Preise steigern

Strategie
07.10.2021

 
Viele Unternehmen sehen sich aktuell mit teils signifikanten Kostensteigerungen konfrontiert und versuchen mittels Preiserhöhungen gegenzusteuern. Oft können davon allerdings maximal 30 Prozent realisiert werden. Eine Anleitung, um mehr rauszuholen.
Preis steigern

Seit Beginn der noch andauernden Covid-19-Krise steigen die Preise für Rohstoffe. Besonders hoch waren die Preisanstiege gegenüber dem Vorjahr bei Schnittholz (+124 %) und Sekundärrohstoffen (+104 &). Für Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen stiegen sie um 58 Prozent an. Auch international sieht die Lage kaum besser aus: Rohstoffpreise sind auf dem Höhenflug, wie der Anstieg des 24 Rohstoffe umfassenden S&P GSCI Index zeigt. Dieser stieg innerhalb des letzten Jahres um mehr als 50 Prozent an. Derzeit befinden sich die globalen Rohstoffpreise auf ihrem höchsten Stand seit 2014, ein Anstieg von ganzen 130 Prozent seit einem Tiefstand im April 2020.
Unternehmen aus der verarbeitenden Industrie führen dies vor allem auf eine stark steigende Nachfrage, Bevorratungseffekte aufgrund einer hohen Lieferunsicherheit entlang der Wertschöpfungskette und noch nicht vollständig wieder hochgefahrene Produktionskapazitäten zurück, wie eine aktuelle Experten-Befragung der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners zeigt. Der Markt wird sich wohl auch nicht so bald stabilisieren: 53 Prozent der Teilnehmer erwarten erst in sechs bis zwölf Monaten eine Beruhigung und sinkende Preise; ein Drittel nimmt sogar ein dauerhaft hohes oder steigendes Preisniveau an.
Zu große und zu dauerhafte Kostensteigerungen also, um sie vernachlässigen zu können. Der logische Schluss ist eine Anhebung der eigenen Preise, sodass Unternehmen ihre Marge absichern können. Wie das gelingt, haben bereits einige Industrieunternehmen gezeigt: Rasches und vor allem differenziertes Vorgehen ist erfolgsentscheidend, um eine Antwort auf die aktuelle Situation zu finden. Fünf gemeinsame Eckpfeiler lassen sich bei diesen Unternehmen identifizieren:

1. Kennen Sie Ihre Ausgangslage:

Wie erfolgreich waren Sie in der Vergangenheit? Um ihre zukünftige Strategie für Preiserhöhungen zu finden, sollten Unternehmen feststellen, wie gut Ihre bisherige funktioniert hat. Was hier zählt, ist jedoch nicht Bauchgefühl, es sind vielmehr belegbare Fakten. Nutzen Sie die Informationen aus vergangenen Preisverhandlungsrunden, um eine transparente Datenbasis zu erlangen: Welche Kunden haben welchem Prozentsatz in der letzten Verhandlung zugestimmt? Wie hoch war die finale Durchsetzungsrate? Wurden zum Ausgleich höhere Rabatte gewährt, Boni ausgezahlt oder andere Vertragsbedingungen angepasst und wenn ja, in welcher Höhe? Differenziert betrachtet nach unterschiedlichen Produktgruppen oder sogar Produkten, erhalten Unternehmen ein genaues Bild und belastbare Daten. Neben einer solchen datenbasierten Analyse müssen auch qualitative Aspekte betrachtet werden. Welche Argumente und Gegenargumente waren für die Verhandlung entscheidend? Inwiefern sind Kunden selbst von der derzeitigen Inflation betroffen? Überlegen Sie darüber hinaus auch, wann Ihr Vertrag die nächste Preiserhöhung zulässt bzw. inwiefern Sie ihr zukünftiges Vertragswerk anpassen müssen. Vor allem im Key-Account-Geschäft ist eine detaillierte Vertragsprüfung unerlässlich.

2. Kennen Sie Ihre Hebel:

Wie wollen Sie differenzieren? Einen Grundsatz können Unternehmen bei Preiserhöhungen absolut immer berücksichtigen: Differenzierung ist ein Garant für erfolgreiche Preisanpassungen und muss richtig auf den unterschiedlichen Ebenen angewandt werden. Das ist einerseits die Produktebene: Nicht alle Produkte dürfen gleich behandelt werden, vielmehr empfiehlt es sich, besonders „Renner“-Artikel, die stark im Kundenfokus stehen und einem hohen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind, nicht stark anzuheben. Bei Produkten, die nur selten am Markt erhältlich sind (bspw. Eigenteile mit hoher Komplexität oder Auslaufprodukte), sind hingegen deutlichere Preiserhöhungen möglich. Andererseits muss Differenzierung auch auf der Kundenebene erfolgen: Key Accounts erfordern eine andere Herangehensweise als kleinere, unrentable Kunden; Transparenz über die jeweils erzielte Kundemarge ist hier eine wichtige Information für die Differenzierung auf Kundenebene.

3. Kennen Sie Ihre Verhandlungsstrategie:

Was sind mögliche „Trade-ins“? Erfolgreiche Verhandlungen über Preiserhöhungen erfordern klare, einheitliche Richtlinien, die dann in differenzierte Ziele umgesetzt werden müssen. Daher ist es wichtig, eine klare Strategie zu definieren, bevor Sie in die Preisverhandlungen eintreten. Was bedeutet das? Die möglichen Elemente, die zur Debatte stehen, müssen im Vorfeld festgelegt und kommuniziert werden. Das sind einerseits die Erhöhungen an sich; ein wichtiger Bestandteil sind aber auch sogenannte „Trade-ins“, also Dinge, die im Tausch für oder statt höherer Preisen eingesetzt werden können. Dazu gehören etwa Boni, kostenlose Zusatzservices oder auch Zahlungsbedingungen. Eine zu geringe Umsatzschwelle für Boni, die bereits längere Zeit mit einem Kunden vereinbart wurde, kann beispielsweise als gutes Argument dienen, warum eine Veränderung gerechtfertigt ist. Nur wenn Sie vorher festgelegt haben, welche Zugeständnisse Sie notfalls machen können, hat Ihr Vertriebsteam die Chance, damit differenziert auf den jeweiligen Kunden einzugehen. Berücksichtigen Sie auch, wer an der Verhandlung beteiligt ist, um verschiedene Verhandlungstechniken für die unterschiedlichen Verhandlungspartner parat zu haben.

4. Kennen Sie Ihre Story:

Wie können Sie diese überzeugend kommunizieren? Einer der größten Fehler bei Preiserhöhungen ist, dass Kunden keine konkreten Gründe genannt werden. Die aktuelle Entwicklung der Rohstoffpreise liefert Ihnen hier die besten Argumente: Nehmen Sie einen detaillierten „Market Development Check“ vor, um alle Informationen griffbereit zu haben. Bereiten Sie eine ausführliche und kundenspezifische Unterlage vor: Wie lange haben Sie für die Produkte des jeweiligen Kunden schon keine Preiserhöhung mehr vorgenommen? Wie haben sich Preisindizes aus der Branche des Kunden entwickelt, welche Steigerungen gab es bei Rohstoffpreisen insgesamt, aber auch bei Wettbewerbern oder Zulieferern? Darauf basierend entwickeln Sie eine überzeugende Storyline, die einheitlich für alle Ihre Vertriebsmitarbeiter die optimale Rechtfertigung für Ihre Preiserhöhungen vorhält.

5. Kennen Sie Ihre Umsetzungsstrategie:

Wie motivieren Sie Ihren Vertrieb? Letztendlich sind es Ihre Vertriebsmitarbeiter, die mit den Kunden die Preisverhandlungen führen. Statten Sie diese daher optimal mit Argumenten und Verhandlungsrichtlinien aus, um optimale Ziele zu erreichen. Dazu gehören zum Beispiel ein Verhandlungsfahrplan, Argumentationsleitfäden und Battlecards. Legen Sie klare Ziele für die Preisdurchsetzung fest, stärken Sie das Selbstvertrauen durch Schulungen und belohnen Sie Erfolge durch zielgerichtete Incentives.

End-to-End-Pricing als Lösung für eine effektive Preisanpassung

Befolgen Unternehmen diese fünf Eckpfeiler, so ist die Grundlage für eine erfolgreiche Preiserhöhung gelegt. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist ausreichend Zeit, um die erforderlichen Maßnahmen umsetzen zu können. Um den Aufwand für die Organisation so gering wie möglich zu halten, sind die richtigen Grundlagen essenziell. Zuallererst brauchen Sie die relevanten Daten darüber, welche Rohstoffe in welchen Produkten enthalten sind, welche Kunden in welcher Hierarchie zusammengefasst werden etc. Hinzu kommen eindeutige und akkurate Transaktionsdaten (z. B. Umsatzdaten auf Produkt- und Kundenebene, Margeninformation etc.). All diese Informationen sollten zentral verfügbar sein. Darüber hinaus müssen Sie auch die richtigen Methoden verwenden, um zu fundierten Datenanalysen und Preiserhöhungszielen zu gelangen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil sind die passenden Tools, sodass der Vertrieb den optimalen Preis finden, mit Benchmarks abgleichen, Rabatte und Konditionen managen sowie transparente Reports erstellen kann. Der letzte Grundpfeiler ist die Involvierung eines breiten Teams, denn nur wenn Ihr Vertriebsteam überzeugt ist, ist es auch in der Lage, Preiserhöhungen Kunden zu erklären. Deshalb sollte es von Beginn an miteinbezogen werden.
Spätestens in den aktuell turbulenten Zeiten muss das Thema Preiserhöhungen unbedingt auf die Agenda des Top-Managements. Denn: Pricing ist Chefsache.

Die Autoren

Othmar Schwarz: ist Partner der globalen Strategieberatung Simon-Kucher & Partners. Er ist Experte für Strategie, Vertriebs und Preismanagementthemen und verantwortlich für das Industrie und Technologiegeschäft in Österreich.

Stefan Berghuber: ist Manager bei Simon-Kucher & Partners. Sein Schwerpunkt liegt auf dem Bereich Commercial Excellence und auf der Umsetzung von Preisoptimierungsprojekten in B2B-Industrien.