Runder Tisch
Klatschen oder Kleben?
Österreich wird die Klimaziele um 20 Jahre verfehlen. So tönt es aus dem Radio am Morgen der Gesprächsrunde mit Sabine Schellander, Kilian Kaminski und Gabriele Faber-Wiener. Alle drei haben sich beruflich und wohl auch privat dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben. Wir wollen diskutieren, wie sich Unternehmen angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise verhalten sollen, woher sie noch Kraft und Motivation bekommen und welche Rolle die Politik dabei spielen könnte.
„Die Nachricht über das Verfehlen der Klimaziele ist zwar wenig überraschend, aber dennoch sehr enttäuschend“, sagt Sabine Schellander. Sie ist Co-Head of Sustainability und leitet die Nachhaltigkeitsabteilung bei Greiner, einem Global Player in der Kunst- und Schaumstoffverarbeitung mit fast 12.000 Mitarbeiter*innen und Hauptsitz im oberösterreichischen Kremsmünster. „Ich habe ja eigentlich das Gefühl, dass sich gerade vieles in die richtige Richtung bewegt, nicht nur innerhalb der grünen Glitzerblase, in der wir Nachhaltigkeitsmanager gerne unterwegs sind. Doch wir halten unbeirrt an unseren Zielen fest, denn die Transformation muss passieren“, so Schellander, die viele Jahre in der strategischen Nachhaltigkeitsberatung tätig war, ehe sie 2018 zu Semperit auf die Industrieseite wechselte.
Kilian Kaminski stimmt zu: „Die Entwicklung der letzten Jahre ist ja positiv, die gesamte Gesellschaft legt mehr Fokus auf die notwendigen Veränderungen, auch im Konsumverhalten. Wir sehen aber auch schon lange, dass alles viel zu langsam geht.“
Die Lage ist ernst
Kaminski ist definitiv berechtigt, Geschwindigkeit einzufordern, hat er doch mit seinem Start-up Refurbed einen sensationellen Lauf hingelegt. Das Unternehmen mit Sitz in Wien agiert heute in zwölf Ländern mit einem Geschäftsmodell, das von vornherein beides ist: nachhaltig und wirtschaftlich erfolgreich. Bei Refurbed werden gebrauchte Elektro- und Elektronikprodukte runderneuert und wieder verkauft. Auch Kilian Kaminski motiviert das große Ziel, um das es letztlich geht: „Wir wollen alle einen lebenswerten Planeten bewohnen. Wir müssen deshalb in allen drei Bereichen, im privaten Konsum, in der Wirtschaft und in der Politik, noch viel mehr schaffen.“ Gleich zu Beginn macht Kaminski klar: „Unternehmen müssen nachhaltiger wirtschaften und dabei kurzfristig auch Nachteile bei der Gewinnmaximierung in Kauf nehmen.“ Sabine Schellander würde sogar noch einen Schritt weitergehen, denn „Business as usual“ sei tot: „Wenn wir wenigstens das Zwei-Grad-Ziel erreichen wollen, können wir so nicht weitermachen. Wir müssen nicht nur Abstriche in Kauf nehmen, sondern unser ganzes Wirtschaftssystem, unsere Kultur, unser Denken verändern.“
Auch Gabriele Faber-Wiener, Dritte in der Runde, hat sich praktisch ihr ganzes Leben für Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Ethik und Verantwortung eingesetzt. Die einstige Greenpeace-Kampagnenleiterin berät heute Unternehmen, unterrichtet an vielen Hochschulen, leitet das von ihr 2011 gegründete Center for Responsible Management und ist Juryvorsitzende des Trigos, des renommiertesten österreichischen Nachhaltigkeitspreises. Auch sie diagnostiziert, dass „seit einigen Jahren recht viel passiert“, insgesamt aber noch ein weiter Weg zu gehen sei. Dabei gehe es nicht nur um Geschwindigkeit, sondern vor allem darum, das Richtige zu tun und endlich aufzuwachen: „Gerade Verbände in Industrie und Wirtschaft haben immer noch die Vorstellung, es reichen technologische Lösungen. Für die nötige Transformation braucht es aber ein tiefgreifendes Umdenken“, so Faber-Wiener.
Aber was ist das Richtige? Die Lösung der Klimakrise ist ja vordergründig recht simpel: Wir beenden die Emission klimaschädlicher Gase. Fertig. Doch die Umsetzung ist leider so komplex, dass die Menschheit daran zu scheitern droht.
Es braucht Taten
Sabine Schellander weiß aus Erfahrung, dass viele Bausteine nötig sind. Neben Technologie und den dafür benötigen Investitionen fordert sie ein Umdenken in allen gesellschaftlichen Bereichen, wie auch im Konsumverhalten. In Regulierungen und verpflichtender Nachhaltigkeitsberichterstattung sieht sie ebenfalls einen wichtigen Baustein, denn „um etwas zu berichten, muss man ja auch etwas tun. Es braucht Taten. Richtlinien verlangen eine klare Roadmap, in der die Ziele auch wissenschaftlich untermauert sind und deren Finanzierung dargelegt wird.“ Schellander sieht dies auch als Instrument, um Druck auszuüben auf jene Unternehmen, die so weitermachen wie bisher und wünscht sich hier sogar noch härtere Maßnahmen: „Ich habe manchmal das Gefühl, wir kämpfen auf breiter Flur und tun alles, was geht. Es wär’ auch schön, wenn auch die einmal unter Zugzwang kommen, die noch nicht aktiv sind.“
Tatsächlich ist es sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen immer noch leichter, lediglich das zu tun, was gesetzlich vorgeschrieben ist. Sogar Kilian Kaminski hat Verständnis für dieses Verhaltensmuster, obwohl er ein Unternehmen leitet, das von Anfang an eine positive Auswirkung auf den Planeten haben sollte. „Das Problem ist ja, dass man Nachhaltigkeit oft als Kostenfaktor und nicht als Chance sieht. Die Transformation des Geschäftsmodells ist für traditionelle Unternehmen eine sehr langfristige Herausforderung. Wir müssen uns dem aber stellen“, so Kaminski.
„Ich beobachte das seit Jahren“, bestätigt Gabriele Faber-Wiener: „Es gibt sowohl bei Konsumenten als auch bei Unternehmen jene, die nur das tun, was sie tun müssen. Für die braucht es Regulative und Gesetze. Den Überzeugungstätern, den intrinsisch motivierten, muss man hingegen eine Bühne geben, bei seriösen Awards, wie etwa dem Trigos, damit die Öffentlichkeit sieht, dass dieses Verhalten auch wirtschaftlich erfolgreich ist.“
Arbeitskräftemangel als Gamechanger
Lange Zeit völlig unterschätzt wurde die Auswirkung nachhaltigen unternehmerischen Handelns auf Bewerber*innen. Mittlerweile erleiden ganze Branchen wirtschaftliche Einbußen durch fehlende Arbeitskräfte. „Beim Thema Employer-Branding werden Unternehmen plötzlich hellhörig“, weiß Gabriele Faber-Wiener. Corona habe das verstärkt, „weil immer mehr Menschen den Sinn hinter ihrem Tun hinterfragen. Die Studierenden in meinen Vorlesungen erzählen, später keinesfalls in Unternehmen arbeiten zu wollen, die negative Auswirkungen auf die Umwelt haben. Ich glaube, dass spätestens dieses Thema viele Unternehmen zum Umdenken bringt.“ Gabriele Faber-Wiener kennt umgekehrt zahlreiche Vorreiter, die keinen Fachkräftemangel kennen, weil sie aufgrund ihrer nachhaltigen Ausrichtung eine hohe Anziehungskraft für Bewerber*innen haben, und nennt etwa den in der Bodenseeregion tätigen, stark auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Outdoor-Ausrüster Vaude als Beispiel.
Refurbed-Gründer Kilian Kaminski bestätigt ihre Beobachtung aus der eigenen Erfahrung und ergänzt, dass es „nicht nur die junge Generation ist, die sich bei uns bewirbt“. Kaminski berichtet von einer 59 Jahre alten Führungskraft, die bei einem großen Telekomanbieter gekündigt hat, um bei Refurbed etwas Sinnvolles zu tun. „Es kommen Leute aus allen Altersklassen zu uns. Ich glaube, das wird viele Unternehmen noch beschäftigen.“ Sabine Schellander ergänzt: „Ein Problem, das ich sehe, ist Greenwashing. Für normale Menschen ist es immer schwieriger zu erkennen, welche Unternehmen wirklich nachhaltig sind und welche das nur behaupten. Ich sehe eine große Gefahr darin, dass diese Verifizierung extrem schwierig ist.“
Finanzwirtschaft als großer Hebel
Einer der größten Hebel ist immer noch das Geld. Sabine Schellander: „Es wird immer schwieriger, an Kapital zu kommen, wenn Projekte nicht nachhaltig sind. Der Druck wird von allen Seiten kommen, und das ist auch notwendig, denn sonst sieht es hier bald sehr düster aus“, erklärt sie. Die Tatsache, dass sich der Global Player Greiner trotz seiner Größe immer noch zu 100 Prozent in Familienbesitz befindet, attestiert Kilian Kaminski als eindeutigen Vorteil. In den klassischen Mechanismen des Kapitalismus liege hingegen eine der Hauptursachen der Krise, so der Refurbed-Gründer: „Bei börsennotierten Unternehmen ist der CEO beauftragt, den Aktienkurs hochzutreiben. Eine langfristige Nachhaltigkeitsstrategie kann aber aufgrund der nötigen Investitionen in die Transformation Kosten verursachen, die auf den Aktienkurs drücken. Es wäre wichtig, dass große institutionelle Anleger hier ebenfalls beginnen, langfristig zu denken und gegebenenfalls kurzfristige Reduzierung der Aktienkurse hinzunehmen. Die Boni-Modelle, wie sie aktuell noch funktionieren, stehen dem entgegen.“
Für Gabriele Faber-Wiener nagt eine gewisse Unvereinbarkeit an den Wurzeln des Systems: „Letztlich führt eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie ein Unternehmen vom Prinzip der Gewinnmaximierung weg. Wir haben aber meist Fünfjahreszyklen im Kopf, auch Politiker haben diese Perspektive. Hier sind NGOs enorm wichtig als Korrektiv und Antreiber.“
Die Rolle der NGOs
Die Rolle der Nicht-Regierungs-Organisationen, kurz NGOs, liegt Gabriele Faber-Wiener, die selbst jahrelang bei Greenpeace engagiert war, besonders am Herzen. Sie hat aber einen sehr kritischen Blick entwickelt, denn die so wichtige Korrektivfunktion habe durch enge Kooperationen zwischen Wirtschaft und NGOs teilweise abgenommen. Faber-Wiener sieht nicht zuletzt deshalb wieder radikalere Organisationen entstehen, wie die „Letzte Generation“, die mit ihren Klebe-Protesten für Aufsehen sorgt. „Die Situation wird ja immer brisanter, der Hut brennt“, so Faber-Wiener: „Gleichzeitig haben traditionelle NGOs ihre Radikalität zurückgefahren und sind durch viele Kooperationen zahmer geworden. Klar, es ist ja auch viel Geld geflossen und man beißt nicht die Hand, die einen füttert.“
Hat sich Nachhaltigkeit und Klimaschutz in Österreich gar zu einer Art Wohlfühlprogramm entwickelt? Gabriele Faber-Wiener hat dazu eine klare Meinung: „In Österreich sind wir zu Beginn immer führend. Dann haben wir uns alle lieb und klopfen uns auf die Schulter. Gleichzeitig wurden die letzten 20 Jahre verschlafen, besonders auf der politischen Ebene. Nicht umsonst legen die Jungen den Finger in diese Wunde. Das ist extrem wichtig, damit wieder Bewegung in die Sache kommt.“
Da drängt sich die Frage auf, ob sich die Engagierten mit ihren Preisen und Auszeichnungen unfreiwillig zu Komplizen des Stillstands gemacht haben? Sind sie Teil einer Öko-Show, die den Menschen suggeriert, Österreich sei ein Umweltmusterland? Dieser Gedanke geht den Teilnehmer*innen unserer Diskussionsrunde dann doch zu weit. „Ich glaube, es braucht schon die nötigen Anreize“, erklärt Faber-Wiener mit Blick etwa auf den Trigos, der ja „nicht nur ein einmaliger Event, sondern ein Netzwerk, eine Bewegung“ sei, dessen Wirkung weit über den Gala-Abend hinausreicht. Andere Awards schießen wie Pilze aus dem Boden, selten sind diese in Qualität und Anforderungsprofil mit dem Trigos vergleichbar. Faber-Wiener sieht das Problem: „Wenn ich wenig tun muss, um einen Preis zu bekommen, muss ich nicht dorthin gehen, wo es weh tut. Die Stifter von Preisen sind da wirklich gefordert, sonst machen sie sich zum Hofnarren und feiern Unternehmen dafür, dass sie an einem kleinen Schräubchen gedreht haben. Genau das wollen wir beim Trigos ja verhindern“, so Faber-Wiener.
Nachhaltig erfolgreich
Kilian Kaminski, Trigos-Preisträger des vergangenen Jahres, spitzt es zu: „Der Initiator einer Auszeichnung muss ein sinnvolles Konzept und einen guten Auswahlmechanismus haben. Ansonsten ist es bedeutungsloses Greenwashing. Der Trigos hat eine sehr hochkarätige Jury, die den tatsächlichen Impact der Projekte sehr genau analysiert. Hier wird Nachhaltigkeit wirklich ernst genommen und deshalb hilft das dann auch Konsumenten.“ Die angesprochene Wirkung des Netzwerkes über den Event hinaus bestätigt Kaminski: „Es ist sehr wichtig, sich mit anderen Unternehmen auszutauschen. Ja, das ist gewissermaßen eine grüne Blase, aber dieses Netzwerk trägt dazu bei, dass sich die einzelnen Unternehmen weiter verbessern und ihre Projekte eine noch größere Wirkung erzielen. Wir sind ja ein Unternehmen, das zeigt, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit kein Entweder-oder sind. Das motiviert viele Unternehmen.“
Auch Sabine Schellander sieht einen Vorteil darin, über Öffentlichkeit Partner, Kunden und letztlich Endkonsumenten für die Sache ins Boot zu holen, sieht aber einen großen Benefit besonders in der Innenwirkung: „Nicht alle unserer 12.000 Mitarbeitenden sind von früh bis spät von Nachhaltigkeit beseelt. Man braucht die Begeisterung auch im Unternehmen selbst. Wir nehmen am Trigos auch mit Blick auf die internen Stakeholder teil.“ Mit Erfolg, denn 2021 wurde Greiner in einem oberösterreichischen Projekt für die nachhaltige Verpackung von Schulmilch mit einem Trigos ausgezeichnet.
Gabriele Faber-Wiener sieht hier gerade für kleinere Unternehmen viel Potenzial. Diese versucht man beim Trigos über Scouts zu erreichen, „weil es ja viele gibt, die ihr Engagement gar nicht an die große Glocke hängen, sondern verantwortungsvolles Handeln als selbstverständlich erachten“. Oft sind es familiengeführte KMU, die mit Handschlagqualität und klaren, nachhaltigen Überzeugungen abseits vom Scheinwerferlicht agieren. „Diesen Menschen eine Bühne zu geben ist wichtig“, ist Faber-Wiener überzeugt, „gerade weil es so viel Greenwashing gibt.“ Sie räumt allerdings ein, dass beim Vorwurf des Greenwashings manchmal das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, denn nur absichtliche Manipulation falle in diese Kategorie: „Nicht jeder Fehler in der Kommunikation ist gleich Greenwashing.“ Zudem sei es für Unternehmen wichtig, auch über Vorhaben zu sprechen, um das Unternehmen samt Vorstand in die Pflicht zu bringen, diese auch umzusetzen.
Verantwortung wahrnehmen
All das sollte auf einem Spielfeld passieren, auf dem klare Regeln herrschen. Wenn es um Vorgaben, Gesetze und Regulierungen geht, sehen alle Diskutierenden eine durchaus positive Entwicklung, jedoch mit viel Luft nach oben. „Es braucht Regulierungen, um Vergleichbarkeit zu schaffen, denn nur dann kann man Greenwashing ausschleichen“, ist Sabine Schellander überzeugt. „Die Frage ist immer, wie schnell und wie streng kommen sie.“ Schellander plädiert für wissenschaftlich überprüfbare Ziele, denn nur so könne klargestellt werden, wovon man überhaupt rede. Schellander: „Man muss die Karten auf den Tisch legen, vorbei mit Kosmetik und Floskeln.“
„Ich glaube, dass Gesetzgebung eine Art Fair Play für alle herstellt“, wirft Kilian Kaminski ein, der selbst schon erlebt hat, wie große Player bei Verhandlungen in Brüssel versuchen, ebendiese Verordnungen in ihrem Sinne und auf Kosten der Umwelt zu beeinflussen. „Das perfekte Beispiel ist die Vereinheitlichung von Ladekabeln für Mobiltelefone. Ein großer Anbieter hat, solange es irgendwie ging, an seinem System festgehalten, um nur ja kein Geschäft zu verlieren.“ Die Politik und die Unternehmen müssten hier ihre Verantwortung wahrnehmen, so Kaminski.
Für Gabriele Faber-Wiener trifft das den Nagel auf den Kopf, schließlich ist diese Überzeugung namensgebend für das von ihr gegründete Center for Responsible Management: „Wir müssen weg davon, Business und Nachhaltigkeit als Gegensatzpaar zu betrachten. Man muss klar sagen, wo die Chancen stecken. Das gilt nicht nur für Konsumenten, sondern auch für Unternehmen.“ Faber-Wiener nennt als Beispiel die Art und Weise, wie etwa über sinnvolle EU-Regeln kommuniziert wird, und formuliert einen Vorwurf an diverse Interessenverbände: „Da wird jede EU-Regel immer als Belastung kommuniziert. Da wird nie von Chancen gesprochen. Man sollte nicht immer über die bösen Regularien sprechen, sondern über die Chancen, die darin stecken. Das vermisse ich total.“
Aller Anfang ist leicht
Bleibt am Ende die Frage, was man kleineren und mittleren Unternehmen mit auf den Weg geben kann? „Es geht darum, anzufangen“, bekräftigt Gabriele Faber-Wiener ein schon oft gehörtes, aber bewährtes Rezept und präzisiert: „Es muss inklusiv sein und alle Mitarbeiter*innen miteinbeziehen. Darum beginne ich in der Arbeit mit Unternehmen immer mit den Werten. Das halte ich bei kleineren Unternehmen für den einfachsten Zugang. Die Umsetzung und die Nachhaltigkeitsprozesse kommen dann automatisch. Man sollte sich mit Mitarbeiterinnen hinsetzen und fragen: Was ist eigentlich unsere Verantwortung, was ist unser Geschäft, was unsere Legitimation, wohin geht die Reise? Was tun wir jetzt schon, und wo haben wir Handlungsbedarf?“
Sabine Schellander sieht im klassischen Handwerk per se großartige Voraussetzungen: „Im Handwerk wird meistens gut mit Ressourcen umgegangen. Das liegt dort in der Natur der Sache.“
„Mir gefällt der Begriff Ethical Citizenship, also die Verantwortung, die man als Person gegenüber seiner Umgebung hat, im Ort, im Freundeskreis, in der Familie“, sieht Kilian Kaminski ebenfalls Vorteile für kleine, regionale Betriebe: „Dazu gehört auch, ein kritischer Bürger, ein Botschafter für Nachhaltigkeit zu sein und zu versuchen, die Nachricht zu verbreitern. Man ist als Meister oder Chef ein Vorbild“, so Kaminski, der mit dem Blick auf das große Ganze einen würdigen und hoffnungsfrohen Schlusspunkt in der Debatte setzt: „Wenn man da die richtigen Werte prägt, dann kann man im kleinen Bereich sehr viel bewirken. Nachhaltigkeit sollte nicht Nische sein, sondern Normalität, damit wir einen lebenswerten Planeten erhalten.“
Zu den Personen
Gabriele Faber-Wiener ist Unternehmensberaterin, Gründerin des „Center for Reponsible Management“, Mitglied des österreichischen PR-Ethik-Rates und seit vielen Jahren Juryvorsitzende des Trigos, des renommiertesten österreichischen Nachhaltigkeitspreises, der im Jahr 2023 sein zwanzigjähriges Bestehen feiert.
Kilian Kaminski ist Mitgründer von Refurbed, einem Anbieter von generalüberholten Elektro- und Elektronikgeräten. Das Unternehmen hat mit dem Konzept, das künftig auch auf andere Konsumartikel erweitert werden soll, im Jahr 2022 den Trigos gewonnen.
Sabine Schellander ist Co-Head of Sustainability bei Greiner in Kremsmünster, einem international agierenden Unternehmen für Kunststoff- und Schaumstoffverarbeitung. Davor war sie bei Semperit in ähnlicher Position sowie in der Nachhaltigkeitsberatung beim Unternehmen denkstatt in Wien.