Die Hoffnung bleibt
INTERVIEW STEPHAN STRZYZOWSKI
Die Märkte sind gerade von verschiedenen großen Themen geprägt: Klimawandel, Handelsstreit, Brexit, Protektionismus. Werden die Zeiten für die internationale Wirtschaft turbulenter oder täuscht der Eindruck? Nein, er täuscht leider nicht. Aber: Die österreichische Exportwirtschaft hält sich extrem gut. Besonders gut gehen mit der Komplexität unsere Hidden Champions um. Durch ihre hohe Kompetenz in speziellen Nischen können sie sich nach wie vor behaupten. Ein Plus von 5,7 % im Warenexport 2018 beweist es. Österreich hat letztes Jahr sogar die 150-Milliarden-EuroExport-Schallmauer durchbrochen. Das ist eine wirklich große Leistung.
Die Konjunkturprognosen sind dennoch sehr verhalten. Vor allem das immer volatiler werdende politische Umfeld bremst das Wachstum. Das wird auch am Export nicht spurlos vorübergehen. Wie können sich Unternehmen auf diese Entwicklung einstellen? Keine Frage, die Welt wird komplexer, Protektionismus hemmt die Wirtschaft, globale Wertschöpfungsketten verändern sich und auch der technologische Wandel sorgt für Disruptionen. Mit diesen Faktoren müssen die Unternehmen umgehen.
Wie? Sie müssen sich auf das Kernelement ihres Erfolgs besinnen. Bei vielen Betrieben liegt es in der Produktqualität und ihrer Position in einer Nische. Genauso wichtig sind die typisch österreichische langfristige Orientierung, die gute Beziehung zum Kunden, das Vertrauen, das sich viele Familienbetriebe erworben haben. Diese DNA ist ein großer Vorteil in stürmischen Zeiten.
Losgelöst vom unternehmerischen Wertegerüst – worauf müssen exportierende Betriebe beim strategischen Set-up gerade achten? Es ergibt aktuell absolut Sinn, sich breiter aufzustellen und über diverse Märkte zu diversifizieren. Risikoabsicherung durch Präsenz auf mehr Marktplätzen lautet das Gebot der Stunde. Generell werden die Zukunfts- und Wachstumsmärkte in Asien und Afrika in Zukunft immer wichtiger. Darauf haben wir reagiert und ein neues Außenwirtschafts-Center in Vietnam eröffnet. Insgesamt gilt es, neue Trends und Geschäftsmodelle zu beobachten und den Blick noch viel stärker nach außen zu richten.
Politiker wie Trump halten die globale Wirtschaft in Atem und scheinen sich nur wenig darum zu kümmern, was das für die Märkte und Unternehmen bedeutet. Sehen wir hier einen Trend, dass sich die Systeme voneinander abkoppeln? Ich glaube, dass hinter den verschiedenen politischen Aktionen sehr wohl wirtschaftliche Interessen stecken. Trump glaubt ja wirklich, dass Abschottung wirtschaftlich etwas bringt – auch wenn es nicht stimmt und eine offene Gesellschaft sinnvoller ist. Was sich dadurch abzeichnet, sind Rahmenbedingungen, die von Protektionismus geprägt sind. Es bilden sich stärkere regionale Blöcke mit bilateralen Vereinbarungen heraus. Es geht weg von der WTO in Richtung regionaler Verträge. Das System ist heute also tatsächlich stärker politisch beeinflusst.
Erwarten Sie eine weitere Zuspitzung? Ich glaube nicht, weil die wirtschaftlichen Interessen der Staaten am Ende überwiegen. Es folgt ja auch immer eine Gegenmaßnahme auf jede Aktion. Niemandem ist damit gedient, wenn ein Handelskonflikt eskaliert.
Wie wird sich aus Ihrer Sicht die Situation zwischen den USA und dem Iran entwickeln? Am Golf wird mit dem Feuer gespielt. Das ist nicht ideal, ich kann nur hoffen, dass man Zusammenstöße vermeidet und wieder in ruhige Bahnen findet. Man muss sicherstellen, dass alles für die Wirtschaft klar geregelt wird und sich alle daran halten. Durch immer neue Sanktionen schaukelt sich die Situation aber so auf, dass niemand mehr vernünftig miteinander redet. Noch ist leider kein Licht am Ende des Tunnels. Aber die Hoffnung bleibt.
Bei der globalen Vormachtstellung lässt sich eine Verschiebung in manchen Bereichen erkennen, China ist ein dominanter Player geworden und hat den USA teilweise den Rang abgelaufen. Können sich heimische Exporteure auf solche Entwicklungen vorbereiten? Wenn sich geopolitische Machtverhältnisse verschieben, wirkt sich das natürlich auch stark auf die Wirtschaft aus. Denken Sie zum Beispiel an das Projekt der neuen Seidenstraße von China, wo zig Milliarden investiert werden und sich das Land strategisch in anderen Regionen einkauft. Solche Entwicklungen sollten exportierende Unternehmer sehr gut im Auge behalten. Denn daraus lassen sich entsprechende Strategien für die Zukunft ableiten. Dabei ist es wichtig, die Vielschichtigkeit der Regionen zu begreifen. China ist etwa zeitgleich ein Konkurrent und ein spannendes Exportland, auch Afrika hat unglaublich viele verschiedenen Facetten. Es gibt kein Schwarz oder Weiß. Das verstehen die Unternehmen auch.
Viel Schwarzmalerei gibt es immer rund um Handelsabkommen wie Mercosur. Haben Sie Verständnis für den Gegenwind verschiedener Stakeholder? Viele wissen schon, was sie davon haben. Österreich hat eine Exportquote von 54 % und profitiert von dem Abkommen. Bedenken müssen trotzdem ernst genommen werden. Wobei ich mir eine faktenbasierte Diskussion wünschen würde. Das fehlt oft. Der freie Handel ist zu wichtig, um sich diffusen Ängsten hinzugeben. Jeder zweite Arbeitsplatz hängt in Österreich am Export. Wir verzeichnen eine Milliarde an Exporten und importieren für 600 Millionen aus den Mercosur-Ländern. Das ist schon ein wichtiger Markt.
Abgesehen vom Freihandel – wo sehen Sie aktuell globale Baustellen? Bei den Handelskonflikten bin ich optimistisch, dass die Vernunft siegt und man sich einigt. Sorgen macht mir der technologische Aufschwung von Schwellen- und Entwicklungsländern in Bereichen wie Künstlicher Intelligenz sowie bei Forschung und Entwicklung, da sind sie vielfach schneller. Hier besteht die Gefahr, dass Europa und Österreich den Anschluss verlieren. Deswegen haben wir mit Innovate Austria einen Service geschaffen, wo unsere Wirtschaftsdelegierten Innovationen und Produktneuheiten aus aller Welt vorstellen, um die heimischen Betriebe beim Innovieren zu unterstützen.
Haben Sie ein Beispiel? Rund um Elektromobilität wird gerade in Singapur viel entwickelt. China befasst sich intensiv mit Patientendaten und entwickelt dann Lösungen für den Weltmarkt. Wir dürfen solche Entwicklungen nicht verschlafen.
Wie könnte Österreich aufholen? Wir müssen mehr in Bildung und Innovation investieren. Das gilt übrigens für Gesamteuropa. Der Bildungsbereich ist einfach zu träge und produziert nicht ausreichend Qualifikationen, die wir dringend bräuchten. Deswegen arbeitet die Wirtschaftskammer derzeit intensiv daran, die duale Ausbildung neu aufzusetzen und die sozialen und digitalen Skills zu stärken. Denn die werden in Zukunft immer wichtiger. Auch in bessere Rahmenbedingungen für Forschung müssen wir investieren. Sonst fallen wir zurück. Dann haben wir bald keine Weltmarktführer mehr.
Dank Digitalisierung muss heute nicht mehr jedes Unternehmen einen lokalen Standort aufbauen, wenn es eine Region aufbereiten will. Inwieweit kann das Internet eine Präsenz vor Ort ersetzen? Ich denke, dass man die Bedeutung persönlicher Kontakte nicht unterschätzen sollte. Vor allem im B2B-Bereich. Es gibt aber natürlich Branchen wie den Tourismus, wo man kein Reisebüro mehr in Japan braucht, um seine Leistungen darzustellen und um zu buchen. Geht es aber um physische Produkte, sieht die Sache anders aus.
Welche Hürden unterschätzen Unternehmen? Ein Mineralwasserexporteur kann seine Produkte natürlich digital verkaufen, aber die Ware muss dorthin, er muss sich um Zoll und Logistik kümmern. Man braucht einen Partner vor Ort. Bei vielen Produkten brauchen die Unternehmen also trotz Digitalisierung ein Lager und einen lokalen Partner, der einen positioniert und in die richtigen Channels bringt. Hier kommt unser dichtes Netzwerk von über 100 Stützpunkten im Ausland ins Spiel, die die Unternehmen vor Ort tatkräftig unterstützen. Da spielen Vertrauen und menschliche Beziehungen noch immer eine große Rolle. Natürlich helfen aber Big Data und Businessintelligence dabei, Partner auszuwählen und Marktdaten zu analysieren. Ich würde also sagen: Mensch zu Mensch bleibt wichtig. Selbst bei rein digitalen Produkten rufen uns die Start-ups irgendwann an und fragen nach konkreten Kontakten.