Die langfristige Perspektive zählt
„Die betrieblichen Vorsorgekassen sind ein internationales Best-Practice-Beispiel. Diese hundertprozentige Durchgängigkeit bei einer gesamten Branche – auch wenn sie klein ist – gibt es sonst nirgends“, sagt Reinhard Friesenbichler. Er ist Unternehmensberater und Experte für nachhaltiges Investment und Management. Den heimischen betrieblichen Vorsorgekassen stellt er ein exzellentes Zeugnis in Bezug auf Nachhaltigkeit und hohes ESG-Niveau aus, welches freiwillig und ohne gesetzliche Vorgaben umgesetzt wird.
Dennoch läuft nicht alles optimal. Nach dem erfolgreichem Jahr 2021 bilanzieren die Pensions- und Vorsorgekassen aufgrund eines schwierigen Jahres 2022 mit einem Minus.
Acht Vorsorgekassen zur Wahl
Doch zuerst zu den grundlegenden Fakten: Die betrieblichen Vorsorgekassen veranlagen und verwalten die Beiträge zur „Abfertigung neu“, die wie die Firmenpension zur zweiten Säule der Altersvorsorge gehört und damit die staatliche Pension und privaten Vorsorgeleistungen ergänzt. Grundsätzlich hat jeder Erwerbstätige Anspruch auf eine Abfertigung. Das bedeutet für die Unternehmen, dass sie für jeden Mitarbeiter monatlich 1,53 Prozent des Bruttoentgelts an eine der Vorsorgekassen zahlen müssen. In Österreich stehen dafür acht Vorsorgekassen zur Auswahl: die Allianz, die APK Vorsorgekasse, die Bonus Vorsorgekasse, die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK), Fair-finance, die Niederösterreichische Vorsorgekasse (NÖVK), die Valida Plus AG und die VBV Vorsorgekasse.
Turbulente Finanzmärkte
Die acht heimischen Vorsorgekassen konnten sich den entstandenen Verwerfungen auf den weltweiten Finanzmärkten natürlich nicht entziehen. So fand auf den Anleihenmärkten wegen des Zinsanstieges ein massiver Verfall der Renditen der bestehenden Anleihen statt. Für die betrieblichen Vorsorgekassen eine besondere Herausforderung, da sie bei Anleihen einen Anteil von ca. 75 bis 80 Prozent in ihrem Portfolio aufweisen. Für die heimischen Vorsorgekassen folgt daher nach einem erfolgreichen Jahr 2021 mit einem Plus von vier Prozent im Jahr 2022 ein negatives Ergebnis von 7,6 Prozent.
In einer aktuellen Analyse durch das Beratungsunternehmen Mercer ergeben sich folgende Detailergebnisse: BUAK erzielte als bester Anbieter eine Performance von -4,67 Prozent. Auf den Rängen zwei und drei liegen fair-finance mit -6,46 Prozent sowie die VBV mit -6,68 Prozent im defensiven Veranlagungstyp. Im Durchschnitt aller Vorsorgekassen lag die Rendite bei -7,73 Prozent im defensiven Modul sowie bei -9,04 Prozent im konservativen Typ. In diesem lag die Valida mit -8,60 vor der APK mit -10,45 Prozent. Zur Erklärung: Welchem Veranlagungstyp eine Veranlagungs- und Risikogemeinschaft (VRG) zugeordnet ist, richtet sich nach ihrem Aktienanteil. Als defensiv wird eine Veranlagung bezeichnet, wenn sie einen Aktienanteil bis zu 16 % aufweist. Konservative Veranlagungen beinhalten Aktien von 16 bis 24 %.
Nun ist es schon bei risikoreicher Veranlagung mit hohem Aktienanteil aktuell nicht gerade einfach, nennenswerte Renditen einzufahren. Bei konservativer Herangehensweise darf das Ergebnis nicht verwundern. Doch: „Auch wenn das letztjährige Ergebnis negativ ausgefallen ist, sehen wir, dass die Abfertigung neu ein Erfolgsmodell ist. Zudem bekommen die Abfertigung neu alle Berechtigten – die Abfertigung alt wurde nur an maximal 15 Prozent der Menschen ausgezahlt“, betont Andreas Zakostelsky, Obmann des Fachverbandes der Pensions- und Vorsorgekassen. Durch die vom Gesetzgeber vorgegebene Bruttokapitalgarantie müssen die betrieblichen Vorsorgekassen auf die Gesamtheit der einbezahlten Beiträge eine Garantie gewähren. Daher verringert sich auch bei einer negativen Performance das eingezahlte Kapital nicht – es ist garantiert.
Die heimischen Pensionskassen bilanzieren im Vergleich zu den Vorsorgekassen daher nach einem ebenfalls erfolgreichen Jahr 2021 zum Jahresabschluss 2022 mit einem Minus von 9,67 Prozent. Mit plus 4,90 Prozent seit Beginn und plus 3,26 Prozent auf zehn Jahre liegt die Langzeitperformance der Pensionskassen allerdings deutlich im Plus.
Portfolio-Risiken besser im Blick
Doch zurück zum Thema Nachhaltigkeit. Die nachhaltige Ausrichtung der Vorsorgekassen gilt laut Experten nicht als Grund für die schlechte Performance im vergangenen Jahr, ganz im Gegenteil. „Nachhaltigkeitsstrategien sind tendenziell ein Ertragsvorteil, da man damit Portfolio-Risiken besser im Blick hat. Die Branche der fossilen Brennstoffe wird zum Beispiel auf lange Zeit gesehen nicht zu den Gewinnern zählen“, sagt Friesenbichler.
Die ÖGUT, eine unabhängige Non-Profit-Organisation, die sich seit mehr als 30 Jahren für eine nachhaltige Ausrichtung von Wirtschaft und Gesellschaft einsetzt, prüft und zertifiziert die betrieblichen Vorsorgekassen und Pensionskassen nach Nachhaltigkeitskriterien auf freiwilliger Basis. Nachhaltiges Investment wird nach wie vor hauptsächlich von den institutionellen Investoren getragen. In dieser Investorengruppe sind es insbesondere die betrieblichen Vorsorgekassen, die mit 50,9 Prozent den Großteil der nachhaltigen Assets stemmen.
Beratung durch Ethik-Beirat
Von den acht Vorsorgekassen sind sieben in Gold und eine in Silber ausgezeichnet worden. Als Pionier und Trendsetter sieht sich in diesem Zusammenhang die VBV-Vorsorgekasse, die laut eigenen Angaben jeden dritten Beschäftigten und jedes dritte Unternehmen zu seinen Kunden zählt und die beste Langfrist-Performance – kumuliert in den Jahren 2003 bis 2022 – aller Vorsorgekassen mit einem integrierten Nachhaltigkeitsansatz erwirtschaftet. „Seit Gründung begleitet uns ein Ethik-Beirat bei der Definition und Festlegung unserer nachhaltigen Veranlagungskriterien und gibt Empfehlungen zu potenziell kontroversen Investmentthemen ab“, erklärt Günther Herndlhofer, Prokurist und Leiter der Veranlagung bei der VBV-Vorsorgekasse. Zu den Ausschlusskriterien zählen beispielsweise fossile Energieträger, Atomenergie oder Staaten mit autoritären Regimen.
„Bei den Positivkriterien ist Biodiversität in letzter Zeit verstärkt in den Fokus gerückt. Auch Unternehmen mit positiven Kunden- und Lieferantenbeziehungen, die ihre Mitarbeiter wertschätzend behandeln, werden bevorzugt“, sagt Herndlhofer.
Auch wenn die Performance des vergangenen Jahres keinen Anlass zum Jubeln gab: Langfristig bringt die nachhaltige Ausrichtung in jedem Fall positive Ergebnisse – für Umwelt und Arbeitnehmer.