Krisenfest durch neue Märkte
Ob das Glas halb voll oder halb leer ist, liegt im Auge des Betrachters – oder in diesem Fall der Betrachterin: Eveline Pupeter, Alleineigentümerin und Geschäftsführerin des Linzer Unternehmens Emporia Telecom, blickt auf ein zwiegespaltenes Geschäftsjahr 2021/22 zurück, welches mit 30. Juni endete. Einerseits konnte das optimistische Ziel, jährlich um 30 Prozent zu wachsen, nicht erreicht werden, was vor allem an den stark steigenden Preisen und am starken Dollar liegt. Andererseits konnte Emporia den Gesamtumsatz von 40 Millionen Euro halten – elf davon wurden im Heimatland Österreich, wo man in der älteren Zielgruppe auch klarer Marktführer ist – erwirtschaftet. Die Hauptgründe für die Stabilität beim Umsatz sind, dass Emporia schon mitten in der Corona-Krise neue Märkte erobert hat, jetzt weiter expandiert und mit ganz neuen Produkten auf den Markt geht.
So gibt es etwa mit dem emporiaSMART.5 ein neues „Smartphone-Flaggschiff“, wie es die Hersteller in einer Aussendung bezeichnen. Nachdem man sich zuvor auf Smartphones und Tastentelefone für die ältere Zielgruppe konzentriert hatte, ist jetzt zudem seit Weihnachten 2021 auch das erste Emporia-Tablet am Markt. Eveline Pupeter: „Das Tablet ist ein Kind der Pandemie-Krise, weil wir gesehen haben, dass die Video-Telefonate oder das Online-Kartenspielen einfacher ist, wenn man dabei nicht das Smartphone halten muss.“ Dazu gibt’s einen Tischständer, der den Ton verstärkt. Auch Schulungen und Handbücher werden zusätzlich angeboten, um die ältere Generation technikfit zu machen. Generell bescherte die Corona-Pandemie Emporia gute Geschäfte. Der Digitalisierungsschub hat dem Unternehmen mit Sitz in Linz sogar das beste Jahr in der Firmengeschichte eingebracht. So hat Emporia 2021/22 insgesamt 700.000 Smartphones, Tablets und Tastentelefone verkauft.
Ganz neuer Geschäftszweig
Ebenso in der Pandemie hat Emporia begonnen, einen komplett neuen Geschäftszweig zu bespielen: Gesundheitsprodukte. Zunächst bot das Unternehmen einen kontaktlosen Fieberthermometer an, der gut ankam. Auch ein Oximeter, der die Sauerstoff-Versorgung misst, gehört bereits zum Angebot. Der Gesundheitsbereich erfreut sich laut Eveline Pupeter hoher Nachfrage – und soll weiterhin ausgebaut werden: „Unser Ziel ist es, Gesundheits-Produkte anzubieten, die über Applikationen mit dem Smartphone oder Tablet verbunden sind.“ Opa und Oma, die zum Beispiel alle Stunden ihren Blutdruck messen, müssen das Ergebnis dann künftig nicht mehr aufschreiben, sondern haben die Daten gleich auf ihrem Emporia-Smartphone.
Nicht nur auf der Produktseite, auch auf der Marktseite vergrößert sich das 1991 gegründete österreichische Unternehmen, dessen Produkte genau auf die Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten sind. Noch in der Hochzeit der Covid-Pandemie wurden zunächst Großbritannien und Irland und anschließend Italien als Vertriebsmärkte dazugenommen. Und vor wenigen Monaten setzte man einen weiteren großen Internationalisierungsschritt: Seither werden Emporia-Produkte auch in den nordischen Ländern Finnland, Schweden und Norwegen vertrieben – in Dänemark war man bereits zuvor vertreten. Jetzt wird Emporia in rund 30 Ländern vertrieben, wobei man sich derzeit auf Europa und hier vor allem auf Mittel- und Westeuropa konzentriert. Produziert werden die Produkte am chinesischen Standort Shenzhen. Dass sie für den Aufbau der neuen drei Märkte den Finnen Heikki Tarvainen als Country-Manager gewinnen konnte, erfüllt Geschäftsführerin Eveline Pupeter mit Stolz und Freude.
Von Sehschwäche bis Inflation
Obwohl die nordischen Länder für ihren hohen Digitalisierungsgrad bekannt sind, sieht Emporia noch großes Marktpotenzial im Segment der betagteren Menschen, die immer schwerer mit der technologischen Entwicklung mithalten können. Pupeter: „Skandinavien ist dank Nokia der am meisten digitalisierte Markt, und trotzdem sagen die Menschen dort, sie bekommen zusehends Probleme mit den digitalen Produkten und Services. Viele möchten lieber auf ein einfach zu bedienendes Smartphone oder Tablet zugreifen, das ihnen hilft, ihre Sehschwächen, Hörschwächen und Tastschwächen besser in den Griff zu bekommen.“ Ein Problem der älteren Menschen kann Emporia aber leider nicht lösen: Die starke Inflation, die bei vielen dazu führt, dass sie sich erstmal kein neues Handy oder Tablet zulegen, weil sie ihr Geld zusammenhalten wollen. Pupeter: „Bevor die Menschen ihre Miete nicht zahlen können, verzichten sie lieber auf das nächste Smartphone.“ Besonders ältere Menschen würden auf Themen wie Krieg und Inflation sehr sensibel reagieren.
Kein Problem stellt zum Glück die Beschaffung der Rohstoffe dar. Das liegt am vorausschauenden unternehmerischen Handeln. Dabei geholfen hat der Standort Shenzhen, wo Emporia 40 Mitarbeiter beschäftigt und man daher gut einschätzen konnte, wie es weitergeht. Pupeter: „Wir haben gewusst, dass es schwierig wird und uns schon im Frühling 2021 abgesichert und unserer Hausbank gesagt, dass wir mehr Working-Kapital brauchen.“ So konnte man wesentlich mehr Geld in die Hand nehmen, um Lager zu füllen. Besonders herausfordernd ist die Kostenseite: Sowohl die Preise für Transport als auch die Anzahlungen für Produktionen haben sich extrem verteuert. Der starke Dollar ist ein großer Kostentreiber, denn Emporia bezahlt die chinesische Produktion in Dollar.
Kosten nur teilweise weitergeben
Während Emporia also auf der Versorgungsseite aktuell beruhigt sein kann, stellt die Marktseite eine große Herausforderung dar. Laut Eveline Pupeter ist es derzeit nicht möglich, die gestiegenen Kosten allesamt an die Kundschaft weiterzureichen. Es sei nur in einem kleinen Rahmen möglich, die Preise für die Endprodukte zu erhöhen: „Derzeit müssen wir die gestiegenen Kosten vor allem mit Einsparungsmaßnahmen wie zum Beispiel weniger Marketing-Ausgaben kompensieren.“
Laut Eveline Pupeter war es in der 31-jährigen Geschichte von Emporia noch nie so schwierig wie jetzt. Was die Eigenleistung des 110-köpfigen Unternehmens betrifft, macht sie sich und dem Team aber überhaupt keine Vorwürfe: „Wenn es nach uns geht, erreichen wir unser Wachstumsziel von jährlich 30 Prozent. Aber wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter so zuspitzen, müssen wir froh sein, wenn wir wieder den Umsatz halten können.“ So gesehen bleibt zu hoffen, dass das Glas halb voll bleiben kann.