Human Resources
Personalberatung, aber richtig
Etwa die Hälfte der hochrangigen Vorstands- und Aufsichtsratspositionen wird mit externer Hilfe besetzt, die andere Hälfte direkt. Bis zum mittleren Management kommt man mit LinkedIn und einem gut gepflegten Kandidatenpool aus. Doch wenn die Position hoch ist, die Vorgaben knifflig sind und die gesuchten Skills rar, greift man zum Telefon. Doch wen ruft man an?
Die Nadel im Heuhaufen
„Das eigene Netzwerk“, lacht Josef Buttinger. Der Oberösterreicher gründete vor 16 Jahren seine HR-Lounge, der heute 300 Personalleiter*innen angehören. Benötigt ein Mitglied einen Rat, fragt es die anderen. Die empfehlen dann jene Personalberater, mit denen sie selbst am besten können. Der typisch österreichische Weg: Gute Kontakte sind alles.
Doch nehmen wir an, das Netzwerk gibt ausnahmsweise nichts her. Wie findet man die Nadel im Heuhaufen, jenen Personalberater, der zum Unternehmen passt? Sabine Past auf, VP People & Culture bei Smarter Ecommerce (smec) in Linz, nennt drei Kriterien: „Er muss Erfahrung im Rekrutieren der jeweiligen Jobprofile in der spezifischen Branche haben. Er muss ein Netzwerk mitbringen. Und das Wichtigste: Er muss das Geschäft verstehen. Wir haben die Erfahrung gemacht, wenn jemand nicht versteht, was wir machen, findet man auch nicht die richtigen Leute. Dann drehen wir uns im Kreis.“ Hier sind noch zehn weitere Tipps, wie man Personalberatern auf den Zahn fühlt:
Tipp 1: Ein Blick auf die Website
Werden hier dutzende Branchenexpertisen aufgezählt oder ist man auf einige wenige fokussiert? Finance-, IT- und Technik etwa erfordern auch vom Berater tiefes Insiderwissen. In den USA sind Spezialistenboutiquen üblich, der österreichische Markt ist jedoch zu klein, um mehr als eine Handvoll zu ernähren. Für hochspezialisierte Positionen benötigen Sie einen ebensolchen Berater.
Tipp 2: Die Referenzliste lesen
Passen die Referenzen zur eigenen Unternehmenskategorie? Familienunternehmen, eigentümergeführt, börsennotiert, KMU, Konzern? Umsatzgröße, Mitarbeiterzahl? Wachsend, konsolidierend, sanierend? Je mehr Referenzen im eigenen Bereich, desto besser versteht ein Berater Ihre Situation und Ihre Entscheidungswege.
Tipp 3: Keine Lonesome Cowboys
So manchen Personalberater kennen Sie noch aus seiner Zeit als HR-Chef. Damals hatte er einen guten Namen, später machte er sich (aus welchen Gründen auch immer) mit einer Personalberatung selbstständig. Nun fehlt ihm aber die vertraute Infrastruktur, von Team bis IT und Datenbank. Deswegen sollten Sie in Frage kommende Berater immer in ihren Büros aufsuchen. Liegen die in einer Privatwohnung und fehlt ein Team, sind seine Möglichkeiten begrenzt. Personalberatung ist eine zutiefst arbeitsteilige Tätigkeit. Research, Interview und Personaltests erfordern ganz unterschiedliche Kompetenzen. Niemand kann alles können.
Tipp 4: Datenbank checken
Für internationale Suchen: Verlangen Sie einen Probelauf. Wie viele Expats mit passenden Qualifikationen wirft die Datenbank in fernen Ländern aus? Wenn keine, haben Sie es vielleicht mit einem Franchise zu tun. Hier darf der Personalberater zwar eine globale Marke führen, arbeitet mit seinen Kollegen international aber nicht zusammen. Jeder steht für sich allein, warum sollte er dann seine wertvollen Kandidaten teilen? Verdächtig auch, wenn ein Personalberater Sie nicht in die Datenbank schauen lässt, sondern erst seine „Kontakte vor Ort“ fragen muss. Dann ist die Datenbank vermutlich rein lokal.
Tipp 5: Tabuzohnen hinterfragen
Mit dem Fachbegriff „Off Limits“ werden Unternehmen bezeichnet, für die ein Headhunter (siehe Kasten) bereits arbeitete. Er wird dort niemanden abwerben, schon um seinen Klienten nicht zu vergraulen. Das ist anständig und fair, allerdings könnten genau in diesen Unternehmen die perfekten Kandidaten für Sie arbeiten. Spannend ist, ob ein Berater Ihnen proaktiv seine Off limits nennt, ob Sie danach fragen müssen – oder ob er ausweicht.
Tipp 6: Persönlichkeitstests machen
Wie klopft ein Berater den „Personal Fit“ der gefundenen Kandidaten ab? Die Standardantwort auf diese Frage lautet „Im Interview, kraft meiner langjährigen persönlichen Erfahrung.“ Interessant ist, ob er zusätzlich (kostenpflichtige) Persönlichkeitstests anwendet. Im angelsächsischen Raum sind sie ein Muss, hierzulande Nice-to-Have. Die bekanntesten heißen Big5, 16PF oder DISG. Falls Ihr Berater bereits mit KI arbeitet, kann diese anhand von Lebenslauf und Hintergrundinfos individuelle Fragen zu den Schwachstellen der Kandidaten formulieren.
Tipp 7: Incentivesystem erspüren
In größeren Beratungen haben Consultants immer hohe (wirklich hohe!) Umsatzziele zu erfüllen. Das fördert ihre Zusammenarbeit nicht gerade. Im Gegenteil: Oft herrscht beinharte Rivalität. Natürlich wird Ihnen das niemand erzählen. Sie spüren es aber an atmosphärischen Störungen. Kein No-Go, aber Sie können sicher sein, dass solche Consultants ihre besten Kandidat*innen voreinander verstecken. Was nicht in Ihrem Sinn ist.
Tipp 8: Erfolgsbasis legen
Traum aller Personalberater sind Exklusivaufträge, die nur sie bekommen und niemand sonst. Profis wie Marlene Kampelmüller, VP of Human Resources bei Tractive, dem Nachfolgeprojekt von Runtastic-Gründer Florian Geschwandtner, lassen auf Erfolgsbasis suchen: „Dann investieren wir nur unsere Zeit, aber kein Geld, bis es zu einem Hiring kommt. Und wir sammeln dabei Kennzahlen, wie gut welcher Berater auf welchem Fachgebiet besetzt.“ Mehr als drei sollte man aus administrativen Gründen trotzdem nicht gegeneinander antreten lassen.
Tipp 9: Honorar anpassen
Zu billig klingt nach Verzweiflung. Wer gut ist, kennt seinen Wert. Standardhonorar ist ein Viertel bis ein Drittel des Jahresbruttos des „Perfect Match“ – was Personalberater durchaus motiviert, diesen beim Aushandeln des höchstmöglichen Gehalts zu unterstützen. Teilzahlung ist üblich: ein Teil beim Unterzeichnen des Dienstvertrags, ein Teil nach Ablauf der Probezeit. Stellt sich während dieser heraus, dass der Match doch nicht so perfekt war, muss der Berater ohne Mehrkosten neu suchen.
Tipp 10: Chemie muss stimmen
Vor allem Aufsichtsräte verlassen sich gern auf klingende Namen. Dann können sie sich abputzen: Wenn nicht einmal diese hochrenommierte Agentur den so verzweifelt gesuchten Vorstand liefern kann, kann der Aufsichtsrat doch nichts dafür… Tatsächlich ist jede Beratung nur so gut wie ihre Berater. In angesehenen Agenturen können schlechte Berater sitzen und umgekehrt. Verlangen Sie ruhig den besten und wechseln Sie im Zweifel auch mitten im Projekt. Auch die persönliche Chemie ist wichtig. Wer sich nicht riechen kann, arbeitet auch nicht gern zusammen. Übrigens testen auch Berater ihre Klient*innen. Rufen die nie zurück oder lassen wochenlang auf das Suchprofil warten, weiß auch ein Berater, dass er nicht Top-of-the-List ist. Das zeigt sich auch in seinem Engagement.
Glossar
Offene Suche: Hier ist klar ersichtlich, welches Unternehmen sucht, egal ob es selbst rekrutiert (interne Suche) oder Personalberater beauftragt (externe Suche).
Verdeckte Suche: Hier suchen Personalberater für ein Unternehmen, das sich aus guten Gründen bedeckt hält. Tatsächlich kitzelt diese verdeckte Suche die Neugier und lockt mehr Kandidat*innen als die offene: „Bekannter Sportartikelhersteller sucht…“ klingt spannender als „Nike sucht…“ Ganz nebenbei lernt der Personalberater neue Kandidaten kennen, die zwar nicht an Nike, aber an anderen Jobs interessiert sein könnten.
Personalberatung: Personalberater schalten Print- und Online-Inserate für ihre Klienten, sichten die eintrudelnden Bewerbungen, interviewen und testen die Kandidaten und präsentieren eine „Shortlist“ der besten drei bis fünf. Die Auswahl trifft immer der Klient. Möglich sind auch Teilleistungen, etwa nur die Vorauswahl. Ein wenig verwirrend wird manchmal unter dem Oberbegriff Personalberatung auch das Headhunting (vornehmer als Executive Search bezeichnet) subsummiert.
Headhunting/Executive Search: Als „wertvollste“ Kandidaten gelten jene, die sich in aufrechter Beschäftigung befinden. (Das ist auch gleich ein Tipp für Bewerber: sich als „arbeitssuchend“ zu outen wertet ab. Besser klingt „wechselwillig“.) Die Kunst der Headhunter besteht darin, solche Kandidat*innen im Markt zu identifizieren und diskret anzusprechen, im Erstkontakt meist ohne den Klientennamen zu enthüllen. Es folgen verschwiegene Treffen und wechselseitiges vorsichtiges Abtasten, um die aktuelle Beschäftigung der Kandidaten nicht zu gefährden. Die hören sich solche Angebote gern an, weil sie viel über ihren Wert im Arbeitsmarkt aussagen. Wer als Arbeitgeber seine besten Pferde im Stall gegen solche Versuchungen impfen möchte, sollte sie gut behandeln. Nichts schützt mehr vor Abwerbung als ein Arbeitsplatz, der glücklich macht.