Wenn alle investieren wollen

Energie
28.03.2023

Die Nachfrage nach Energieberatungen ist enorm. Viele Unternehmen wollen sich rasch mit alternativen Energien von Marktpreisen unabhängig machen. Dabei gibt es viel effizientere Maßnahmen, um Energiekosten zu reduzieren.
investieren - Energieeffizienz

Seitdem die Energiepreise in die Höhe schießen und es Ängste bezüglich der Versorgungssicherheit gibt, können Energieberater nicht über mangelnde Auftragslage klagen – ganz im Gegenteil. So stieg auch beim Energieberater Synto in Pressbaum bei Wien die Nachfrage deutlich an, und zwar schon bevor der Krieg in der Ukraine begann. Konkret sind die Anfragen mittlerweile rund drei- bis sechsmal höher als einige Monate vor dem Krieg. Denn plötzlich wollen sich alle möglichst unabhängig von den unvorhersehbaren Energiepreisen machen und sicherstellen, dass sie überhaupt Energie bekommen. Resilienz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungs- bzw. Ausfallssicherheit haben jetzt laut Roland Lifka, einem der Geschäftsführer bei Synto, oberste Priorität bei den Unternehmen.
Synto berät in erster Linie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zwischen zwei und 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und das vor allem im Gebäude- und Prozessbereich und selten beim Thema Transport. Roland Lifka erklärt, wie es zur Nachfrageexplosion kam: „Schon vor Kriegsbeginn, eigentlich schon im Herbst davor, sind die Energiepreise gestiegen. Dafür waren vermutlich mehrere Variablen verantwortlich, unter anderem auch die Nachfragesteigerung in der Wirtschaft nach den Lockdowns.“ Berater im Energiebereich sind daher aus- und teilweise überlastet und tun sich momentan auch bei der Mitarbeitersuche schwer. Auch Synto will sich von derzeit drei Mitarbeitern auf fünf bis acht vergrößern.
Für Unternehmen bedeutet diese Situa­tion: Wer jetzt eine Energieberatung will, sollte mit einer Wartezeit von zumindest einigen Wochen rechnen. Dabei hat die Tatsache, dass sich viele Unternehmen jetzt gezwungen sehen, sich energieeffizient aufzustellen, auch etwas Gutes, denn das ist eine von vielen notwendigen Maßnahmen, um die Klimaziele zu erreichen. Lifka: „Es ist schön, dass das Thema jetzt im Bewusstsein angekommen ist, wenngleich die Gründe dafür nicht so erfreulich sind.“

Der Renner: Solarenergie
Die meisten KMU, die sich jetzt um ihre Energieeffizienz und Ausfallssicherheit kümmern wollen, kommen schon mit einer konkreten Idee zur Energieberatung: Zum Beispiel möchten sie die Heizung tauschen, eine Wärmerückgewinnung realisieren, die Pro­zesse optimieren oder das Gebäude sanieren. Besonders viele wollen derzeit eine Photovoltaik-Anlage installieren. Lifka: „Solarenergie ist gerade der absolute Renner. Photovoltaik ist derzeit die am stärksten nachgefragte Maßnahme.“ Lifka fällt dabei auf, dass Unternehmen meist in erster Linie daran denken, neue alternative Energiequellen zu installieren, aber eher selten daran, Energie einzusparen: „Was man nicht verbraucht, muss man nicht erzeugen. Und was man nicht erzeugt, muss man nicht bezahlen.“ Wer also bei den Energiekosten sparen will, sollte immer zuerst an der Effizienzschraube drehen – und erst im nächsten Schritt an neue Energiequellen denken.

70 bis 90 % Einsparung können durch Energieeffizienz ­ erreicht werden.

Roland Lifka, Energieberater

Roland Lifka im Portrait
Roland Lifka, Energieberater bei Synto

Denn das mit Abstand größte Einsparungspotenzial steckt in Energieeffizienz-Maßnahmen, also in der Reduzierung des bestehenden Energieverbrauchs. Roland Lifka erklärt das anhand eines Beispiels: So konnte ein Hotel, das von Synto beraten wurde, allein durch die thermische Sanierung, also die Dämmung der Gebäudehülle 80 Prozent vom ursprünglichen Energiebedarf einsparen. Und das ist keine Ausnahme: 70 bis 90 Prozent Einsparung könne laut Lifka durch Energieeffizienz fast immer erreicht werden. Viele Kunden, die das hören, sind überrascht. Zurück zum Beispiel: Von den restlichen 20 Prozent konnte dann wiederum mehr als die Hälfte über die Installation von zwei Wärmepumpen eingespart werden. Es blieb also nur mehr ein Bedarf im einstelligen Prozentbereich im Vergleich zur Ausgangssituation. Lifka: „An dieser Stelle können sich Unternehmen überlegen, wie sie den Restbedarf zum Großteil vor Ort erzeugen können.“ Im konkreten Fall entschied man sich für eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Somit landete man bei einem Bedarf im niedrigen einstelligen Bereich, den man noch zukaufen muss. Dieser steigt im Winter etwas an, aber, so Lifka: „Das ist schon eine hohe Autarkiequote, das heißt, die Abhängigkeiten von außen sind deutlich gesunken.“

Return on Investment nach fünf Jahren
Natürlich sind zunächst relativ hohe Investitionen notwendig. Verallgemeinern lässt sich eine Aussage zu den Kosten freilich nicht, denn das hängt von Faktoren wie der Unternehmensgröße, den konkreten Maßnahmen und der Autarkiequote ab, die ein Unternehmen erreichen will. Aber einen Richtwert gibt Roland Lifka dennoch: Für ein kleines Unternehmen könne zum Beispiel eine Gebäudesanierung unter 100.000 Euro kosten, für mittlere oder größere Betriebe kann das auch mehr als eine Million ausmachen. Bei der Prozesstechnik oder beim Anlagen- und Heizungsbau können kleinere Betriebe mitunter ebenfalls mit weniger als 100.000 Euro auskommen, und bei Großbetrieben können die Investitionskosten auch in die Millionen gehen. Meist sei aber der Return on Investment nach fünf Jahren erreicht – in Ausnahmefällen investieren Unternehmen so umfangreich, dass sich die Investition erst nach zehn bis 15 Jahren rechnet.
Und wie sieht es mit den Förderungen aus? Die gute Nachricht: Es gibt mehr davon als früher. Konkret könnten sich Unternehmen rund 20 bis 40 Prozent der Investitionskosten über Förderungen zurückholen. Wer bereits eine Maßnahme geplant hat, kann sich bei Bundes- oder Landesförderstellen über Zuschüsse informieren. Andernfalls kann sich beispielsweise auch Synto darum kümmern – mit Ausnahme der Photovoltaik-Förderungen, denn dies binde zu viele Ressourcen. Tatsächlich gibt es hier einen Stau, weil das Angebot für die hohe Nachfrage nicht ausreicht. Außerdem sind die Regeln, um einzureichen, kompliziert, was viele Unternehmen ärgert. Und generell dauern die Prüfungen durch die Förderstellen oft zu lang – zum Beispiel mussten im Bereich thermische Sanierung manche Kunden sechs bis neun Monate auf das Okay der Förderstelle warten. Das sei oft eine Zitterpartie, denn wenn dann die Förderzusage kommt, haben die umsetzenden Betriebe manchmal keine Kapazitäten und es kommt zu noch längeren Wartezeiten. Hier eine realistische Risikoanalyse durchzuführen sei sehr schwierig.

Gunst der Stunde nutzen
Lifka plädiert deshalb dafür, dass der Staat die Gunst der Stunde nutzt und rasch sinnvolle Rahmenbedingungen schafft, mit denen Unternehmen Maßnahmen zweckmäßig und relativ schnell umsetzen können: „Jetzt ist der Zeitpunkt da, wo die Leute etwas tun wollen. Sie rühren sich bei uns, sie sind interessiert und möchten, dass was weitergeht. Und wenn sie dann blockiert sind, verärgert sie das, und es besteht das Risiko, dass man sie wieder verliert.“ Und das wäre in Hinblick auf die nötigen Klima-Maßnahmen mehr als schade, wenn nicht gar unverzeihlich.