl an „Nichteröffnungen“ belasten Wirtschaft
Eine zusätzlich besorgniserregende Entwicklung ist die weiterhin hohe Zahl an nichteröffneten Fällen aufgrund fehlenden Kapitals. Gegenüber dem Vorjahr sind die „Nichteröffnungen“ um 15,3 Prozent auf 597 Fälle gestiegen. „Es ist mehr als bedenklich, dass in diesen Fällen nicht einmal mehr die Verfahrenseröffnung bei Gericht bezahlt werden kann. Vor allem, weil wir hier von Kosten in der Höhe von 4.000 Euro sprechen“, so Götze. Diese Entwicklung gefährdet die heimische Wirtschaft zunehmend. Denn nicht ordnungsgemäß abgewickelte Firmen bedeuten gleichzeitig ein höheres Geschäftsrisiko für deren Geschäftspartner*innen, zumal diese in solchen Fällen de facto zur Gänze auf ihren offenen Forderungen sitzen bleiben. „Für die betroffenen Geschäftspartner*innen kann das mittel- und langfristig zum Fiasko werden und im schlimmsten Fall den Ruin bedeuten“, so Götze.
Insolvenztreiber: Bau, Handel, Beherbergung/Gastronomie
Wie die aktuelle KSV1870 Hochrechnung zeigt, belegt die Bauwirtschaft mit 312 insolventen Unternehmen (+ 17 %) seit Jahresbeginn Platz eins. Dieses Ergebnis kommt insofern wenig überraschend, da sich die Bauwirtschaft, neben dem Handel, bereits im Vorjahr zu einem der größten Sorgenkinder der heimischen Wirtschaft entwickelt hat. Und auch für das Jahr 2024 wird aus Sicht der Wirtschaftsforscher keine nennenswerte Verbesserung in Aussicht gestellt. Getrieben von massiven Preissteigerungen ist insbesondere der Wohnbau betroffen. Darüber hinaus stabilisiert sich die Zahl der Baubewilligungen lediglich auf niedrigem Niveau, worunter Projektentwickler und in weiterer Folge auch beauftragte Bauunternehmen leiden. Auf Platz zwei liegt der Handel mit insgesamt 306 Pleiten (+ 33 %) – die größten prozentuellen Anstiege innerhalb der Branche verzeichnen der Kfz-Handel (+ 58 %), der Großhandel (+ 34 %) und der Einzelhandel mit einem Zuwachs von 24 Prozent. Auf Position drei rangiert der Sektor Beherbergung/Gastronomie mit 237 Fällen (+ 28 %).
Passiva explodieren – Konkursverfahren werden mehr
Eines wird aktuell besonders deutlich: die Zahl der Großinsolvenzen mit Passiva von zumindest 10 Mio. Euro steigt. Während im Vorjahr zu diesem Zeitpunkt lediglich fünf Unternehmensinsolvenzen dieser Dimension zu Buche standen, sind es heuer bereits 14 Fälle. Die bislang größte Firmenpleite nach Passiva betrifft die Windhager Zentralheizung Technik GmbH aus Salzburg mit Verbindlichkeiten von 78,2 Mio. Euro. Insgesamt sind die Passiva gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 146,2 Prozent auf 992 Mio. Euro gestiegen. Weiters fällt auf: Im ersten Quartal 2023 gab es innerhalb der zehn größten Fälle drei Konkursverfahren und sieben Sanierungsverfahren mit/ohne Eigenverwaltung zu vermelden – in diesem Jahr fällt das Ergebnis genau umgekehrt aus. „Der gute Wille vieler Unternehmen, das Ruder doch noch selbständig herzumzureißen, ist zuletzt vermehrt zum Boomerang geworden. Durch zu langes Abwarten blieb in diesen Fällen am Ende nur noch die Option eines Konkursverfahrens übrig, was häufig in einer vollständigen Liquidierung des Betriebes endet und für viele Menschen den Verlust ihres Arbeitsplatzes bedeutet“, erklärt Götze.
Ausblick 2024: Insolvenzdynamik wird bis Jahresende erhalten bleiben
Aus Sicht des KSV1870 wird das erste Quartal 2024 puncto Unternehmensinsolvenzen keine Ausnahme darstellen, sondern eher die Regel sein – zumindest was das heurige Jahr betrifft. „Die vergangenen Jahre haben nicht nur die Menschen geprägt, sondern auch die Unternehmen. Und was die finanzielle Stabilität der Betriebe betrifft, war das sehr häufig keine positive Prägung. Insofern erwarten wir keine Änderung des Insolvenzgeschehens im Jahresverlauf 2024, so Götze. Demzufolge geht der Gläubigerschutzverband davon aus, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Österreich bis Jahresende die Marke von 6.200 Fällen jedenfalls erreichen wird. Das wären dann rund 800 Fälle oder umgerechnet etwa 15 Prozent mehr Firmenpleiten als im Vorjahr. Ob dieses Ergebnis schlussendlich erreicht wird, hängt auch von unterjährigen Entwicklungen einiger „Kernbranchen“ ab, wie die Bauwirtschaft oder der Handel, die aktuell zu den größten Sorgenkindern der heimischen Wirtschaft zählen.