Kaufen, wenn die Kanonen donnern
Die Börsen fahren Achterbahn: Aktien stürzen ab, Renditen preschen nach oben und Kryptowährungen wie Bitcoin stellen den Glauben vieler Privatanleger gänzlich auf den Kopf. Die Frage, wie man heute 10.000 Euro anlegen sollte, klingt zunächst einmal unangemessen. Doch je länger unser Zeithorizont bei der Geldanlage reicht, desto eher sollten wir uns gerade in turbulenten Zeiten ums Ersparte kümmern. Im Börsensprech heißt das: Kaufen, wenn die Kanonen donnern. Doch warum rechnet sich ein Investment gerade jetzt?
Warum Anleger keine Angst vor Aktien haben sollten
Der langfristige Trend an den Märkten zeigt seit Jahrzehnten nach oben. Eindrucksvoll hat das vor einigen Jahren eine Untersuchung der Bank of America gezeigt, die den US-Index S&P 500 seit 1930 unter die Lupe genommen hat. Wer seit damals investiert war, konnte bis 2021 sage und schreibe 17.715 Prozent mit dem Index US-amerikanischer Standardwerte abgreifen. Weitere Studien zeigen, dass der Zeitpunkt für einen Einstieg in den Markt langfristig weitgehend irrelevant ist. Wichtig ist nur, dass wir langfristig engagiert bleiben. Wer im obigen Beispiel des S&P 500 seit 1930 in jedem Jahrzehnt die zehn besten Börsentage der Dekade ausgelassen hätte, dessen Rendite hätte statt bei 17.715 Prozent nur noch bei 28 Prozent gelegen – über eine derart lange Zeit ist das eigentlich nichts. Dieser Umstand lässt sich im Börsensprech auf die Weisheit „Time in the market beats timing in the market“ reduzieren.
Da die wenigsten Anleger aber Aktien kaufen und dann losgelöst von Emotionen und Stimmungen an ihren Entscheidungen festhalten, bieten es sich an, günstig einzusteigen. Nachdem die Kurse bereits panikartig nachgegeben haben, ist die langfristige Perspektive günstig. Anleger sollten daher genau jetzt über einen Einstieg in den Markt nachdenken. Das gelingt für weniger erfahrene Anleger mittels ETFs auf möglichst marktbreite Indizes. Mehrere hundert Titel sollten diese ETFs enthalten und auch regional möglichst breit gestreut sein, also bestenfalls die ganze Welt abdecken.
Krypto-Crash? Alles schon gesehen!
Wer die Dinge an der Börse aber selbst in die Hand nehmen und sich von Beratern und Fondsgesellschaften unabhängig machen will, der greift jetzt zu Einzelwerten. Das ist bereits ab Beträgen von 10.000 Euro seriös möglich. Diese 10.000 Euro lassen sich über fünf bis sechs Einzelwerte streuen, in die Anleger je 1.000 Euro stecken. Als Investmentziele eignen sich aktuell etwa sogenannte „gefallene Engel“, also Werte, die eigentlich Perspektive und Substanz haben, aber vom Gesamtmarkt und seinen Launen abgestraft wurden. Beispiele sind etwa Unternehmen wie Nike, Apple oder auch Disney. Diese Unternehmen haben starke Marken und ein tragfähiges Geschäft, das auch in der Zukunft noch Innovationen verspricht. Oder glauben Sie etwa, dass Kinderaugen in zwanzig Jahren nicht leuchten, wenn Disney liebevoll animierte Geschichten auf die Leinwand bringt? Eben!
Da Aktien aktuell nicht sehr gefragt sind, haben Anleger die Zeit, sich die jeweiligen Titel genau auszusuchen und ein Investment abzuwägen. Auch bietet es sich an, ein Depot nach und nach aufzubauen – auch auf diese Weise verhindern wir, dass kurzfristige Stimmungen einen zu großen Einfluss auf langfristige Anlageentscheidungen haben. Wer zusätzlich zu Aktien weiteren Renditehunger verspürt, kann bei Bitcoin-Kursen unter 20.000 Dollar auch über kleinere Krypto-Positionen nachdenken. Doch Achtung! Bei einem gesamten Investitionsvolumen von 10.000 Euro sollten nicht mehr als 500 Euro in diese Anlageklasse fließen. Kryptowährungen vollziehen gerade zwar einen Crash, der viele Privatanleger abschreckt, doch hat der Krypto-Markt einen derartigen Einbruch inklusive des folgenden Anstiegs auf neue Hochs bereits mehrfach gesehen. Kryptowährungen sind einfach volatil. Das heißt, sie schwanken naturgemäß. Statt teuer zu kaufen, bietet sich hier ein beherztes Engagement zu günstigen Kursen an – eben genau dann, wenn sprichwörtlich die Kanonen donnern.
Jetzt investieren, morgen ruhig schlafen!
Und was ist mit dem restlichen Kapital? Fünf bis sechs Aktien zu je 1.000 Euro sowie optional 500 Euro in Bitcoin und Co. lassen Raum für mindestens weitere 3.500 Euro an Investitionen. Nicht nur in der aktuellen Marktphase macht es Sinn, ein wenig „Pulver“ für später trocken zu halten. Die Märkte sind heute mehr denn je unberechenbar. Gerade wer langfristig anlegt und Kursentwicklungen auch einmal im Zehn- oder Zwanzig-Jahres-Chart verfolgt, sollte flexibel bleiben. Dabei ist es egal, ob wir langfristige Positionen nach einigen Monaten noch einmal verbilligen, also nachkaufen, weil die Kurse gefallen sind oder aber dann die restlichen Mittel investieren, wenn der Markt zu einer neuen Hausse ansetzt. Erstere Variante bietet langfristig einen günstigeren Mischkurs, letztere Variante die Gewissheit, dass die dunklen Wolken verzogen sind. Dank der Käufe von heute, entsteht trotzdem im Mittel ein Risikopuffer. So können auch Anleger, die dem Kapitalmarkt eher skeptisch gegenüberstehen, ruhig schlafen.
Zum Autor:
Ulrich Müller hat fast 30 Jahre Börsenerfahrung und ist Gründer der bekannten Ulrich Müller Wealth Academy in Halstenbek bei Hamburg. Vor der Gründung der UMWA war der studierte Finanzwirt 17 Jahre als Investmentberater tätig.