Ronald Cohen

Wer Schäden anrichtet, wird bezahlen

Alexandra Rotter
12.09.2021

Unternehmen, die Gutes tun und das auch belegen können, ziehen künftig mehr Kunden, Talente und Investments an als andere. Wer sich der Frage verschließt, wird dagegen kräftig zur Kasse gebeten. Davon ist der Risikokapitalgeber Sir Ronald Cohen überzeugt. Ihm zufolge stecken wir bereits mitten in der „Impact-Revolution“.

Sie haben in den 1970er-Jahren das Risikokapital-Investment- Unternehmen Apax gegründet. Wie viele Möglichkeiten gab es damals überhaupt, Geld in Impact-Unternehmen zu investieren – auch wenn sie noch nicht so genannt wurden? Diese Zeit war natürlich von anderen Ideen geprägt als die heutige: Unternehmen und Technologien sollten einen Wert erschaffen. Aber die 60er-Jahre, in denen ich studiert habe, waren auch eine idealistische Zeit. Ich habe vom ersten Tag an beschlossen, dass Apax nicht in Alkohol, Waffen, Tabak, Glücksspiel etc. investiert. Wir haben auch darauf geachtet, dass jedes unserer Investments dazu beiträgt, Jobs zu schaffen und den Wohlstand von Menschen aus bescheidenen Verhältnissen zu verbessern.

Und wann haben Sie begonnen, den größeren ökologischen und gesellschaftlichen Einfluss Ihrer Investments mitzudenken? Im Jahr 2000. Damals erhielt ich eine Anfrage von der britischen Regierung. Ein Mitarbeiter bat mich um Hilfe, denn egal wie viel Geld man für die Bekämpfung von Armut ausgegeben hat, sie wurde immer schlimmer. Ich habe die Lage analysiert und festgestellt, dass die Regierung und die Philanthropie keine neuen Wege definiert haben, die Menschen halfen, mehr Geld zu machen – so wie es Unternehmer und Risikokapitalgeber tun. Ich dachte, es muss möglich sein, Investments zu nutzen, um soziale Probleme anzupacken. Wir schrieben das in den ersten Report der Social Investment Task Force. Damals begann meine bisher 21-jährige Impact-Investment-Reise.

Ihre Ideen zur Impact-Revolution klingen fast zu gut, um wahr zu sein: Unternehmen tun nur noch Gutes für die Menschen und den Planeten, Regierungen sparen Geld, und Investoren verdienen dabei auch noch. Ist das alles so toll, wie es klingt oder gibt es einen Haken? Natürlich gibt es Herausforderungen, aber schon jetzt ist die Impact-Revolution mehr als eine Idee. Sie bringt Menschen dazu, Produkte von Unternehmen zu kaufen, deren Werte sie teilen. Menschen wollen für Unternehmen arbeiten, die keinen Schaden anrichten. Und sie wollen in sie investieren. Sie realisieren bereits, dass sich der Impact positiv auf ihre Renditen auswirkt. Mehr als 40 Billionen Dollar fließen bereits in Investitionen, die sowohl auf Profit als auch auf Impact ausgerichtet sind. Diese Werteverschiebung ermöglicht der Menschheit, gemeinsam mit neuen Technologien, Impact in einem Ausmaß wie nie zuvor in die Welt zu bringen.

Woher wissen wir, ob Unternehmen sich nicht nur sozial und klimafreundlich darstellen? Neue Technologien helfen, den Impact von Unternehmen zu messen. So können wir zeigen, wie viel Schaden Unternehmen anrichten und auch wie viel Gutes sie für die Menschen und den Planeten tun. Und wir können das in Euro, Dollar oder Pfund beziffern.

Welche Konsequenzen hat das für Unternehmen? Als Gründer oder Unternehmer sind Sie heute besser dran, wenn Sie zusätzlich zum Profit auch für Impact sorgen. Wenn Sie negativen Impact schaffen, werden Sie sowohl Konsumenten als auch Talente verlieren, Sie werden zu einer CO2-Steuer verpflichtet und dafür zahlen müssen, dass Sie nicht genug Diversität im Unternehmen haben. Daher ist es einfacher, Geld zu verdienen, wenn Sie Impact in Ihr Denken und Ihr Geschäftsmodell bringen, so wie es zum Beispiel Tesla macht.

Inwiefern ist Tesla ein Vorbild? Elon Musk hatte nicht nur die Absicht, Geld zu machen, sondern auch das Ziel, die Autoindustrie vom Verbrennungsmotor wegzubringen. Dabei hat er ein sehr wertvolles Unternehmen aufgebaut, dessen Aktienpreis sich in einem Jahr versiebenfacht hat. Im Vergleich: Der Aktienpreis von ExxonMobil ging in drei Jahren um zwei Drittel zurück, und die Aktionäre beschlossen, drei der Geschäftsführer durch neue zu ersetzen, die Ahnung vom Klimawandel haben.

In der Impact-Revolution, die Sie beschreiben, haben Investoren viel Macht, die Welt zu verändern, denn sie entscheiden, welchen Unternehmen sie ihr Geld geben. Heißt das, das Wohlergehen des Planeten hängt von den Menschen mit dem meisten Geld ab? Zu den Menschen mit dem meisten Geld gehören jene, die in eine Pensionsversicherung einzahlen. Das sind nicht die reichsten Menschen der Welt, aber sie haben Macht, die Aktienwerte der Unternehmen zu verändern. Und die Konsumenten sind auch nicht reich, aber sie fördern mit ihren Entscheidungen die Unternehmen, die Gutes tun.

Doch derzeit gibt es noch viele Menschen, die zum Beispiel bei Amazon einkaufen, obwohl bekannt ist, wie schlecht Amazon seine Mitarbeiter behandelt. Warum sollten Unternehmen sich also verändern, wenn sie nach wie vor riesige Profite erwirtschaften? Sobald ein Mitbewerber kommt, der seine Mitarbeiter besser behandelt und transparenter über seinen Impact informiert, wird Amazon aufwachen. Wenn Regierungen Amazon zwingen, seinen Impact offenzulegen, werden die Investoren davonlaufen. Transparenz ist hier das mächtigste Mittel. Für mich ist die Impact-Transparenz ein Menschenrecht: Wir haben das Recht, über die positiven und negativen Auswirkungen der Unternehmen Bescheid zu wissen.

Haben Unternehmen mit einem ganzheitlichen Ansatz, die sich nicht nur auf Wachstum und Profit konzentrieren, schon heute einen Wettbewerbsvorteil, wenn Sie Geld von Investoren bekommen wollen? Ich glaube schon. Deshalb ist der Aktienpreis von Tesla so schnell gestiegen. Investment- Management-Unternehmen stehen unter dem Druck ihrer Kunden, Investments zu finden, die eine Lösung für die großen Herausforderungen anbieten und dabei zugleich Gutes zu tun.

Was können KMU tun, um für Impact-Investoren interessant zu werden? Für KMU ist es klug, zunächst ihren Impact zu messen und ihn dann zu verbessern. Denn ihre Banken werden ihnen in Zukunft kein Geld mehr leihen, wenn sie schreckliche Umweltprobleme verursachen.

Für die Impact-Messung gibt es noch keine einheitlichen Standards. Wie sollen Unternehmen also vorgehen? Auf der Website der Harvard Business School ist beschrieben, wie sie beginnen können, ihren Impact zu messen. Wirtschaftsprüfungs- und Buchhaltungsunternehmen können sie dabei unterstützen.

Glauben Sie, dass einmal 100 Prozent aller Investitionen Impact-Investments sein werden? Ja. Wir werden ein System haben, in dem Unternehmen für den Schaden, den sie erzeugen, besteuert werden und wo Investoren nach Unternehmen suchen, die sowohl Rendite als auch Impact erzeugen. So werden unsere Ökonomien eher Lösungen als Probleme kreieren.

Sie sind auch Philanthrop und widmen ein Kapitel Ihres Buches der Philanthropie. Ist es aus Ihrer Sicht ethisch in Ordnung, als Philanthrop auch Profit anzustreben und in Impact-Unternehmen und -Organisationen zu investieren, anstatt nur Geld zu spenden? Philanthropen werden immer Geld spenden, weil es Bereiche gibt, wo man den Impact nicht messen kann. Aber für Philanthropen, die so vielen Menschen wie möglich auf die beste Weise helfen wollen, ist es sinnvoller, Geld zu investieren. Indem wir Geld an Hilfsorganisationen spenden, halten wir sie klein, denn in drei Jahren werden wir an eine andere Organisation spenden, die eher unsere Hilfe benötigt. Aber wenn wir sie ermächtigen, Investments anzuziehen und Zinsen dafür zu zahlen, können sie mehr Geld aufstellen. Ein Unternehmen wächst nicht, wenn wir ihm Geld schenken, also warum glauben wir dann, dass eine Hilfsorganisation durch gespendetes Geld wachsen kann?

Haben Sie überhaupt keinen Zweifel daran, dass wir durch Impact-Investment das Klima und die Gesellschaft retten können? Natürlich könnte diese Revolution auch scheitern. Ich frage mich zum Beispiel, wie schnell Regierungen Impact-Transparenz schaffen werden, wie sehr Unternehmen diese Entwicklungen bekämpfen, anstatt sie mitzutragen, ob Investoren durch das Greenwashing der Unternehmen verunsichert werden und ob das dann dazu führen könnte, dass die Menschen sagen, das war doch eine dumme Idee.

ZUR PERSON

SIR RONALD COHEN ist Risikokapitalgeber, Philanthrop und sozialer Innovator. Er floh als Jugendlicher mit seiner Familie aus Ägypten nach Großbritannien, wo sie sich ein neues Leben aufbauen mussten. Nach seinem Studium an der Universität Oxford und an der Harvard Business School gründete er Apax mit, ein Risikokapital- Unternehmen, das in mehr als 500 Start-ups investiert hat. Cohen gilt als Vater des britischen Risikokapitals und des ethischen Investments. Er ist eine der führenden Persönlichkeiten der Impact-Investment-Bewegung und sieht in ihr die Möglichkeit, den Klimawandel und die großen sozialen Herausforderungen zu bewältigen.

BUCH-TIPP

RONALD COHEN: IMPACT. Ein neuer Kapitalismus für echte Veränderungen
Nicht mehr nur Risiko und Rendite werden für Investment-Entscheidungen in Zukunft eine Rolle spielen, sondern immer mehr auch der Impact, also der Einfluss von Unternehmen und Organisationen auf Umwelt, Klima und Gesellschaft. Der Autor ist überzeugt, dass die „Impact-Revolution“ die Welt ebenso verändern wird wie die technologische Revolution der vergangenen Jahrzehnte.

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