Wasseraufbereitung
Aus Gift wird Nährstoff
Griechenland im Sommer – alles ist braun und trocken. Aber wir können dort Ökosysteme schaffen.“ Johannes Kisser vom Wiener Unternehmen Alchemia Nova macht genau das im Rahmen des von der EU geförderten Forschungsprojektes Hydrousa. Dabei geht es darum, Wasser aus nichtkonventionellen Quellen zurückzugewinnen. Wie kann man Meerwasser mit pflanzlichen und naturinspirierten Methoden zu genießbarem Süßwasser machen? Wie kann man das in der Luftfeuchtigkeit enthaltene Wasser kondensieren und nutzen? Wie kann man Abwasser zu Brauchwasser machen? Wie kann man Regenwasser für trockenere Zeiten speichern und dann wieder nutzen?
„Wir haben zehn nebeneinanderliegende Feldabschnitte“, sagt Kisser, „einen Teil haben wir mit Leitungswasser gegossen. Und einen anderen Teil mit ‚unserem‘ Wasser. In diesem Teil erzielen wir dreimal höhere Erträge.“
„Unser“ Wasser – das ist Abwasser, das bisher als Abfall und Schadstoff betrachtet und mit Energieaufwand geklärt und entsorgt wurde. Für das Alchemia-Nova-Team und das Hydrousa-Projekt aber ist es Nährstoff. Das Abwasser kommt zuerst in einen Faulturm, in dem Biogas produziert wird, das zum Tanken für die lokale Müllabfuhr verwendet wird. In dem Faulturm werden flüssige von festen Bestandteilen getrennt. Der flüssige Teil wird abgezogen und zu einer Pflanzenkläranlage aus Schilfgewächsen geleitet. Das dort abfließende Wasser wird dann zum Gießen der Felder verwendet. Dieses „Abwasser“ ist derart angereichert mit Nährstoffen, dass auf den Feldern hohe Erträge erzielt werden. Der übrig bleibende Schlamm wird kompostiert und ebenfalls genutzt.
Erste Projekte starten
Jetzt liegen alle Ergebnisse des Forschungsprojekts am Tisch. „Das ist eine disruptive Innovation“, sagt Kisser, „ein Gamechanger“ und „das muss jetzt durchsickern“. Im Nordburgenland und im Pongau beginnen erste Projekte im kommunalen Bereich. Die Privatwirtschaft muss das Potenzial noch erkennen: viele Prozesswässer, welcher Art auch immer, können mit Pflanzen gereinigt und in den Kreislauf zurückgeführt werden. Man kann aus verschmutztem Wasser Biomasse produzieren und das Wasser wird rein. „Wir haben das einmal für einen Schlachtbetrieb durchgeplant. Die haben sehr hoch organisch belastetes Abwasser. Das aber ist ein wahrer Turbo für Pflanzensysteme. Man kann mit diesem Wasser Pflanzen wuchern lassen, auch Futterpflanzen für die Tiere. Pflanzen haben auch einen Verdunstungseffekt. Man kann damit auch eine Stadt im Sommer abkühlen oder die Abwärme der Kompostierung nutzen.“
Organisch belastetes Abwasser − das ist ein wahrer Turbo für Pflanzensysteme.
Damit ist Kisser aber noch nicht am Ende: „Manche Untergrundwasserspeicher sind wiederum sehr salzhaltig. Darauf können salzverwertende Pflanzen gut gedeihen – Kapern oder Meeresfenchel. Die können darauf leben und verdunsten dann Süßwasser. Und das kann wieder genutzt werden. Man kann Dächer begrünen, die mit Abwasser gegossen werden.“
Waffe gegen Wassermangel
Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und die Erkenntnis aus dem Projekt ist: Überall, wo wir derzeit Abwasser produzieren, das mit hohem Aufwand entsorgt oder gereinigt wird, liegt eine Ressource verborgen. „Wir haben das früher ‚Abfall‘ genannt“, so Kisser, „dabei kann es in den Kreislauf geführt werden. Wir müssen Systeme entwickeln, die nützlich sind. Wir müssen vom Abfallsystem zum Wertstoffsystem.“ Das hat auch einen wichtigen wirtschaftlichen Aspekt, denn weniger Ressourceneinsatz spart Geld. Zudem musste das wasserreiche Österreich im Frühjahr des Vorjahres zur Kenntnis nehmen, dass auch hierzulande Wassermangel auftreten kann.
Und wie ist das denn mit den vom Menschen verursachten Schadstoffen in den Pflanzen, zum Beispiel Antibiotika und andere mikrobiologieresistente Produkten? Das Forschungsprojekt hat gezeigt, dass pharmazeutische Mittel nur in sehr geringem Maße in die Pflanze transportiert werden, in Früchte überhaupt nicht. Die Pflanze kann sogar das alles ausfiltern und so bleibt in der oberirdischen Pflanzenmasse alles weit unter den Grenzwerten. „Wir müssen weg vom Paradigma, dass wir Menschen alles vergiften“, sagt Kisser mit gewisser Eindringlichkeit, „das stimmt aber nicht, wenn wir Methoden finden, das Gift in Nährstoffe zu verwandeln.“