Infrastrukturprojekte: Dabei sein und profitieren

WKO
23.11.2017

 
Alexander Klacska kämpft seit Jahren für die Interessen der heimischen Transportwirtschaft als Obmann der WKO-Bundessparte Transport und Verkehr. Im Interview erklärt er, warum Reglementierungen gegen das steigende Verkehrsaufkommen – vor allem in den Ballungszentren – nicht greifen würden
Alexander Klacska

INTERVIEW: JOHANNES TOMSICH

Derzeit werden Alternativen für die Zustellung von Paketen in Ballungszentren erprobt: von Elektro-Lkw bis zu Fahrrädern. Wie bewerten Sie diese Bemühungen?
Es wäre vor allem wichtig, eine klare Strategie zu verfolgen. Wir brauchen dringender mehr Logistikflächen zu vertretbaren Konditionen in den Ballungsräumen. Denn diese wurden in der Vergangenheit aus der Stadt verbannt. Man hat die Speditionen in Wien komplett im Regen stehen gelassen, deshalb sind viele nach Niederösterreich ausgewandert.

Wie steht es um Abstellflächen für Lkw über 3,5 t höchstzulässigem Gesamtgewicht? Natürlich fehlt es auch hier. Zustellverkehr kann man nur mehr mit kleineren Einheiten ohne Anhänger abwickeln. Aber um wirtschaftlich zu sein, muss man mit beladenem Anhänger so nah wie möglich rankommen und dann umladen. Einen Anhänger darf man aber nicht irgendwo abstellen. Im Zuge der Parkraumbewirtschaftung und des ganzen neuen Systems ist das problematischer geworden.

Welche Rolle spielt die Bahn dabei in Zukunft? Kann sie dabei helfen, Güterströme zu bündeln?
Ich glaube, generell bedarf es einer besseren Strategie für den Schienen-Güterverkehr. Wir investieren in Österreich wie fast kein zweites Land in Europa in Schienenverkehrslösungen, in Infrastruktur, in Tunnelprojekte. Es geht um die Frage: Wie füllen wir diese Tunnel mit Güterströmen, sodass man wirklich eine vernünftige Güteraufteilung zustande bekommt? Dazu muss man die Industrie und die Speditionen mit einbeziehen – sie kennen die Güterströme und wissen, warum dort und da die Schiene nicht funktioniert beziehungsweise nicht benutzt wird.

Wie stehen Sie zu dem geplatzten Deal zwischen Wiener Hafen und den ÖBB mit dem Güterverkehrszentrum Wien-Süd mit einer gemeinsamen Vermarktung des Containergeschäftes, das die Wettbewerbsbehörde verhindert hat?
Ich glaube, dass Wiener Hafen und Inzersdorf Teil eines gemeinsamen Konzepts sein sollten, vor allem in der Diskussion „One road – one belt“ (Verkehrsinfrastrukturprojekt, ausgehend von China, 2013 begonnen), in der man in Österreich zu zurückhaltend agiert. Welches Land wird angebunden? Wo enden diese Infrastrukturstränge? Diese Entscheidungen werden in den nächsten Jahren fallen. In Bezug darauf muss man als Land laut „Hier“ schreien und aufzeigen, dass wir gute Voraussetzungen haben. Ich glaube, gerade der russische Raum könnte positive Signale von Österreich gut gebrauchen. Es wird dazu ein gewisser Wettbewerb innerhalb Europas ausbrechen. Und eines hat die Vergangenheit gezeigt: Jene Länder, die dabei sind, profitieren. Jene fernab haben dann nur mit den negativen Effekten zu kämpfen.

Das Modal-Split in Österreich hat sich in den letzten Jahren wieder zugunsten des Straßenverkehrs entwickelt, die Schiene hatte bereits einen Anteil von 33 % am gesamten jährlichen Güterverkehrsvolumen, jetzt liegen wir bei etwa 30 %. Woran liegt das?
Ich glaube, gerade mit dem Rückzug der Schiene aus der Fläche wäre es notwendig gewesen, dass mehr PPP-Projekte zustande kommen. In vielen Gemeinden gibt es einen unausgelasteten Businesspark. Es läge meiner Meinung nach sehr viel mehr Potenzial darin, Warenströme von Gewerbe und Industrieunternehmen gemeinsam mit der öffentlichen Hand in Regionen zu bündeln, und darüber die Schiene wieder stärker in die Fläche zu bekommen. Das System von früher – überall Verladebahnhöfe – war wirtschaftlich nicht tragbar.

Welchen Einfluss hat das E-Business auf die Transportwirtschaft?
Es bringt eine starke Dynamik mit sich. Wenn zum Beispiel erst selbstbestellende Kühlschränke in vielen Haushalten stehen, wird das die Verkehrsplanung und auch die Logistikdienstleister vor riesige Herausforderungen stellen.

Zustellverkehre von Lebensmitteln sollten im ländlichen Raum sicher eine andere Berechtigung haben als in der Stadt, gerade für mobilitätseingeschränkte Personen. Ich glaube, darüber muss man ganz offen und transparent diskutieren, einerseits, was machbar ist, und auf der anderen Seite, was gesellschaftlich wünschenswert wäre. Nur der Entwicklung zuzuschauen und nachträglich Grenzen einzuziehen mit Fahrverboten oder Besteuerung wäre fahrlässig.

Mit dem ansteigenden E-Business geht eine stetige Verkürzung der Zustellzeit einher, immer kleinere Mengen, Gratisretouren. Einerseits ist es ein gutes Geschäft für die Logistikdienstleister, andererseits verursacht man damit auch Kosten, Staus und Probleme.
Ich sehe es problematisch, denn der Konsument erwartet sich alles immer schneller. Auf der einen Seite steigt die Erwartungshaltung des Kunden, auf der anderen Seite gibt es die öffentliche und politische Diskussion über den ausufernden Verkehr auf der Straße, und es kommen Regulierungsbemühungen. Zu sagen: Das regeln wir dann über Preise des Zugangs zur Verkehrsinfrastruktur, das halte ich für zu kurz gegriffen, denn wir sehen schon jetzt, dass sehr viele Inlandsverkehre über Kabotage substituiert worden sind, durch nichtösterreichische Unternehmen, weil der Kostendruck so gigantisch ist.

Man muss die Verantwortung ein Stück weit dorthin zurückspielen, wo der ganze Verkehr ausgelöst wird. Und damit ist die gesamte Gesellschaft gemeint, mit dem Bestellvorgang per Mausklick.

Autor
Johannes Tomsich