Niemand will alles verlieren
Sie sind seit knapp einem Jahr als Chef der Außenwirtschaft Austria im Amt. Was hat sich in dieser Zeit verändert, wovon ist die Welt, in die Österreichs Unternehmen exportieren, aktuell geprägt?
Die Situation wird derzeit von zwei gegensätzlichen Entwicklungen geprägt. Wir erleben einerseits eine positive Entwicklung der Weltwirtschaft, die ein Plus der österreichischen Warenexporte von acht Prozent mit sich gebracht hat. Diese Entwicklung fußt auf einer breiten Basis und zeichnet sich in allen Weltregionen ab − bis auf Middle East und Nordafrika, wo die politische Situation schwierig ist. Andererseits sind im vergangenen Jahr aber auch Wolken aufgezogen. Denken Sie an die Entwicklung in den USA, wo die Handelspolitik nun zunehmend als politisches Instrument genutzt wird. Dieser Handelskonflikt sorgt für wachsende Unsicherheit. Zudem haben sich auch erste Wölkchen bei der Weltkonjunktur gebildet. Es schaut aktuell zwar noch gut aus, aber der Aufwärtszyklus ist schon wieder ein wenig überschritten. Beides führt dazu, dass die Unsicherheit wächst. Unsere Unternehmen wissen nicht genau, wo die Entwicklung hingeht. Das macht Investitionen schwieriger und schwächt das Vertrauen.
Können Institutionen wie die Wirtschaftskammer Österreich hier abseits verbaler Wutausbrüche auf Twitter bilateral lobbyieren, oder ist die Wirtschaft der Politik komplett ausgeliefert?
Im Bereich der Handelspolitik kann die Wirtschaftskammer durchaus Einfluss nehmen. Etwa mit Handelsabkommen, die wir proaktiv angehen. Dabei geht es um Zollabbau und nichttarifäre Handelshemmnisse, die weg müssen. Denn es schafft Sicherheit, wenn man weiß, dass seine Produkte zugelassen werden. Dazu können die Wirtschaftskammer und die Politik schon etwas beitragen und für Stabilität sorgen. Darüber hinaus können unsere Wirtschaftsdelegierten in aller Welt den Firmen aufzeigen, wo es Unsicherheiten gibt und was erlaubt ist und was nicht. Wir können wirklich in die Tiefe beraten und die Exporteure mit Rat und Tat begleiten.
Wie beeinflusst die vielfach auch hochgekochte politische Situation den Außenhandel eigentlich wirklich?
Schlägt sich die Unsicherheit in konkreten Zahlen nieder? Die Situation wirkt sich leider tatsächlich auch auf die Exportzahlen aus. Der Streit zwischen dem Iran und den USA sorgt dafür, dass sich Unternehmen aus dem Land zurückziehen, weil für viele der amerikanische Markt wichtiger ist. Vielfach stehen aber aktuell Strafzölle lediglich im Raum. Das sind eher atmosphärische Spannungen, die dazu führen können, dass weltweit weniger Investitionen getätigt werden. In der Praxis versuchen Unternehmen natürlich wegbrechende Märkte und Unsicherheiten anderswo zu kompensieren. Das klappt auch oft, kostet aber häufig Arbeitsplätze und Zeit.
Müssen sich die Unternehmer generell ein dickeres Fell zulegen?
Ich denke schon, Resilienz wird sicher immer wichtiger. Unsere Unternehmen müssen bestimmt noch flexibler werden. Das geht aber nur, wenn sie entsprechende Informationen haben, und genau das ist die Aufgabe der Außenwirtschaft Aus tria. Wir wollen rechtzeitig aufzeigen, wie man Probleme lösen kann und wo es neue Chancen gibt.
Würden Sie eine Prognose wagen: Wird es in absehbarer Zeit wieder ruhiger?
Ich glaube schon. Ich erwarte mir nächstes Jahr noch Unsicherheit, es wird sich aber wieder einpendeln. Meine Hoffnung ist, dass die amerikanische Wirtschaft und die Handelskammer positiv auf US-Präsident Trump einwirken werden. Er pokert immer extrem hoch, aber niemand will alles verlieren, weswegen der Druck gewisser Stakeholder in seinem eigenen Land wächst. Die gesamte Wirtschaft ist heute global in Wertschöpfungsketten vernetzt. Wer da zu viel blufft, geht ein enormes Risiko ein. Das wird auch Präsident Trump klar sein, und deswegen wird sich die Situation auch wieder einpendeln.
„Wer zu viel blufft , geht ein enormes Risiko ein.“
Wo sehen Sie aktuell Chancen für die Exportwirtschaft? Welche Märkte sind noch nicht im Fokus, aber spannend?
Es gibt aktuell durchaus Regionen, wo viel investiert wird und sich tolle Chancen ergeben. Das gilt besonders für Südamerika, Afrika und Südostasien. Ein Treiber ist auch China, das sehr geostrategisch unterwegs ist. Entlang der neuen Seidenstraße, die von den Chinesen finanziert wird, entwickeln sich viele Städte, Projekte, Korridore. Infrastruktur, Städtebau, Umwelt, Abfall, Wasser: Da sind unsere Unternehmen stark, da können wir punkten. Im Zuge dessen werden aber natürlich auch Dienstleistungen stärker nachgefragt.
Sie haben weltweit eigene Innovationszentren aufgebaut: Lässt sich damit wirtschaftliches und technologische Knowhow nach Österreich holen?
Das ist die Idee. Wir sind in vielen Ländern dieser Welt tätig und bekommen durch unser Netzwerk viele Innovationen und Entwicklungen mit, die Chancen darstellen. Wir wollen Denkanstöße geben und die internationalen Büros dazu verwenden, um globales Wissen in die heimischen Unternehmen zu bringen. Dabei geht es um Kooperationen mit weltbekannten Unis, um Netzwerke mit Innovation-Center, um Vorträge, Workshops und Informationsreisen. Top-Forscher sprechen über aktuelle Themen und entwickeln neue Ideen mit den Unternehmen. Das ist ein superspannender Austausch.
Spielt in einer immer stärker digitalisierten Welt der persönliche Kontakt eine geringere oder eine größere Rolle?
Wir befassen uns selbst sehr intensiv damit und bieten bereits um die 100 Webinare pro Jahr an. Das ist praktisch für unsere Kundinnen und Kunden, und der Informationsgehalt sinkt dadurch nicht. Wir machen auch erste Tests mit AILösungen rund um die Vertriebspartnersuche. Das wollen wir ausbauen, aber der Mensch muss im Mittelpunkt bleiben. Die Freundschaft und die persönliche Beziehung sind nach wie vor die Basis für gute Geschäfte, denn es braucht den Menschen zur Beurteilung. Ich würde sogar sagen, dass die persönlichen Netzwerke durch die Digitalisierung noch wichtiger geworden sind. Dementsprechend zentral sind für uns auch die realen Kontakte zu den Unternehmen in Österreich beziehungsweise zu den Stakeholdern in aller Welt, aus denen oft echte Freundschaften entstehen.