2020 mehr Pleiten in vier von fünf Ländern

Insolvenzstatistik
09.01.2020

 
Neues Jahr, neues Glück? Was die Entwicklung von Exportrisiken und weltweiten Insolvenzen angeht, ist auch 2020 keine Trendwende in Sicht.
„In vier von fünf Ländern steigen die Pleitefälle 2020 voraussichtlich an“, sagt Gudrun Meierschitz, Acredia Vorständin.
„In vier von fünf Ländern steigen die Pleitefälle 2020 voraussichtlich an“, sagt Gudrun Meierschitz, Acredia Vorständin.

Die weltweiten Pleiten sind weiter auf dem Vormarsch – zum vierten Mal in Folge. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Studie von Österreichs führender Kreditversicherung Acredia und Euler Hermes. Die ExpertInnen gehen davon aus, dass 2020 weltweit rund 6% mehr Insolvenzen mit sich bringt. Das bedeutet zwar eine etwas langsamere Zunahme als noch 2019 (+9%), allerdings dafür fast überall auf der Welt.

„In vier von fünf Ländern steigen die Pleitefälle 2020 voraussichtlich an“, sagt Gudrun Meierschitz, Acredia Vorständin. „2019 war der Zuwachs zwar insgesamt höher, aber dafür waren im vergangenen Jahr nur zwei von drei Ländern von steigenden Insolvenzen betroffen. Das bedeutet, dass Exportrisiken praktisch überall lauern – einen 'sicheren Hafen' gibt es kaum noch.“

Anhaltende Konjunkturschwäche, politische und soziale Unsicherheiten

Die Ursachen für den anhaltenden Anstieg der weltweiten Insolvenzen sehen Acredia und Euler Hermes dabei in der unveränderten Konjunkturschwäche, insbesondere in den Industriestaaten und dem produzierenden Gewerbe. Die schwache Nachfrage hat die Lagerbestände vielerorts steigen lassen und zu Überkapazitäten geführt, vor allem in der Automobilindustrie. Auch die weiter nachhaltenden Folgen aus Handelskonflikten, politischen Unsicherheiten und sozialen Spannungen werden die Unternehmen 2020 in Atem halten.

„Beim schwächelnden Welthandel sehen wir 2020 keine wirkliche Entspannung“, sagt Meierschitz. „Mit +1,7% dürfte das Wachstum in diesem Jahr eher mager ausfallen und Protektionismus ist das 'neue Normal', auf das sich Unternehmen einstellen müssen. Zwar profitieren Betriebe weiterhin von der anhaltend expansiven Geldpolitik – allerdings müssen sie im Gegenzug auf einen stärkeren Preiskampf durch die schwache Nachfrage sowie höhere Material- und Produktionskosten vorbereitet sein.“

Europa: Verbreitet mehr Insolvenzen – auch in Deutschland

Auch in Westeuropa steigen die Insolvenzen 2020 um voraussichtlich 3% an (2019: 2%). Ursache dafür ist ein niedrigeres Wachstum in Zeiten der Konjunkturflaute. Zum Insolvenzanstieg in Europa tragen insbesondere Dänemark (+6%), Spanien, die Niederlande und Irland (jeweils +5%) sowie Italien (+4%) bei. Aber auch Großbritannien sieht im Brexit-Sog einen erneuten Zuwachs von rund 3% bei den Pleiten entgegen. Erstmals reiht sich nach zehn Jahren voraussichtlich auch Deutschland mit ebenfalls 3% mehr Pleiten als noch im vergangenen Jahr wieder in diesen Reigen ein. Rühmliche Ausnahme in Europa sind ausgerechnet die französischen Nachbarn, für die die Volkswirte 2020 nach langen wirtschaftlich eher schwierigen Zeiten eine Stagnation der Insolvenzen prognostizieren.

Österreich: Anstieg der Insolvenzzahlen in 2020

In Österreich kam es im Jahr 2019 bei den Insolvenzzahlen zur Trendwende – nach Jahren mit rückläufigen Zahlen gab es im abgelaufenen Jahr erstmals wieder eine leichte Zunahme von 1,4%. Mit 29 Großinsolvenzen (Passiva größer gleich 10 Millionen Euro) kann doch ein mögliches Signal für die Zukunft erkannt werden. Im Vergleich zu 2018 (18 Großinsolvenzen) wurde hier ein beachtlicher Anstieg von 61% verzeichnet. Die TOP 3 Branchen sind – wenig überraschend – wie auch bisher das Gastgewerbe, die Bauwirtschaft und die unternehmensbezogenen Dienstleistungen. Im Langfristvergleich hält sich Österreich mit rund 5.000 insolventen Unternehmen bezogen auf die Anzahl aller Unternehmen allerdings stabil.

Die österreichische Wirtschaft befindet sich in einer Phase mäßigen Wachstums. Die hohe Dynamik der Vorjahre hat sich deutlich abgeschwächt. Hatte Österreich 2018 noch ein BIP Wachstum von 2,7%, hat sich das Wachstum 2019 auf 1,7% verlangsamt und dürfte sich 2020 bei 1,5% einpendeln. Das liegt immer noch über dem Durchschnitt des Euro-Raums (1,2%), trotzdem ist die Abkühlung auch bei uns zu spüren. Absatzprobleme wie zum Beispiel in der Automobilindustrie gehen auch an den heimischen Zulieferern nicht spurlos vorüber.

„Da in Österreich 2020 mit einem – wenn auch mäßigen – Wachstum und keiner Anhebung des Zinsniveaus zu rechnen ist, können wir davon ausgehen, dass sich auch die Insolvenzzahlen in etwa auf dem Vorjahresniveau bewegen werden bzw. geringfügig  (1,5-2 %) steigen werden“, kommentiert die Acredia-Ökonomin Marina Machan den nationalen Ausblick.

China weiterhin im Keller – aber rote Laterne geht erstmals an Chile mit 21% Zuwachs

China reicht 2020 die rote Laterne nach drei Jahren an Chile weiter. Für die Südamerikaner dürften die Insolvenzen im laufenden Jahr um 21% steigen. Nach Chile, der Slowakei (+12%) und Indien (+11%) ist China allerdings auch weiterhin am ganz unteren Ende des Rankings zu finden. Im Reich der Mitte erwarten die Volkswirte für 2020 eine weitere Pleitewelle und einen Anstieg der Fallzahlen um erneut 10% (nach einem bereits massiven Anstieg um rund 20% im vergangenen Jahr), ebenso wie in Singapur (+10%) und Hongkong (+9%).

Brasilien schafft nach 8 Jahren Trendwende

Für Brasilien erwartet Euler Hermes gegen den weltweiten Trend voraussichtlich 3% weniger Pleiten als 2019, gleichauf mit Ungarn (-3%). Auch Griechenland und Litauen (jeweils -2%) sowie Neuseeland, Polen, Norwegen, Luxemburg und eben Frankreich (alle 0%) können sich der allgemeinen Entwicklung entziehen.

Hingegen verzeichnen die USA und Kanada 2019 und auch 2020 eine Trendwende ins Negative. Seit 2010 waren die Pleiten in den USA jedes Jahr rückläufig. Erst 2019 und 2020 kommt es hier mit +3% und +4% wieder zu einem Zuwachs. In Kanada zeigten Insolvenzen sogar seit 2002 einen stetigen Abwärtstrend vor dem nun erwarteten Anstieg um jeweils 5% im Jahr 2019 und 2020.

Großinsolvenzen: Umsätze und damit Schäden für die Lieferkette steigen drastisch an

Beunruhigend ist auch die Entwicklung bei den Großinsolvenzen bei Unternehmen mit einem Umsatz oberhalb der 50-Millionen-Euro-Grenze. In den ersten neun Monaten 2019 sind diese weltweit zwar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (248) nur um einen Fall auf 249 gestiegen. Allerdings sind die Umsätze der insolventen Großunternehmen auf über 145 Milliarden Euro geklettert und somit um rund 38% höher als noch im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

„Der Dominoeffekt bei Großinsolvenzen auf die Lieferkette ist meist sehr groß“, sagt Gudrun Meierschitz. „Je höher die Umsätze der Pleitekandidaten, desto größer die Schäden bei den einzelnen Lieferanten. Deshalb sollte man sich von großen Namen nie zu sehr beeindrucken lassen.“