Die Kraft der Familie
Sie haben untersucht, wie das Thema Nachhaltigkeit in Familienunternehmen gelebt wird und darüber ein Buch geschrieben. Was hat Sie besonders interessiert? Ich habe in der wissenschaftlichen Arbeit immer wieder beobachtet, dass Familienunternehmen anders agieren als andere Betriebe. Sie haben andere Zugänge zu vielen Themen. Das ist uns bei der Forschung rund um das Thema Innovation aufgefallen, aber auch bei Untersuchungen zur Nachhaltigkeit. Das wollten wir uns genauer ansehen.
Was hat sich dabei gezeigt? Wir haben uns besonders dem Aspekt gewidmet, wie das Zusammenspiel von Tradition und Innovation in diesen Unternehmen gelebt wird und welche Rolle dabei aktuelle Themen der Nachhaltigkeitsdiskussion spielen. Viele Unternehmen finden insbesondere durch die Digitalisierung heraus, wie wertvoll eigene Tradition und insbesondere die Werte des Unternehmens sind und welche Potenziale für die Zukunft darin liegen. Hier hat sich gezeigt, dass mitunter enormes Know-how in den Betrieben schlummert, aus dem sie Lösungen entwickeln können, die auch auf die Nachhaltigkeit einzahlen.
Das nachhaltige Wertegerüst ist also ein Schlüssel zur Innovation? Ja, das haben wir bestätigen können. Ein gutes Beispiel dafür ist die Firma Miele. Sie befasst sich seit den 60ern mit Ressourcen-Effizienz. Das wird erst jetzt ein echtes Thema in der EU. Aber sie fragen sich schon sehr lange: Wie setzt man Ressourcen bestmöglich ein? Wie kann man sie einsparen? Die Familienunternehmen sind also in vielen Fällen echte Vorreiter – aber wenig erforscht. Zumindest im Vergleich zu börsennotierten Unternehmen.
Laufen die Bemühungen dieser Unternehmen auch unter dem Stichwort CSR? Uns ist aufgefallen, dass viele Familienunternehmen gar nicht mit dem Begriff operieren, sondern sich vielmehr an dem orientieren, was dahinter steckt. Ihnen geht es etwa um Fairness, regionale Verantwortung oder um langfristige Beziehungen. Das setzt ein eigenes Verständnis und eine Wertehaltung voraus.
Woher stammt diese Haltung? Ist die Nachhaltigkeit den Familienunternehmen in die Wiege gelegt? Absolut, Familienunternehmen sind Pioniere und Vorreiter. Ein ganz wesentlicher Grund liegt im Denken über Generationen. Nikolaus Stihl hat etwa gesagt, dass er für die Zukunft und nicht für den DAX plant. Das unterscheidet die Unternehmen. Diese Wertebasierung und die ethische Überzeugung kommen von der Geschäftsführung. Sie arbeiten häufig sehr bewusst mit diesen Faktoren und stecken mit diesem Spirit auch ihre Kooperationspartner an. Sie können es sich leisten, sie haben Mut. Das ist ihr Kapital, und sie können Entscheidungen treffen, die sich nicht am Sharholdervalue orientieren. Es reicht vielen auch, wenn sich etwas in 20 Jahren rechet, solange es mit den Werten übereinstimmt.
Gab es Ergebnisse, die Sie besonders überrascht haben? Es waren die vielfältigen Zugänge. Wir haben sehr große Konzerne untersucht, auch börsennotierte Familienunternehmen, genauso wie kleine regionale Mittelständler. Dabei hat sich gezeigt, dass die Größe nur wenig entscheidend ist. Im Zentrum steht immer die Eigentümerfamilie mit ihren Werten und meist langfristigen Zielen, welche das größte Asset ist und deren Bedeutung gerade aktuell wieder zunehmend erforscht wird.
Das Zusammenleben und Arbeiten in der Familie ist aber sicher auch nicht immer einfach, oder? Natürlich nicht, vor allem, wenn mehrere Stämme in einem Unternehmen am Werk sind. Das macht es komplexer. Durch die Auseinandersetzung und die vielfältigen Meinungen entstehen aber oftmals bessere Lösungen. Die Familie wird so zu einer Art Innovationsinkubator.
Wie gut lassen sich denn persönliche Wertehaltungen über Generationen weitergeben? Übergaben sind immer Knackpunkte, an denen Brüche entstehen können. Das ist auch der Grund, warum es viele Unternehmen nicht bis in die vierte Generation schaffen. Tatsächlich sind es weniger als zehn Prozent. Bei Übergaben kommen manchmal neue Personen ins Unternehmen, denen andere Ziele wichtiger sind. Oder Eigentümer, die nicht mitarbeiten wollen oder einfach verkaufen. Auch neue Familienmuster mit Kindern aus verschiedenen Partnerschaften erschweren manchmal die Fortführung des Unternehmens und fordern oftmals eine intensive Auseinandersetzung mit den Werten des Unternehmens. Entsprechend wichtig sind Mediation und Moderation in dieser Phase. Viele schreiben auch eine Familienverfassung fest, um einen Rahmen zu schaffen, oder sie bringen das Unternehme in eine Stiftung ein.
In manchen Unternehmen sind es aber auch besonders die Jungen, die neue Themen einbringen und die Verantwortung übernehmen wollen. Stimmt, das ist mir vor allem bei großen Unternehmen in Deutschland aufgefallen, wo die Familie nur das Vermögen verwaltet. Dort fördern speziell die Jungen ein soziales und ökologisches Engagement.
Was treibt die Familienunternehmen grundsätzlich an? Einerseits ein Bewusstsein für Tradition und die Verantwortung für die Zukunft, sie sehen sich aber auch in der Verantwortung für ihre Region und Gemeinde – selbst dann, wenn es global aufgestellte Unternehmen sind, die einen klaren Fokus auf ihre Region halten und dort viel investieren. Oft ist das ein Erfolgsfaktor, weil sie so die besten Lehrlinge und Arbeitskräfte finden.
Sind die Nachhaltigkeitsagenden in einem professionellen CSR-Management organisiert? Meistens nein, die treibende Kraft ist fast immer die Familie selbst. Allerdings haben manche Familienunternehmen professionelle CSR- oder Nachhaltigkeitsmanager eingestellt, weil sie das Thema korrekt umgesetzt haben wollen. Sie holen sich Impulse von außen und schauen wie es andere machen. Bei den ganz Großen gibt es mitunter auch Abteilungen – wie bei Stihl, Miele oder Bosch. Mittelständische Unternehmen haben selten jemand eigenen, dort liegt die Sache bei den Eigentümern. Oder bei externen Experten.
Welche inhaltlichen Aspekte der Nachhaltigkeit beschäftigen die Unternehmen besonders? Sehr häufig geht es um Ressourceneffizienz, Sparsamkeit und die Bewahrung der Umwelt. Mir ist dabei aufgefallen, dass der Einsatz von Mitteln sehr davon abhängt, was den Unternehmern am Herzen liegt. Bei manchen Themen ist große Sparsamkeit angesagt und bei Projekten, die ihnen wichtig sind, nehmen sie richtig Geld in die Hand. Vielfach setzen Familienunternehmen Maßnahmen schon lange bevor die Diskussion begonnen hat. Der ehrbare Kaufmann, das ist ein Begriff, der aktuell eine Renaissance in Deutschland feiert. Er beschreibt sehr gut, wie Familienunternehmen ticken.
Hat sich bei Ihrer Untersuchung abgezeichnet, dass die nachhaltigen Zugänge die Unternehmen krisensicherer machen? Ja, weil sie dadurch berechenbarer werden. Bei ihnen gibt es nicht dauernd einen neuen CEO. Sie pflegen langfristige Partnerschaften und reden nicht dauernd über Kosten. In der Zusammenarbeit wird sehr oft auf eine gemeinsame Wertebasis geachtet, die ihnen wichtiger ist als finanzielle Ziele.