Verpackung

Wer braucht noch PET?

Nachhaltigkeit
17.05.2023

NaKu („Natürlicher Kunststoff“), österreichischer Pionier von komplett verrottbaren Verpackungslösungen, hat Erfolg. Besonders in Frankreich, Amerika und Afrika – ist aber in Österreich noch relativ unbekannt.
Ein verrottbares Sackerl mit Gemüse
Ein verrottbares Sackerl mit Gemüse

Natürlicher Kunststoff? „Das ist so fiktiv und an der Realität vorbei“, meinte man beim Patentamt und genehmigte schmunzelnd den Begriff. Damit war der Name gesichert und die Firma NaKu (für „Natürlicher Kunststoff“) geboren. Was im Jahr 2007 den Patentanwalt erheiterte, hat dem NaKu-Gründer Johann Zimmermann Erfolg gebracht, wenngleich noch nicht im Heimatland Österreich.

Billigkonkurrenz aus Erdöl

NaKu produziert kompostierbare Tragetaschen und transparente Flaschen für den Lebensmittelhandel. Das voll kompostierbare Material ist auf pflanzlicher Basis. Da wird pflanzlicher Zucker zu Milchsäure fermentiert und die lässt sich polymerisieren und in lange Ketten hängen. Dann verhält sie sich ähnlich wie der bekannte Kunststoff und man kann daraus alles herstellen, was man aus Plastik auch machen kann. ­
„120 % sustainable“ steht selbstbewusst auf einer NaKU-Flasche, weil „sie zu 100 Prozent nachwächst und wir bereits 20 Prozent wieder in den Recycling-Kreislauf geführt haben“, wie Johann Zimmermann betont. In der Flasche ist frisches Quellwasser vom Hochschwab, abgefüllt von der steirischen Firma Wildalp. Es gab vor Jahren auch schon Gespräche mit Vöslauer und Prototypen von NaKu-Vöslauer-Flaschen, aber der Mineralwasserkonzern hat sich dann für rePET entschieden. „Wenn man rePET, recycelt aus Erdöl, einer nachwachsenden und recycylierten NaKu-Flasche gegenüberstellt, gibt’s eigentlich keine Diskussion“, ist sich Zimmermann sicher. „Die NaKu-Flasche ist Natur pur und vollständig kompostierbar. Naturschutz und Gesundheit hin oder her, am Ende geht es halt doch nur um den Preis.“ Und da ist herkömmliches Plastik aufgrund des niedrigen Erdölpreises immer noch im Vorteil.

Die richtige Richtung

Wildalp hat sich dennoch für NaKu entschieden. Genauso wie Lebensmittelproduzenten in Frankreich und Amerika. „In diesen Ländern muss man nichts erklären“, sagt Zimmermann, „wir haben keine Verkaufsunterlagen in Französisch, werben dort nicht. Unser Vertrieb sagt einfach, was wir haben, und die bestellen das via WhatsApp.“ It’s the right direction, let’s do it, hört er von amerikanischen Produzenten. 
Das finden auch die NGOs in Afrika, die für Aufforstungsprojekte kompostierbare Pflanzensäcke suchen. In der Savanne werden Bäume eingesetzt und die Wurzelballen in verrottbare NaKu-Säcke verpackt. Da es in Afrika schon seit 2006 ein Plastiksackerlverbot gibt, hält man dort schon längst Ausschau nach natürlichen Alternativen. Begonnen hat das Afrikaengagement von NaKu mit „Book for Trees“ in Kenia, wo Kinder Bäume pflanzen und Bücher dafür bekommen. Das sympathische Projekt stand vor dem Ende, weil es keine vernünftigen Verpackungen für die Wurzelballen gab. Als ein Professor der HBLFA Gartenbau Schönbrunn im Unterricht von der prekären Situation des Aufforstungs-Projektes erzählte, hat eine Schülerin aufgezeigt und gesagt, es gäbe doch in Wien die Firma NaKu, die voll biologische Verpackungen herstelle. Noch am selben Nachmittag hat der Lehrer angerufen „und direkt mich erreicht“, so Johann Zimmermann, „ich bin zufällig gerade vor der Laborschweißmaschine gestanden und hab gesagt: Welche Dimension brauchen Sie denn?“ Zwei Stunden später waren die ersten Prototypen fertig.

Aufforstung in Afrika

Über 30.000 voll verrottbare Pflanzensäcke sind dann nach Kenia geliefert worden. Unentgeltlich. „Das Projekt wäre ohne diese gangbare Alternative sonst gestorben“, meint Zimmermann. Ein technischer Aufwand war es aber durchaus, die Säcke zu entwickeln. Die ersten Säcke haben sich zu früh aufgelöst. Es musste die ideale Dicke gefunden werden, damit der Sack acht Monate im Freien stehen kann. Und es sollte sich keine Staunässe bilden. Zu guter Letzt wurden die Schweißnähte optimiert. Jetzt, drei Jahre später, könnte aus dem karitativen Akt ein großer Deal werden. Denn Aufforstung ist in Afrika ein großes Thema. „Plötzlich haben vier Projektbetreiber angefragt“, sagt Zimmermann und ihm wurde gesagt, dass in Afrika eine Milliarde Bäume pro Jahr angepflanzt werden. Der Kontinent will die Bodenerosion stoppen, die durch Abholzung entstanden ist.

Was ist ein Käseschlafsack?

„Ursprünglich sind wir angetreten mit einem Frischhaltebeutel, der alles kann“, erinnert sich Zimmermann an den Start vor 15 Jahren, „da kann man etwas nach Hause tragen, dann hält es die Lebensmittel frisch und dann hat man einen verrottbaren Sack für den Bio-Müll.“ Was theoretisch einfach ist, scheitert an der Kommunikationshürde. Wie sollen die Leute erkennen, dass ein Frischhaltesack auch ein Müllbeutel ist? Also hat NaKu diversifiziert und die Produkte für einzelne Anwendungen optimiert. Der Gefrierbeutel hat keine Seitenfalte, damit sie sich nicht in das Gefriergut legt und festfriert, der Biobeutel ist stabiler in der Ausführung, damit der Sack unten nicht reißt. Und es gibt jetzt die Pflanzensäcke und neuerdings einen Käseschlafsack. 
Das ist ein Sackerl in gelbem Farbton – atmungsaktiv, weil Käse nachreift. Aber er soll keinen Geruch nach außen abgeben. Der Käseschlafsack funktioniert prächtig, wie erste Rückmeldungen von Verbrauchern und Käsesommeliers gezeigt haben. Johann Zimmermann ist zuversichtlich: „Wer heute als Start-up ein Bio-Getränk launcht, kann das gar nicht mehr in eine PET-Flasche füllen“, ist er sich sicher, „völlig unmöglich. Wir machen jetzt eine Mehrweg-Bio-Verpackung für Bio-Kosmetik. Auch hier wäre undenkbar, dass Bio-Kosmetik in Plastik oder PET gefüllt wird. Darum bekehren wir niemanden. Wir vertrauen auf die Generation, die den Sinn versteht, wenn eine Verpackung in 90 Tagen im Heimkompost komplett aufgelöst werden kann. Da wird man in Österreich auch draufkommen."

Ein Käseschlafsack hält Käse länger frisch
Ein Käseschlafsack hält Käse länger frisch