Endlich Erntezeit

Cradle-to-Cradle
09.06.2022

Vor gut drei Jahrzehnten gründete Ernst Gugler sein Druckerei-Unternehmen mit der Mission, Nützling statt Schädling zu sein und wurde lang als Spinner angesehen. Doch jetzt ist die Welt endlich offen für seinen werteorientierten Ansatz – und Gugler kann die Früchte ernten.
Gugler Biodiversitätsgarten

Kann das gut gehen, wenn ein Unternehmen mit der Mission gegründet wird, „keinen Schaden bei Mensch, Tier und Umwelt“ anzurichten und „Nützling statt Schädling“ zu sein – und das aus echter intrinsischer Motivation? Kann so ein Unternehmen erfolgreich sein? Es kann – selbst, wenn es schon vor 33 Jahren gegründet wurde. Das Melker Kommunikationshaus Gugler, das 1989 als Druckerei und Setzerei das Licht der Welt erblickte, macht es vor – wenngleich es nicht einfach war, die höchsten ethischen Ansprüche durchzusetzen. Firmengründer und Geschäftsführer Ernst Gugler relativiert gleich: „Ich bin sicher, dass viele uns nicht als wirtschaftlich erfolgreich betrachten.“ So habe Gugler wenig Eigenkapital und auch die Bilanzen weisen schon mal negative Effekte auf. Doch dass das Unternehmen im Gegensatz zu vielen anderen Druckereien überlebt hat, ist schon mal nicht selbstverständlich. Außerdem ist nun endlich die Zeit für mehr finanzielle Prosperität des 120-Mitarbeiter-Betriebs gekommen.
Ernst Gugler bemerkt eine „rasante Nachfrage“ nach ganzheitlich-nachhaltigen Produkten: „Ich habe das Gefühl, es kommt jetzt die Erntezeit. Es wird jetzt als Qualitätsmerkmal gesehen, dass Produkte kreislauffähig und frei von Schadstoffen sind, oder dass wir auf Sustainable Design achten und zum Beispiel mit unserer Kommunikationsagentur MarkenSinn barrierefreie Websites umsetzen.“ Endlich wird das, wofür sich Gugler – gegen den Mainstream und oft mit viel Gegenwind – engagiert hat, zur Normalität: Profit ist nicht mehr die einzige Maxime. Auch die Auswirkungen auf das Gemeinwohl werden jetzt mitberücksichtigt. Anstatt wie früher als Spinner dazustehen, gilt Ernst Gugler in Zeiten von CO2-Steuer, Non Financial Reporting und Impact Investment als Visionär und Pionier. Auch wenn er diese Zuschreibungen ein wenig von sich weist, sagt er: „Wir haben eine ganze Branche angestupst und ermutigt, grüner zu werden – damit haben wir indirekt ganz viel bewirkt.“

Permanenter Optimierungswille
Bei Gugler hat man von Anfang an versucht, „immer noch ökologischer zu werden“. Dabei verschrieb man sich der Kreislaufwirtschaft, die auch unter dem Schlagwort Cradle to Cradle (C2C) bekannt ist. Eine wichtige Idee dahinter ist, schon bei der Konzeption von Produkten mitzudenken, wie diese bzw. ihre Komponenten am Ende ihrer Lebenszeit wieder in einen Kreislauf zurückgeführt werden – anstatt am Sondermüll zu landen. Und das heißt bei Gugler, sich ständig zu fragen, was man in Hinblick auf die ökologische Verträglichkeit noch besser machen kann.

Wir haben eine ganze Branche angestupst und ermutigt, grüner zu werden.

Ernst Gugler

Ernst Gugler
Ernst Gugler

Konkret schlägt sich der permanente Optimierungswille etwa darin nieder, dass die Stoffe im Papier und die Farben für den Druck keine unerwünschten Auswirkungen auf Mensch, Natur und Tier haben. Und dabei verlässt man sich nicht darauf, Stoffe zu vermeiden, die auf schwarzen Listen stehen, weil sie etwa krebserregend sind. Darüber hinaus wurden und werden alle Komponenten untersucht und bewertet, freilich auch jene der Lieferanten und Sublieferanten. Diese müssen sich in die Karten – also in ihre Rezepturen – schauen lassen, natürlich geschützt durch Geheimhalte-Vereinbarungen. Gugler: „Wir haben kein neues Geschäftsmodell erfunden, aber so tief in die Inhaltsstoffe hineinzuschauen, war schon ein Paradigmenwechsel – das macht die meiste Arbeit und ist die größte Herausforderung.“ 2011 war Gugler die erste C2C-zertifizierte Druckerei weltweit. Zuvor wurde Gugler etwa 2003 als erste Druckerei mit dem österreichischen Umweltzeichen ausgezeichnet.

Recyclebares Bürogebäude
Kreislaufwirtschaft spiegelt sich im gesamten Unternehmen wider. Besonders augenscheinlich ist das beim 2017 fertiggestellten Betriebsgebäude in Melk. Das Plusenergiehaus hat nicht nur eine Photovoltaikanlage am Dach, die mehr Strom erzeugt als im Bürobetrieb verbraucht wird. Es besteht auch zu 95 Prozent aus recycelbaren Materialien, von denen viele schon ein Vorleben hatten – so etwa der Dämmstoff, der aus dem Zellstoff der eigenen Papierabfälle besteht, oder die Außenfassade, die mit alten Aluminium-Drucklagern verschalt wurde, die nach der Lebensdauer des Hauses ins Aluminium-Recycling wandern werden. Damit all das – zumal im gewerblichen Bereich – gelingen konnte, war viel Pionierleistung, Forschung und Kooperation mit erfahrenen Partnern nötig – und Zeit: Die Planung nahm sieben Jahre in Anspruch.
Gugler macht rund 80 Prozent des Umsatzes mit der Druckerei, doch das Unternehmen bietet mehr. Schon zur Zeit der Gründung war das Familienunternehmen eine integrierte Druckerei und Setzerei – und eine Art Werbeagentur. Aktuell gibt es drei Hauptsparten: die Druckerei Gugler DruckSinn, die Kommunikationsagentur Gugler MarkenSinn und die Zukunftswerkstatt Gugler SinnBildung, die vor etwa zwei Jahren ins Leben gerufen wurde. Letztere begleitet Unternehmen bei der „Neuausrichtung in eine enkeltaugliche Wirtschaft“ – zum Beispiel dabei, klimapositiv zu werden. Ernst Gugler betont, dass es auf diesem Weg nicht nur um Themen wie Produktentwicklung, Prozesse oder Gehaltssysteme geht: „Das alles ist sehr wichtig, aber wir brauchen auch die innere Entwicklung und den inneren Wandel. Sonst werden diese Dinge nicht verstanden und berühren keine Herzen.“ Auch auf politischer Ebene wie etwa beim EU-Green Deal und der Circular Economy drehe sich „alles nur um das Technische und Kognitive“. Die Zukunftswerkstatt bezieht auch Werte- und Kulturarbeit ein, sodass Mitarbeiter ein Verständnis für die Veränderungen entwickeln. Gugler weiß, wovon er spricht, denn er hat früher selbst viele Fehler gemacht, wenn er neue Ideen einbrachte: „Die Mitarbeiter haben das überhaupt nicht verstanden.“
Die Entwicklung seines Unternehmens führt Gugler auch auf seine eigene Persönlichkeitsentwicklung – inklusive Rückschläge – zurück. Nachdem er 2008 ein Burnout hatte, begann er mit Yoga und Improvisationstanz, fing an zu meditieren und sich mit Buddhismus zu beschäftigen. Er bietet regelmäßig Yogastunden und Achtsamkeitsabende an und lässt all das auch in die Firma einfließen. So leitet er Besprechungen mit einer Stilleminute ein, „damit wir unsere Atmung spüren“. Aber steht diese kontemplative Lebensweise, bei dem es um das Sein geht, nicht im Widerspruch zum Unternehmertum, wo das Tun im Vordergrund steht? Gugler: „Vielleicht ist das Ideale, dass wir das Sein im Tun kultivieren. Für mich ist das eins.“ All das gehört für ihn zur inneren Entwicklung, die dazu führt, ein mitfühlendes Wesen zu werden – und das betrifft eben auch Unternehmer.

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