Kein Weg zurück
Begonnen hat alles am Freitag, den 13. März – Lock-Down. Über das Wochenende wurde das gesamte Land stillgelegt. Jedoch schon in den ersten Tagen, die von Verunsicherung und Orientierungslosigkeit getragen waren, hat sich herausgestellt, dass wir sehr rasch gelernt haben, mit den neuen Lebensumständen umzugehen. Das Büro wurde ins Homeoffice, persönliche Gespräche auf Sprach- oder Videotelefonate und der Austausch in Gruppen auf WebConference-Plattformen verlagert. Die Technologie hat erstaunlich gut funktioniert, es kam zu keinen schwerwiegenden Ausfällen und wir haben sehr rasch begriffen, mit neuen Tools umzugehen und unseren Arbeitsstil anzupassen.
Inzwischen ist vieles von dem so normal geworden, dass wir nicht mehr zum davor gewohnten Alltag zurückkehren werden. Seit Mai haben wir begonnen unsere Büros wieder langsam hochzufahren. Die meisten Unternehmen haben Schichtmodelle eingeführt, das bedeutet, dass Büros nur von einer Maximal-Anzahl an Mitarbeitern benützt werden darf. Die Vorgabe lag bei vielen Unternehmen bei einer Obergrenze von dreißig Prozent der Belegschaft und man machte sich große Gedanken, wie man das organisatorisch hinbekommt. Wie kann man den anstürmenden Mitarbeitern zur großen Enttäuschung mitteilen, dass heute kein Platz für sie frei ist? Diese Vermutung stellte sich rasch als gänzlich falsch heraus. Gekommen sind nämlich viel weniger. Von großen Organisationen höre ich, dass maximal zehn bis fünfzehn Prozent der Mitarbeiter ins Office kommen und dass sie überhaupt kein Problem damit haben, eine Obergrenze in der Anwesenheit einzuhalten.
Mehr Platz, mehr Regeln
Die Büros haben sich aber auch verändert. Wir mussten Dichte rausnehmen, das heißt Arbeitsplätze umgruppieren. Die klassischen Vierer- oder Sechserblöcke sind einer schachbrettartigen Belegung oder Anordnung gewichen. Zwischen den Tischen wurden Trennwände aufgebaut. Die Industrie hat rasch mit Produkten reagiert. Jede Zeit bringt Erneuerung, eines meiner Highlights ist das Wort „Spuckschutz“, das für meist transparente Acryl- oder Glaswände verwendet wird, die das offensichtlich direkte „Anspucken“ des Vis-a-Vis verhindern sollen. Eine gute und notwendige Maßnahme für ein Produkt, dass vor wenigen Wochen noch keine Abnehmer gefunden hätte. Das ist aber noch lange nicht alles. In Besprechungsräumen musste die Dichte rausgenommen werden – statt zwölf dürfen jetzt nurmehr vier Personen den Raum nützen, am Boden wurden Markierungen angebracht, die anzeigen, wieviel Abstand zur nächsten Person zu halten ist beispielsweise am Empfang, vor dem Kopierer oder der Kaffeemaschine. Überall wurden Desinfektionsmittelspender und Information über Verhaltensregeln montiert. In speziellen Bereichen haben wir Geräte aufgebaut, die die Personenanzahl misst oder ein automatisches Fever-Screening durchführt. Manche Bereiche, wie zum Beispiel die Benutzung von Liften in Hochhäusern stellt alle vor unlösbare Aufgaben. Vielleicht ist es gar nicht weiter verwunderlich, dass viele Mitarbeiter trotz Sehnsucht nach persönlichem Austausch nun doch eher zu Hause geblieben sind.
Bleibt die zentrale Frage: Wie sehen das Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Eine Umfrage aus Deutschland zeigt, dass zwei Drittel von mehr als zweitausend Befragten ihre Kollegen vermissen. Nicht ganz der Hälfte fällt die Trennung zwischen Beruf und Privat schwer und ein Drittel hat Probleme mit der technischen Ausstattung. Nur jeder dritte Home-Office-Nutzer will dauerhaft zurück ins Büro, also zurück in eine Zeit, die es vor Corona gab. Nahezu zwei Drittel wünschen sich mehr Flexibilität und eine dauerhafte Lockerung der Regeln für remote Work. Das Großraumbüro und damit sind auch offene Gruppenräume gemeint ist jetzt auch noch aus medizinisch-hygienischen Gründen in den Fokus der Kritik gerückt.
Wo führt das hin? Sicher nicht mehr dorthin zurück, wo es vorher war!
These 1: Menschen haben gelernt, viel digitaler zu arbeiten und den einen oder anderen Vorteil des Home-Offices zu schätzen. Der Anfahrtsweg ins Büro fällt weg, Beruf und Freizeit lassen sich vielleicht besser koordinieren und das Home-Office bietet (unter normalen Umständen, also exklusive Kinderbetreuung) einen idealen Rahmen für konzentrierte ungestörte Arbeit. Das eine oder andere Telefonat wurde im Spazierengehen geführt, WebCalls beginnen viel pünktlicher, kommen sehr schnell auf den Punkt und sind oft viel kürzer als die bislang abgehaltenen Synchronisationsmeetings.
Das bedeutet, dass ein beträchtlicher Teil unserer Arbeit in Zukunft wie schon in der Gegenwart nicht im Büro stattfinden wird.
These 2: Was bedeutet das für unsere Büros? Der Fokus hat sich verschoben. Waren es früher noch riesige Flächen mit Arbeitsplätzen, so sind es jetzt Räume und Zonen für den persönlichen Austausch, zur Kommunikation, Koordination und zum Erleben des Gemeinsamen, die einen besonderen Stellenwert bekommen haben. Collaboration Areas sind zum fixen Bestandteil geworden. Unsere Mitarbeiter gehen in Büros um sich Auszutauschen, Zusammenarbeit zu erleben, zu kommunizieren oder gemeinsam etwas zu entwickeln. Das Büro als Landmark für Kommunikation, Identifikation, Employer Branding und als Innovationsgenerator schaut jedenfalls anders aus.
These 3: Organisation und Führung sind auf ganze andere Weise herausgefordert wie früher. Unternehmenswerte waren in der Krise auf die Probe gestellt. Ergebnis-, ja noch viel mehr wirkungsorientiertes Arbeiten erfordert ganz andere Managementmethoden. Der Veränderung von Struktur und Kultur würde ich gerne einen eigenen Beitrag widmen.
These 4: Welche Auswirkungen ergeben sich auf den Immobilienmarkt? Die Summe an Büroflächen wird zurückgehen, wir gehen von bis zu dreißig Prozent des Marktes aus. Neue Konzepte und Angebot werden sich am Markt etablieren. Ich denke vor allem an bislang bekannte aber in Zukunft in noch viel mehr Facetten vorhandene Cowork-Space-Angebote und Office-Centers.