Vorsicht: Haftung!
Wie groß ist die Gefahr, sich als Manager in rechtliche Graubereiche zu begeben und wie kann man sich absichern? Der Rechtsanwalt Dr. Michael Walbert erklärt, wo Risiken bestehen.
Stichwort Managerhaftung: Wo liegen die größten Risiken für die Manager? Wie entwickelt sich der Bereich?
Aus meiner Erfahrung sind in der Praxis vor allem die Haftung für Abgaben- und Beitragsschulden sowie die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung kritisch. In diesen Bereichen kann es für Manager schwierig sein, den Überblick zu bewahren. Auch in insolvenznahen Situationen kann das zivilrechtliche Haftungsrisiko besonders hoch sein, weil die besonderen Organpflichten in der Praxis oft nicht leicht zu erfüllen sind. Im Kontext einer Insolvenz kommt es daher zu vielen Haftungsfällen. Im Konzern kann insbesondere das Verbot der Einlagenrückgewähr zur Haftungsfalle für Manager werden, weil Verstöße dagegen oft nur schwer erkennbar sind.
Viele Unternehmen setzen auf umfangreiche Compliance-Regeln, um die Einhaltung von Gesetzen zu gewährleisten. Kann der durchschnittliche Manager all diese Regeln und die juristischen Grundlagen dahinter überhaupt im Alltag im Kopf behalten?
In letzter Zeit ist bei Compliance teilweise eine regelrechte Regulierungswut zu beobachten. Dadurch kommt zur gesetzlichen und behördlichen Regulierungsdichte eine innerbetriebliche Regulierungsebene hinzu, die mitunter umfangreich und komplex ist. Manager können da schon den Überblick verlieren. Eine Missachtung von Compliance-Regeln kann nicht nur eine haftungsbegründende Pflichtverletzung darstellen, sondern im Fall eines wissentlichen Verstoßes auch den Straftatbestand der Untreue erfüllen. Die genaue Kenntnis der relevanten Compliance-Regeln oder deren Prüfung im Anlassfall ist daher entscheidend. Allfällige Unklarheiten sollten mit einem Compliance-Beauftragten oder einem geeigneten Berater ausgeräumt werden.
Ihre Meinung: Stehen Manager heute tatsächlich oft mit einem Fuß im Kriminal? Ufern die juristischen Anforderungen aus?
Die Wahrscheinlichkeit, dass Manager Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens werden, dürfte in den letzten Jahren tatsächlich etwas höher geworden sein. Zu dieser Entwicklung hat sicher auch die Aufstockung der Personalressourcen in Staatsanwaltschaft und Wirtschaftspolizei beigetragen. Die Staatsanwaltschaft wird aber nur aufgrund eines begründeten Verdachts tätig. In vielen Fällen mündet das Ermittlungsverfahren auch nicht in eine Anklage. Für die betroffenen Manager ist das nur ein schwacher Trost. Die Verteidigung gegen strafrechtliche Vorwürfe kann auch schon im Ermittlungsverfahren sehr kostenintensiv sein. Ist eine Strafrechtsschutzversicherung abgeschlossen, übernimmt der Versicherer die Verteidigungskosten. Bei Weitem einschneidender ist dagegen der unersetzbare Reputationsschaden eines betroffenen Managers, der mit einem Ermittlungsverfahren einhergeht.
Seit Jahresbeginn 2016 gilt die „Business Judgement Rule“. Was bedeutet die Regelung? Bringt sie Entspannung?
Die Business Judgment Rule (BJR) steckt einen haftungsfreien Ermessensspielraum, einen „Safe Harbour“, ab. Wer die Vorgaben der BJR einhält, muss sich nicht um zivilrechtliche Haftung sorgen, auch wenn eine unternehmerische Entscheidung zu Verlusten führt. Die neue BJR gießt weitgehend die bisherige Rechtsprechung zur Managerhaftung, die Managern unter Bezugnahme auf die Grundsätze der BJR einen weiten Ermessensspielraum zubilligte, in Gesetz. Es ist daher nicht zu erwarten, dass die bisherige Rechtsprechungspraxis durch die gesetzliche Verankerung der BJR künftig eine wesentliche Änderung erfährt. Dennoch hat der Gesetzgeber mit der Kodifizierung der BJR einen wichtigen Schritt gesetzt, der als Erinnerung an die Gerichte verstanden werden sollte, den unternehmerischen Ermessensspielraum von Managern zu respektieren.
Wie können Geschäftsführer Vorsorge treffen?
Im Streitfall müssen Manager beweisen, dass ihr Verhalten nicht sorgfaltswidrig war, weil im Haftungsprozess die Beweislastumkehr gilt. Das Um und Auf ist daher die Dokumentation des Entscheidungsfindungsprozesses und seines Ergebnisses. Es muss aber nicht gleich ein eigener Akt angelegt werden. Auch Emails oder kurze Gedächtnisnotizen können im Haftungsfall entscheidend sein. Die Verteidigung gegen den Vorwurf einer Pflichtverletzung ist in der Praxis oft aus Mangel an aussagekräftiger Dokumentation schwierig. In vielen Fällen hat der betroffene Manager zum Zeitpunkt der Erhebung eines solchen Vorwurfs zudem das Unternehmen bereits verlassen. Dann ist es besonders schwierig, an relevante Information und Unterlagen zu gelangen.
Helfen am Ende D&O-Versicherungen weiter?
Die D&O-Versicherung ist ein ganz wesentlicher Schutz für Manager. Ihre Verbreitung hat daher in den letzten Jahren stark zugenommen. Die D&O-Versicherung ist aber keine „Vollkaskoversicherung“ gegen Verluste aus unternehmerischen Fehlentscheidungen. Gedeckt sind nur Schäden, die aus Pflichtverletzungen resultieren. Aber nicht jede unternehmerische Fehlentscheidung ist eine Pflichtverletzung. Über den konkreten Deckungsumfang sollten sich Manager zumindest einen groben Überblick verschaffen. Für den Streitfall sollten Manager zudem über eine Kopie der Polizze verfügen, wenngleich das in der Regel keine Voraussetzung für die Geltendmachung der Rechte daraus darstellt.