Mergers and Acquisitions

Sind Unternehmen in der Krise Objekte der Begierde?

Strategie
03.04.2024

Manchen Unternehmen bleibt als Sanierungsmaßnahme nur noch ein Verkauf. Was für Käufer zu beachten ist, damit sogenannte "Distressed M&A"-Transaktionen gelingen, erklären Felix Hörlsberger und Rechtsanwältin Magdalena Nitsche von Dorda Rechtsanwälte.
M & A auf Holzwürfeln

Wer aktuell in Online-Insolvenztickern die täglichen Insolvenzeröffnungen mitverfolgt, ist zum Scrollen gezwungen. Betroffen sind neben kleinen auch zunehmend größere Unternehmen mit Hunderten Mitarbeiter*innen. Die steigenden Zahlen zeigen, dass die herausfordernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wegweisende und gut überlegte Unternehmensentscheidungen erfordern. Diese Hintergründe ergeben ein interessantes Umfeld für Unternehmenstransaktionen: Gut aufgestellte Marktteilnehmer nutzen die Zeit für Zukäufe und Investitionen, während sich andere auf ihre Kernbereiche konzentrieren und einen (Teil-)Verkauf in Erwägung ziehen. Equity Fonds und Family Offices wiederum suchen nach Investment Cases.

Vorteile für Käufer- und Verkäuferseite

Eine Sanierung durch Verkauf eines Krisenunternehmens mit gleichzeitigem Investment in das Unternehmen kann für verschiedene Stakeholder eine gute Lösung darstellen. Eine Insolvenz wird abgewendet, der Wert des Unternehmens bleibt erhalten und dieses kann – mit neuem Eigentümer – fortgeführt werden. Dies bringt natürlich auch Vorteile für Gläubiger, die nicht auf eine bloße Insolvenzquote gekürzt werden. Kettenreaktionen in den Lieferketten werden verhindert und – besonders wichtig – Arbeitsplätze gesichert.

Für internationale Investor*innen ergeben sich im "distressed"-Fall oft attraktive Möglichkeiten, in einen Markt einzusteigen. Andererseits bietet dies auch für Mitbewerber – die einen Informationsvorsprung haben, da sie Markt und Produkte bereits kennen – die Gelegenheit, durch den Kauf des Mitbewerbers den eigenen Marktanteil zu erhöhen. "Dieser Informationsvorsprung kann entscheidend sein, weil Unternehmenskäufe in der Krise unter besonderem Zeitdruck stattfinden, da die Liquidität oft bereits sehr angespannt ist. Für Due Diligence und Vertragsverhandlungen bleibt daher zumeist nur wenig Zeit", betont Magdalena Nitsche.

"Wird ein Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens verkauft, ist zusätzlich zu beachten, dass der Verkauf weitestgehend anfechtungssicher gestaltet wird. Der Kaufpreis sollte eher am oberen Ende eines von einem objektiven Gutachter festgestellten Wertebandes liegen, damit die Transaktion nicht angefochten werden kann. Das schränkt die Preisgestaltung ein, der Vorteil ist jedoch, dass der Kauf dann weitestgehend rechtssicher ist", erklärt Felix Hörlsberger. "Kauft man während eines Insolvenzverfahrens, ist eventuell der Preis niedriger und es gibt weder ein Anfechtungsrisiko noch zwingende Nachfolgehaftungen, man erhält jedoch keinerlei Gewährleistung – das trifft auf Asset Deals, also den Verkauf von Unternehmensgütern wie Grundstücke, Anlagen oder Maschinen, zu. Nach Insolvenzeröffnung ist der Insolvenzverwalter, der vorrangig Gläubigerinteressen verfolgt, im 'Driver's seat'. Er legt die Bieterbedingungen und damit die Art der Transaktion fest."

Das richtige Timing ist zentral

Ob der Verkauf eines Krisenunternehmens außerhalb eines Insolvenzverfahrens gelingt, hängt in erster Linie davon ab, ob der Verkaufsprozess rechtzeitig gestartet und wie effizient die noch zur Verfügung stehende Zeit genutzt wird. Wartet man zu lange, kann die Unternehmenskrise weiter fortschreiten; im Worst Case zieht die Geschäftsführung den Stecker und stellt einen Insolvenzantrag. Idealerweise kauft man ein Unternehmen, solange Lieferketten und Kundenbeziehungen intakt sind und Vertrauen noch vorhanden ist.

Bei Transaktionen mit internationaler Beteiligung sind ferner rechtliche Unterschiede zu beachten: "Beim Unternehmenserwerb durch internationale Investoren und Unternehmen weisen wir regelmäßig auf die Eigenheiten der österreichischen Rechtslage hin. Ein Beispiel ist die Fokussierung des Insolvenzrechts auf Konzerneinzelgesellschaften, während in anderen Ländern auch Unternehmensgruppen als Einheit betrachtet werden. Auch das Verbot der Einlagenrückgewähr  und strengere Anforderungen an die wirksame Sicherheitenbestellung gehören dazu", so Hörlsberger. (Anmerkung: Einlagenrückgewehr bedeutet, Gesellschafter haben nur Anspruch auf den Bilanzgewinn nach dem Jahresabschluss und dürfen darüber hinaus keine Einlagen zurückfordern).

Besondere Anforderungen an die Due Diligence

"Ein weiterer Knackpunkt für den Erfolg einer 'Distressed M&A'-Transaktion liegt in der Due Diligence. Diese muss vorwiegend bei Asset Deals ohne Gewährleistung besonders sorgfältig, jedoch gleichzeitig möglichst rasch durchgeführt werden. Die Betreuung aus einer Hand durch M&A- und Restrukturierungsexperten sowie eine pragmatische und lösungsorientierte Vorgangsweise sind erfolgsentscheidend", unterstreicht Hörlsberger. Bei der sogenannten Due-Diligence-Prüfung wird ein Unternehmen oder eine Person sorgfältig auf wirtschaftliche, rechtliche, steuerliche und finanzielle Verhältnisse analysiert. Werden etwa kleinere Streitigkeiten sonst nicht näher betrachtet, dreht man hier gewissermaßen jeden Stein zweimal um. Wird etwa eine Fabrik übernommen, reicht nicht wie sonst üblich ein kurzer Test. "Ein mehrtägiger Probelauf sollte durchgeführt, technische Gutachten eingeholt und das Vorliegen der Genehmigungen geprüft werden."

Auch der Abschluss einer W&I (Warranty & Indemnity) Versicherung, die Ansprüche aus Unternehmens- und Grundstückskäufen absichert, ist sehr empfehlenswert. "Eine W&I-Versicherung ist zwar kein Allheilmittel, kann aber den Vertragsabschluss wesentlich beschleunigen, womit wir wieder beim Faktor Zeit wären. Der Käufer wird vom Insolvenzrisiko des Verkäufers entlastet. Steigen die 'Distressed M&A'-Mandate, wird es hier auch mehr Versicherungsabschlüsse geben", so Nitsche abschließend.

Die Autor*innen

MMag. Dr. Felix Hörlsberger ist seit 2002 bei Dorda und seit 2009 Partner. Er leitet die Praxisgruppe Versicherungsrecht und Restrukturierung.

Mag. Magdalena Nitsche ist seit 2013 in den Bereichen Restrukturierungen und Insolvenzrecht sowie Versicherungsrecht bei Dorda tätig.