Elektromobilität – lautlos und schnell

02.05.2017

Drei Brüder aus Freistadt entwickeln einen Akku, der leichter und kleiner ist als alle anderen. Jetzt klopfen Weltkonzerne bei den Oberösterreichern an.

Für eine Million Euro kann man sich mit dem Evex 910 rein elektrisch auf über über 300 Sachen beschleunigen.
Ein Fan aus Hollywood: Arnold Schwarzenegger hat am Design eines Prototypen von Kreisel Electric mitgearbeitet.

Da wird selbst der Terminator zum Fan. „500 horse powers! Can you imagine that?“, fragt Arnold Schwarzenegger vor der Motorhaube eines schwarzen Geländewagens in Kitzbühel. In einem Video, das er in Kitzbühel selbst mit dem Handy aufnimmt, um es später auf seine Homepage zu stellen, schwärmt er von der Technik im Mercedes G 350 d – meint aber dabei nicht das, was sonst in diesem Geländewagenklassiker von Mercedes-Benz verbaut ist. Sondern den bärenstarken Elektromotor, der einzig in diesem Fahrzeug steckt. Denn das Fahrzeug mit dem türkisfarbenen Logo drauf ist ein Unikat – und die Präsentation in Kitzbühel eine Weltpremiere. Entsprechend gern setzt sich Schwarzenegger hinters Steuer – stilecht mit Zigarre. Und dreht eine Runde. Die glücklich lächelnden Gastgeber schauen ihm dabei zu. Unter ihnen: die Brüder Philipp, Johann und Markus Kreisel und Christian Schlögl, die Chefs der Firma Kreisel Electric aus Freistadt. In langer Entwicklungszeit hat die Mannschaft dieses oberösterreichischen Elektromotorbauers einen neuen Motor für den Mercedes entwickelt. Vereinfacht gesagt ging das so: Hauptgetriebe ganz raus und stattdessen mehrere Elektromotoren mit Reduktionsgetriebe rein, die jetzt direkt auf dem Verteilergetriebe aufsitzen. Nun schafft es der Wagen mit einer Leistung von 360 Kilowatt aus dem Stand in weniger als sechs Sekunden auf eine Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde. Bemerkenswert: Er ist dabei um drei Sekunden schneller als das Stuttgarter Original.

ARNI ON BOARD

„Der Kreisel ist unglaublich spritzig“, schwärmt Arnold Schwarzenegger. Der ehemalige Gouverneur Kaliforniens bleibt mit den Freistädtern noch länger in Kontakt: Er habe am Design des Fahrzeugs mitgewirkt, heißt es aus dem Unternehmen und werde nun den Prototypen daheim in Los Angeles ausgiebig testen. Medienrummel ist für die Gründer von Kreisel Electric nichts Ungewöhnliches mehr. Nur fünf Jahre, nachdem sie begonnen haben, sich mit Elektromobilität zu beschäftigen, bekommen sie jede Woche Besuch von den Großen des Weltmarktes. Man sei völlig ausgebucht, und ständig kämen weitere Anfragen, so Markus Kreisel. Vertreter von Porsche kamen vorbei, vom Batteriehersteller Varta, Delegationen aus China. Auch die Kontakte mitten in die Entwicklungsabteilungen des weltgrößten Autobauers Volkswagen seien überaus eng. Einen Eintrag im Guiness Buch der Rekorde haben die Mühlviertler auch schon. Den ersten Platz in der Kategorie Mobilität bei den Energy Awards des „Handelsblatt“ ebenfalls.

MIT EIGENBAU GEGEN DIE GROSSEN

Noch 2012 waren die Kreisels, eine Familie aus dem Mühlviertel, mit ihrer Landwirtschaft und dem familieneigenen Elektrohandel beschäftigt. Dann kaufte ihr Vater einen elektrisch betriebenen Renault Fluence. Seine Söhne lachten ihn aus, bis sie selbst die Beschleunigung eines Stromers erlebt haben. Dann ging es los: Sie bauten einen Audi A2 komplett um, inklusive Batterien und Wechselrichter. Am Ende fuhr das Auto tatsächlich ganz passabel. Und dann stellten sich die Brüder die Frage: Was wäre, wenn man selbst einen Stromer so baut, dass er den teuren Industriemodellen in nichts nachsteht? Wenige Jahre später haben die Kreisels etwas geschafft, was den Entwicklungsabteilungen globaler Player bis heute nicht so recht gelingen will – nämlich der Lösung des Kernproblems der Elektroautos einen entscheidenden Schritt nähergekommen zu sein. Und dieses Kernproblem ist eine Kombination aus der immer noch bescheidenen Reichweite im Vergleich zum Verbrennungsmotor und dann die lange Ladedauer der Akkus. Bis heute haben die Brüder mit ihrer Mannschaft rund hundert Prototypen produziert – in einer Gewerbehalle in Freistadt. Die Kreisels holten Ingenieure, Mechatroniker, Kfz-Mechaniker nach Freistadt. In die Geschäftsführung stieg Christian Schlögl ein, der neue Geschäftsfelder aufbaut und sich um Kooperationen kümmert. Schon länger ist der Platz zu eng geworden. Gerade baut Kreisel Electric einen neuen Firmensitz am Stadtrand. Zentrale und ein großer Teil der Wertschöpfung solle auf jeden Fall hier in Oberösterreich bleiben, sagt Markus Kreisel: Man wolle etwas in Österreich und in Freistadt erreichen – und nicht im Silicon Valley. Und die Elektromobilität sei ein Weg dahin die Autoindustrie soll keineswegs der einzige Abnehmer sein: Kreisel will alles beliefern, was mit einem Elektromotor angetrieben werden kann: Fahrräder, Roller, Motorboote und Flugzeuge. Wie ihre Lösung aussieht, demonstriert der jetzt bei Schwarzenegger in der Garage stehende Mercedes G. Ein Hochleistungsakku, der für dieses wuchtige Fahrzeug mit einer halben Tonne Gewicht dimensioniert wurde und in Teilen im Boden des Autos verstaut ist. Dank des Akkus fährt der schwere Schlitten nicht nur schnell, sondern mit einer einzigen Aufladung auch 300 Kilometer weit. Innerhalb einer knappen halben Stunde ist der Akku wieder zu drei Vierteln aufgeladen. Bei anderen Motoren dauert das Stunden – oder die ganze Nacht. Der entscheidende Vorteil: Die Batterien von Kreisel sind kleiner und leichter als alles, was derzeit am Markt ist. Das Geheimnis dahinter: Die Mühlviertler haben die Batterien in ein Kühlsystem gehüllt, das eine sehr viel höhere Leistungsfähigkeit gewährleistet. Auch die Verbindung zwischen den Akkuelementen wurde grundlegend überarbeitet. Zu konkreten Großaufträgen halten sich die Brüder auffallend bedeckt. Kritiker bemängeln, dass es hier lediglich um einen besseren gesamten Bau der Akkus gehe, während die eigentlichen Zellen, in denen die Energie gespeichert werde, weiterhin aus Asien kämen – genauso wie bei Tesla auch.

Für die Geschäftsführer keineswegs ein Grund, Trübsal zu blasen. Diesen April präsentierten sie den Kreisel Evex 910, einen elektrischen Supersportwagen mit einer Höchstgeschwindigkeit von über 300 km/h. Die Boliden sind nun in einer begrenzten Stückzahl um eine Million Euro am Markt. Eigentlich wollen die Kreisels keine Autos bauen, sondern Akkus. Doch falls die Großkonzerne doch nicht kooperieren wollen, wäre vielleicht genau das die Alternative: Mit dem Kreisel Evex 910 gibt es ja schon einmal ein Fahrzeug unter der Eigenmarke des brüderlichen Familienbetriebs.

Autor:
Peter Martens

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