Sepp Eisenriegler: Schluss mit Wegwerfgeräten

Stephan Strzyzowski
16.03.2020

Sepp Eisenriegler hat 1998 das Reparatur- und Servicezentrum R.U.S.Z gegründet. Er musste feststellen, dass in vielen Elektrogeräten gezielt Sollbruchstellen verbaut sind. Eine Tat­sache, die er nicht einfach hinnehmen wollte. Sein Kampf für einen Systemwandel wurde nun belohnt: mit neuen Normen auf EU-Ebene, die Schluss machen mit Wegwerfgeräten.

Billige Produkte, niedrige Margen, viel Schrott: Viele Hersteller erwirtschaften ihre Profite durch den Verkauf enormer Stückzahlen von Geräten, die sehr wenig kosten, aber auch sehr rasch kaputt werden. Dafür beuten sie zuerst Rohstoffe im Süden aus, die dann unter der Ausbeutung von Arbeitern in den Schwellenländern zu Produkten verarbeitet werden, die wir im Norden billig kaufen, wenig wertschätzen und schnell wegwerfen. Wenn man sich vor Augen führt, dass 50 % der globalen Kohlenstoffemissionen und 90 % des Artensterbens auf den Abbau natürlicher Ressourcen zurückgehen, ist das ein Irrsinn. Die Produzenten hätten an diesem Businessmodell festgehalten. Lange hat auch niemand dagegen rebelliert. Doch jetzt wird sich diese fatale Praxis ändern, weil die EU-Kommission ein Maßnahmenpaket zur Kreislaufwirtschaft verfolgt und entsprechende technische Normen entwickelt wurden, an denen ich mitwirken konnte.

Wenn die Lobby nachgeben muss: Seit 2014 gibt es die einzigartige österreichische Norm „Gütezeichen für langlebige, reparaturfreundlich konstruierte elektrische und elektronische Geräte“. Diese Norm habe ich 2016 als willkommene Grundlage für die von der EU-Kommission beauftragten EU-Standardisierungsverfahren „Energy related products – Material efficiency for Ecodesign“ eingebracht. In diesen Standardisierungsverfahren durfte ich die Arbeitsgruppe „Reparability, Reusability and Upgrade“ leiten. Bei der Erstellung haben insgesamt 170 Lobbyisten mitgebarbeitet. Die Mehrzahl waren Abgesandte der Industrie, weswegen ich nur wenig Hoffnung hatte. Doch ihr Widerstand war nicht so groß wie befürchtet. Mir hat sogar der Delegationsleiter von Deutschland gesagt, dass der Industrie bereits klar war, dass es so nicht weitergehen könne. Aber alleine hätte beispielsweise BSH nicht damit angefangen langlebigere Produkte zu konstruieren. Er freute sich regelrecht über diesen ordnungspolitischen Schritt im Rahmen des Kreislaufwirtschaftspakets: „Wenn diese Ressourceneffizienz-Vorgaben für alle Marktakteure gilt, sind wir mit Feuereifer dabei!“

Wie sich die Verordnung auswirkt: Es geht darum, mit weniger Rohstoffen den gleichen Nutzen zu stiften. Produkte für Haushalte müssen jetzt langlebig, leicht reparierbar und auch zur Wiederaufbereitung tauglich sein. Konkret müssen etwa Waschmaschinen mindestens zehn Jahre halten. Und die Hersteller müssen ihr Know-how, etwa Diagnose­software, auch freien Werkstätten gratis zugänglich machen. Auch die Ersatzteilversorgung muss für zehn Jahre sichergestellt werden. Gesetzeskraft erhalten die Maßnahmen ab 2021. Meine Prognose: Ab 2025 wird es in der EU überhaupt keine „billigen“ Wegwerfgeräte mehr zu kaufen geben. Dann gibt es nur mehr Geräte nach den neuen Standards. 

Wie die Umsetzung der hohen Auflagen garantiert wird: Ich bin sehr optimistisch, dass sich die internationalen Hersteller an die Vorgaben halten werden, weil wir jetzt auch noch zusätzlich von der Kommission beauftragt wurden unabhängige Testmethoden zu entwickeln, um frühzeitige Obsoleszenz zu erkennen (www.prompt-project.eu). Diese Tests werden auch in den Labors der Hersteller vorgenommen, damit sie wissen, ob sie ein Gerät im Wirtschaftsraum der EU verkaufen dürfen. Wenn es nicht unseren Standards entspricht, wird es keine Marktzulassung geben. Das gilt natürlich auch für Handys.

Welchen Impact die Normen auf die Natur haben: Bis zum Verkaufspreis von 500 Euro erhält man pro 100 Euro ein Jahr Lebensdauer bei Waschmaschinen. Durch die längere Lebensdauer, die dann in der neuen Ökodesign-Richtlinie vorgeschrieben wird, müssen bis zu zwei Drittel weniger Geräte produziert werden. Das schont die Umwelt enorm. Der ökologische Fußabdruck ist bei Waschmaschinen um 300 bis 500 Euro viermal so hoch wie bei einer um 900 Euro, die 20 Jahre hält. Dafür muss man wissen, dass die Produktion eines Elektrogeräts mehr als die Hälfte aller negativen Umweltauswirkungen ausmacht. Ob ein Gerät ein bisschen mehr Energie spart, wirkt sich wesentlich weniger stark aus wie die Ressourceneffizienz durch längere Nutzung. 

Warum die Richtlinie nur ein Anfang sein kann: Die Kreislaufwirtschaft zu stärken, ergibt extrem viel Sinn. Gemäß der Studie „Economic Growth Potential of More Circular Economies“ von Peter Mitchell und Keith James können bei kontinuierlicher Entwicklung der Kreislaufwirtschaft bis 2030 in Europa 1,2 Mio. Arbeitsplätze, davon 25.000 in Österreich geschaffen werden. In Wahrheit bräuchten wir zwar meiner Meinung nach überhaupt Degrowth, aber wenn Wachstum in die richtige Richtung passiert, soll es mir recht sein. Mit der Umsetzung der Standards durch die Industrie kann ich jedenfalls mein Lebenswerk gut abschließen. 40 Jahre für Ressourcenschonung zu kämpfen war doch auch anstrengend.

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