Plattform Zero
Österreichische Firmen arbeiten an Super-Solarzelle
Eine wahre Leistungsexplosion konnte man in den vergangenen 15 Jahren bei der installierten Photovoltaik-Leistung in Österreich verzeichnen. Im Jahr 2007 waren hierzulande Solaranlagen mit einer Leistung von 28 Megawatt installiert. Ein Megawatt entspricht einer Million Watt. Eineinhalb Dekaden später beläuft sich die Leistung auf den Dächern der Häuser bereits auf 3.792 Megawatt. Bei einem durchschnittlichen Jahresstromverbrauch von 3.000 Kilowattstunden (kWh) für einen 2-Personen-Haushalt spielt die Solaranergie mittlerweile eine durchaus beachtenswerte Rolle beim Energiemix. Jedoch wird bei Solaranlagen die Leistung in Kilowatt-Peak Nennleistung (kWp) angegeben und eine Umrechnung in kWh ist daher nicht direkt möglich, da es sich um zwei verschiedene physikalische Größen handelt. Pro kWp-Nennleistung produziert eine Solaranlage aber durchschnittlich 1.000 kWh jährlich, so eine Faustregel. Damit die Sonnenenergie zukünftig jedoch noch besser genutzt werden kann, startete mit Jänner 2023 ein auf bis Ende des Jahres 2026 angelegtes und von der EU kofinanziertes Projekt mit dem Namen "Plattform-ZERO". Mehr als neun Millionen Euro betragen die EU-Zuwendungen, die dafür sorgen sollen, dass in Zukunft die nachhaltige Produktion von Photovoltaik-Anlagen auf ein neues Level gehoben wird. Österreichische Forschungseinrichten und Unternehmen arbeiten dabei maßgeblich an diesem Projekt mit
Photovoltaik mit viel Potential
Die Solarenergie hat das Potential bis in das Jahr 2040 rund 20 Prozent des Strombedarfs in der EU zu decken, wie Berechnungen des Research Instituts BloombergNEF ergaben. Aktuell trägt die Sonne etwas mehr als drei Prozent zum europäischen Energiemix bei. Das berechnete Zukunftspotential kann aber nur dann vollends ausgeschöpft werden, wenn die Produktionsqualität bei den Photovoltaikbauteilen steigt und die Fehlerquellen sinken. Genau das will man mit Plattform-ZERO in den kommenden Jahren erreichen. Aus Österreich sind an diesem Projekt das AIT Austrian Institute of Technology, mit dem Center for Vision, Automation & Control (VAC), das Unternehmen Sunplugged - Solare Energiesysteme aus Schwaz in Tirol und die oberösterreichische Forschungseinrichtung RISC Software aus Hagenberg beteiligt und sollen auf unterschiedlichen Ebenen für den Erfolg beitragen. Das AIT Center VAC hat beispielsweise Expertise in der optischen automatisierten Qualitätsinspektion und entwickelt hoch-performante optische Inspektionssysteme.
"Im Laufe des Projektes Platform-ZERO sollen in den Teilnehmerländern Spanien, Deutschland, Österreich und Polen vier Demonstratoren entstehen, die den Herstellungsprozess bei der Solarzellenproduktion überwachen, um Defekte und Ausschuss zu minimieren. Dazu sollen Sensorstationen entwickelt werden, die während der Solarzellenproduktion die Eigenschaften der unfertigen Solarzellen überwachen und gegebenenfalls auf Abweichungen vom Prozessoptimum hinweisen", sagt Govinda Lilley, Projektleiter am AIT Center VAC. Lilley ist Experte auf dem Gebiet der optischen Inspektion mit hoch-performanter Bildverarbeitung. Besonders bei Photovoltaik-Folien bestehen herausfordernde Oberflächeneigenschaften, die geprüft werden müssen, um so die Qualität bei der Produktion zu erhöhen. "Mit den Inspektionssystemen am VAC können wir während der Fertigung mit hoher Geschwindigkeit und bis in den Mikrometer-Bereich Prüfungen durchführen. So können Parameter der Fertigung auf das Optimum eingestellt werden, was zur Vermeidung von Materialausschuss und Reduzierung des Energieverbrauchs führt", so Lilley.
Forschung und Produktion
Die in Hagenberg sitzende Forschungseinrichtung RISC Software leitet bei Plattform-ZERO das Arbeitspaket "Data Management and Control Unit Development". Hier spielen die Punkte Datenbereinigung und -integration, mathematische hybride Modellierung von Fertigungsprozessen und die Entwicklung einer benutzerfreundlichen Prozesssteuerungssoftware eine wichtige Rolle. Und es ist die künstliche Intelligenz (KI), die ebenfalls äußerst relevant ist. "Im Rahmen von Platform-ZERO wird eine neue anpassbare Inline-Prozessüberwachungsplattform entwickelt, die durch künstliche Intelligenz unterstützt wird, um eine Null-Fehler-Fertigung in der PV-Industrie der dritten Generation zu erreichen und eine frühzeitige Erkennung, Korrektur und/oder Vermeidung von präkritischen Produktionsfehlern zu ermöglichen", sagt Paul Heinzlreiter, Senior Data Engineer bei RISC.
Auf der Produzentenseite beteiligt ist das Tiroler Entwicklungsunternehmen Sunplugged - Solare Energiesysteme. Die Tiroler entwickeln für das Projekt flexible Solarzellen und ein Produktionskonzept, das für eine passgenaue Photovoltaik sorgen soll. "Unser Photovoltaikmaterial basiert auf mehreren, neu entwickelten Technologien: Die Dünnschicht-Solarzelle selbst, eine robuste und temperaturstabile Trägerfolie, sowie ein Herstellverfahren, dass es zulässt, kundenindividuell die Folie in Größe, Form und elektrischen Eigenschaften maßzuschneidern", sagt Andreas Zimmermann, Gründer und CEO von Sunplugged. Mittlerweile wurde eine kleine Pilotfertigung umgesetzt, um dem Ziel, eine Produktion in Tirol aufzubauen, näherzukommen. Für Sunplugged ist der Kooperationspartner AIT kein unbekannter. Da man bereits seit mehreren Jahren mit der Forschungseinrichtung zusammenarbeitet, wie auch mit dem Projekt-ZERO-Koordinator, dem Fundació Institut de Recerca en Energia de Catalunya (IREC) mit Sitz in Barcelona, wird aufgrund von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten bereits länger kooperiert. "Wir haben einen hohen Bedarf an spezieller, derzeit nicht am Markt erhältlicher Sensorik, um die Prozessdaten zu erfassen. Weiters sind die bei uns entwickelten Prozesse und Materialien sehr komplex, das heißt, es gibt viele Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen", spricht Zimmermann den Kooperationsprozess an.
Erste Ergebnisse ab 2024
Neben der künstlichen Intelligenz sind Machine-Learning-Modelle eine wichtige Komponente, um zukünftig die Qualität bei der Produktion von Solarzellen zu erhöhen, und die in den vier europäischen Pilotanlagen zum Einsatz kommen. "Die Modelle werden zur Detektion von Ursachen der Abweichungen von den Sollwerten der Sensormessungen vorab trainiert. Die fertig trainierten KI-Modelle werden dann direkt in der Pilot-Produktionslinie eingebunden und können somit verwendet werden, um dem Maschinenbedienpersonal live Vorschläge zur Anpassung von Maschinenparametern zu liefern", erklärt Heinzlreiter von RISC die Anwendung. Bei Sensormessungen geht es um die frühzeitige Erkennung von Abweichungen der Produktionsparameter bevor sie zu Defekten in der Produktion führen. Zur Erkennung dieser Produktionsparameterabweichungen vom Optimum werden die Messdaten der Sensorstationen an das KI-Modul weiter gegeben.
Wann ist mit ersten Ergebnissen für das auf vier Jahre ausgelegte Forschungsprojekt zu rechnen und was erwarten sich die teilnehmenden Forschungsinstitute und Unternehmen? "Nach einem Jahr Arbeit werden wir erste Ergebnisse über den Prozessüberwachungsablauf und die industriellen Anforderungen sowie den Entwurf fortschrittlicher Sensorstationen, ihre Konfiguration und Integration haben", meint Régis Decorme von R2M Solutions France. R2M ist als Managing Partner ebenfalls ein Teil des Konsortiums von Plattform-ZERO. Ende des Projektjahres 2025 sollen beispielsweise Ergebnisse der Big-Data-Infrastruktur vorhanden sein und die Einrichtung einer dazugehörigen Datenbank erfolgen. Sobald öffentliche Ergebnisse vorliegen, sollen diese auch auf der Projektseite veröffentlicht werden. "Das Projekt wird ein Erfolg sein, wenn die industriellen PV-Hersteller, die Teil unseres Konsortiums sind, beschließen, die Platform-ZERO-Innovationen nach dem Ende unseres Projekts zu übernehmen und zu implementieren", beschreibt Decorme das erwünschte Ziel. Auch beim Produzenten in Tirol definiert man Erfolg ähnlich und erhofft sich positive Auswirkungen für die (Produktions-)Zukunft. "Ein Erfolg ist das Projekt dann, wenn die Sensorstationen und KI messbar unsere Produktion, also die Reduktion von Ausschuss und Durchsatz verringern, und die Produktqualität, sprich den Wirkungsgrad der Solarzelle, verbessern", so CEO Zimmermann.