Klimaneutralität
Megaprojekt Grüner Stahl
Die kohlebasierte Hochofentechnologie ist bis zum heutigen Tag die gängige Technologie in der Stahlindustrie. Aus aufbereiteten Eisenerzen wird durch einen kontinuierlichen Reduktions- und Schmelzprozess flüssiges Roheisen erzeugt, das danach zu Stahl weiterverarbeitet wird. So auch bei der Voestalpine mit den Standorten in Linz und Donawitz. Doch in den kommenden Jahren soll sich einiges ändern, denn Österreichs einziger Rohstahlproduzent, will in absehbarerer Zeit Stahl mit weniger CO2-Emissionen produzieren und mittelfristig wird die Stahlproduktion gänzlich klimaneutral geschehen. Der erste Schritt für mehr Klimaschutz soll nun durch grünstrombetriebene Elektrolichtbogenofentechnologie gelingen.
Elektro statt Kohle
Investitionen in der Höhe von 1,5 Milliarden Euro werden für die Errichtung von den ersten beiden Elektrolichtbogenöfen (Electric Arc Furnace, EAF) in die Hand genommen. Einer der Öfen wird auf dem Werksgelände in Linz und der andere am Standort in Donawitz gebaut. Die jeweiligen Spatenstiche wurden bereits zelebriert und der Baustart der Öfen erfolgt noch in diesem Jahr. Stehen die Öfen einmal, dann kann laut Voestalpine ab dem Jahr 2027 rund 2,5 Millionen Tonnen CO2-reduzierter Stahl produziert werden. Davon entfallen ungefähr 1,6 Millionen Tonnen auf das Werk in Linz und weitere 850.000 Tonnen sind es in Donawitz. „Mit unseren beiden Projekten werden wir ab dem Jahr 2027 bis zu 30 Prozent CO2-Emissionen reduzieren können“ sagt Herbert Eibensteiner, Vorstandsvorsitzender der Voestalpine AG. Umgelegt auf alle Emissionen Österreichs wären das knapp vier Millionen Tonnen CO2, oder fünf Prozent aller Schadstoffe, die mit dieser neuen Technologie eingespart werden.
Größtes Klimaschutzprojekt Österreichs
Nur drei Jahre später sollen an jedem der beiden Standorte ein weiterer kohlebasierter Hochofen durch die neue Technologie ersetzt werden. Den letzten ausstehenden grünstrombetriebenen Elektrolichtofenbogen plant man bis zum Jahr 2050 in Linz zu errichten. „Diese Umstellungen bedeuten im Wesentlichen, dass wir unsere Aufgaben in Richtung Klimaneutralität umfassend starten. Und das ergibt eine mittel- bis langfristige Absicherung, da wir in der Lage sind, den Wünschen und Anforderungen unserer Kunden hinsichtlich grünem Stahl nachzukommen“, sagt Franz Kainersdorfer, Vorstandsmitglied der Voestalpine AG. Das Unternehmen selbst spricht dabei vom größten Klimaschutzprojekt Österreichs und auch in der Bundesregierung ist man davon überzeugt, dass hier der richtige Weg eingeschlagen wurde.
Transformationsfonds
„Das ist das größte CO2-Einsparungsprojekt einerseits und andererseits ist ein großer wirtschaftlicher Fortschritt damit verbunden. In Zukunft wird es so sein, dass die, die rechtzeitig begonnen haben einen Vorteil haben werden, deswegen werden sie von uns auch unterstützt. Und die, die hinten dran sind, diesen Vorteil nicht haben und mit den Kosten leben müssen“ sagt Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Die Bundesregierung hat bis 2030 einen Transformationsfonds für die Industrie geschaffen, in dem drei Milliarden Euro für Projekte zur Verfügung stehen. Im Spätherbst 2023 ist man bei der Voestalpine aufgrund der Förderrichtlinien davon ausgegangen, dass man einen höheren, zweistelligen Millionenbetrag bekommen wird, um die erste große Investition von 1,5 Millionen Euro realisieren zu können. „Bei den Industrie- und Transformationsfonds geht es darum, von der Gegenwart in die Zukunft zu gehen und zu investieren. Ich glaube, eine bessere Zukunftsgestaltung wie das Projekt der Voest kann man sich im Moment nicht vorstellen“, so Kogler.
Neue Technologien
Doch wo genau liegt der Unterschied zwischen der alten und der neuen Technologie, dass die neuen Öfen so viel CO2 einsparen können? Bei der traditionellen Hochofenroute wird Roheisen unter der Zugabe von Schrott im Linz-Donawitz-Verfahren zu Stahl verarbeitet. Bei der neuen Hybrid-Technologie ist es der intelligente Materialmix und die Optimierung der Rohstoffe, die als wesentlichen Komponenten zur Produktion dienen. Zum Einsatz kommen neben dem Roheisen aus dem Hochofenprozess, auch Schrott und Hot Briquetted Iron (HBI) – ein poröser Eisenschwamm. Bei HBI handelt es sich um nahezu reines Eisen, das in einer Direktreduktionsanlage aus Erzpellets erzeugt und brikettiert wird. Das Erdgas und der erhöhte Anteil an grünem Wasserstoff sorgen dafür, dass die CO2-Bilanz verbessert wird.
Hochdigitalisierte Prozesse
Recycelter und sortenreiner Schrott ist als weiterer Rohstoff im Einsatz. Das hochwertige, metallisches Vormaterial wird schließlich im Elektrostahlwerk mit elektrischen Strom aufgeschmolzen. Danach erfolgt die Weiterverarbeitung zu High-Tech-Stahlprodukten für die Autoindustrie, als Werkstoffe für die Energiegewinnung oder auch für Schienen für den öffentlichen Verkehr. Für die Erzeugung von grünem Stahl braucht es zusätzlich die Vernetzung durch hochdigitalisierte Prozesse, sensorgestütztes Monitoring, laufende Qualitätskontrollen und dem Einsatz selbstlernender Systeme. Außerdem muss für die Produktion die ausreichende Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energie zu leistbaren Preisen zur Verfügung gestellt werden, damit die Voestalpine wettbewerbsfähig bleiben kann.
Weitere Forschungsprojekte
Eine Aufgabe, bei der der Konzern auf die Schaffung der Rahmenbedingung durch die Politik angewiesen ist. Die Transformation soll aber nicht bei Elektrolichtbogenofen enden. Aktuell forscht man bei der Voestalpine zu Technologien auf Wasserstoffbasis, ebenfalls mit dem Ziel, die Treibhausgasausstoß bei der Stahlproduktion weiter zu reduzieren. In Linz steht dafür eine Pilotanlage, die grünen Wasserstoff in geringen Ausmaß produziert und in Donawitz wird beim Projekt „Sustainable Steel“ daran gearbeitet, aus Erz mittels Wasserstoffplasma Rohstahl zu erzeugen. In der Zukunft wird bei der Voest neben der grauen Farbe des Stahls, also die Farbe Grün im Mittelpunkt stehen.