Führungsaufgabe
Zuversicht und Hoffnung vermitteln
Aktuell läuft in vielen Unternehmen etwas schief – aus den bekannten Gründen. Die Kosten steigen. Der Innovationsdruck ist hoch. Und die Erträge? Sie weisen oft nicht die erforderliche Höhe auf. Also wäre aktuell in vielen Betrieben ein „Zusammenkneifen der Po-Backen“ und gemeinsames Aktiv-werden nötig, um wieder in die Erfolgsspur zu gelangen.
Die betriebliche Realität ist jedoch häufig eine andere. Statt gemeinsam nach Problemlösungen zu suchen, fragen sich die Mitarbeiter*innen oft eher depressiv oder gar schon resignativ: „Was kommt da noch auf uns zu?“. Das heißt, ihnen fehlt der positive Zukunftsblick, der Energien freisetzt und Menschen aktiviert.
Mitarbeitende wünschen sich mehr Führung
Entsprechend wichtig wäre im Moment Führung – und zwar eine Führung, die
- den Mitarbeiter*innen Halt und Orientierung gibt,
- ihnen trotz aller Widrigkeiten einen möglichen Weg in die Zukunft weist und
- ihnen die Zuversicht vermittelt „Gemeinsam schaffen wir es, wenn …“.
Eine solche Führung vermissen zurzeit viele Mitarbeitende. Darauf weisen unter anderem die Ergebnisse der Gallup-Studie hin: Ihr zufolge sind aktuell nur noch die Hälfte der Mitarbeiter*innen mit ihrer Führung zufrieden. Und fast ebenso viele erwägen einen Arbeitgeberwechsel im kommenden Jahr. Dies sind Indizien dafür, dass in der modernen, von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten Arbeitswelt ein anderer Führungsstil als bisher gefragt ist.
Nicht missverstehen: Dies soll kein Führungskräfte-Bashing sein. Viele Führungskräfte arbeiten seit Jahren an der Belastungsgrenze – auch weil ihnen oft selbst die nötige Führung fehlt. Zudem sind nicht wenige von ihnen, zumindest gefühlt, spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie mit einem permanenten Krisenmanagement beschäftigt. Deshalb verlieren sie nicht selten die Aufgabe Mitarbeiterführung aus dem Blick. Dabei ist und bleibt dies die Kernaufgabe von Führung, denn: Ohne hochmotivierte Mitarbeiter*innen können Führungskräfte, die ihnen als Bereichs- oder Abteilungsleiter*innen vorgegebenen Ziele nicht erreichen. Also sollte es in ihrem Eigeninteresse liegen, die Arbeitsmotivation ihrer Mitarbeitenden hochzuhalten.
Führungskräfte sind zum Teil überfordert
Der Befund, dass viele Führungskräfte sich zu wenig Zeit für das Führen ihrer Mitarbeitenden nehmen, ist nicht neu. Dies war, solange in den Unternehmen weitgehend ein „Business as usual“ herrschte, ein eher peripheres Problem, denn in ihnen wussten zumindest die eingearbeiteten Mitarbeiter*innen, was wann, wie, warum und wozu zu tun ist.
Heute hingegen, also in einer Zeit, in der sich
- die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns immer schneller wandeln und
- die Unternehmen ihre Strategien immer häufiger überdenken müssen,
müssen die Führungskräfte mehr Zeit in die Aufgabe Mitarbeiterführung investieren. Sie müssen zudem ihre Leader-Funktion stärker wahrnehmen, die darauf abzielt,
- ihren Mitarbeitenden, Wege in die Zukunft aufzuzeigen, und
- in ihrem Umfeld ein Milieu zu schaffen, in dem sich ihre Mitarbeitenden wohl fühlen, weshalb sie sich gerne für das Erreichen der Unternehmensziele engagieren.
Positive Leadership: ein zukunftsweisender Führungsansatz
Genau dieses Ziel verfolgt der Positive Leadership-Ansatz. Er zielt darauf ab, in den Unternehmen eine von wechselseitigem Vertrauen und Optimismus geprägte, leistungsstarke Arbeitsumgebung zu schaffen, die letztlich auch zu einer erhöhten Innovationskraft führt.
Dieser Führungsansatz basiert auf dem PERMA-Modell von Martin Seligmann, der als Begründer der Positiven Psychologie gilt. Auf ihm aufbauend entwickelte der Wiener Wirtschaftspsychologe Markus Ebner für den Führungsbereich das sogenannte PERMA-Lead-Modell. Ihm zufolge ist eine Kernfunktion von Führung, in ihrem Umfeld ein Milieu zu kreieren,
- das positive Emotionen ermöglicht,
- das individuelle Engagement fördert,
- tragfähige Beziehungen entstehen lässt,
- den Mitarbeitenden den Sinn ihres Tuns vermittelt und
- die hierbei erzielten Erfolge für sie sichtbar macht.
Dabei lautet ein übergeordnetes Ziel, das Wohlbefinden der Mitarbeitenden und ihre Identifikation mit ihrer Arbeit zu stärken, so dass sie eigeninitiativ danach streben, ihre Performance zu erhöhen und sich die hierfür erforderlichen Fähigkeiten anzueignen. Dies führt mittelfristig auch zu einer Entlastung der Führungskräfte.
Untersuchungen belegen, dass ein Positive Leadership gemäß dem PERMA-Lead unter anderem folgende positive Wirkungen hat:
- Stressreduktion,
- weniger krankheitsbedingte Fehltage,
- eine erhöhte Kreativität und Innovationskraft,
- eine höhere Produktivität/Effizienz und Kund*innenorientierung.
Hoffnung treibt die Menschen an
Trotz dieses positiven Befunds haben wir nicht nur in unserem Buch die fünf Dimensionen des PERMA-Lead-Modells, um zwei weitere ergänzt: nämlich Hoffnung und Achtsamkeit. Aus folgendem Grund:
- Aktuell befinden sich viele Führungskräfte aufgrund des Fachkräftemangel, des (zumindest gefühlt) permanenten Krisenmanagements, des steigenden Change- und Lernbedarfs usw. in einem mehr oder minder ausgeprägten Erschöpfungszustand. Und:
- Nicht wenige verlieren die Zuversicht, dass sich an der als belastend oder teilweise bedrohlich empfundenen Ist-Situation etwas nachhaltig ändert, sich also das Blatt – aus ihrer Sicht – zum Guten wendet.
Dies hindert sie daran, ihre Leader-Funktion effektiv wahrzunehmen, denn hierfür ist auch die Zuversicht nötig: „Wir schaffen es, wenn ….“. Deshalb spielt die Hoffnung unter den positiven Emotionen eine Sonderrolle. Denn anders als die Emotionen Freude, Dankbarkeit, Stolz usw. ist sie stets zukunftsorientiert. Hoffnung bezeichnet das – gerade in schwierigen Situationen so – wichtige Erwartungsgefühl, dass positive Veränderungen erreicht und Herausforderungen gemeistert werden können. Sie ist der Motor, der Menschen dazu bringt, aktiv zu werden, weil sie daran glauben, etwas bewirken zu können. Deshalb ist es auch eine Führungsaufgabe, die Hoffnung der Mitarbeiter*innen zu stärken.
Dies können Führungskräfte unter anderem, indem sie
- ihren Mitarbeitenden vor Augen führen, welche Herausforderungen sie schon gemeistert haben, von denen sie zunächst glaubten „Ich schaffe ….“ oder „Wir schaffen das nicht“ oder
- ihnen Beispiele und Strategien vorstellen, wie andere Personen oder Organisationen ähnliche „Krisen“ bewältigt haben, oder
- ihnen vor Augen führen, welche Ressourcen ihnen für das Meistern der Herausforderungen zur Verfügung stehen.
Dies können Führungskräfte jedoch nur glaubhaft und effektiv, wenn sie selbst einen positiven Zukunftsblick haben und dies ausstrahlen; des Weiteren, wenn sie in einem lebendigen Dialog mit ihren Mitarbeitenden stehen und deshalb wissen, was diese gerade zum Aufrechterhalten ihrer Zuversicht und Handlungsfähigkeit brauchen.
Achtsam sein auch für das eigene Befinden
Dies setzt wiederum eine hohe Achtsamkeit voraus – und zwar für
- das Befinden der eigenen Person,
- das Befinden des jeweiligen Gegenübers sowie
- die Erfordernisse der jeweiligen Situation.
Eine hohe Achtsamkeit für das eigene Befinden der Führungskraft ist nötig, weil dieses sich automatisch auf das Verhalten und Wirken im Mitarbeiter*innenkontakt auswirkt. So strahlen Führungskräfte, die sich am Rande eines Burnouts bewegen, zum Beispiel nicht die nötige Energie aus, die es zur Aktivierung der Mitarbeiter*innen braucht. Ebenso wenig können Führungskräfte, wenn sie selbst nicht an den Erfolg gewisser Problemlösungen glauben, ihre Mitarbeiter*innen dazu motivieren, sich für deren Umsetzung zu engagieren. Folglich müssen Führungskräfte in der Lage sein, potenzielle Engpässe beim Wahrnehmen ihrer Führungs- und Leader-Funktion bei sich selbst zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Ähnliches gilt bezogen auf ihre Mitarbeiter*innen, denn diese sind unterschiedliche Persönlichkeiten. Folglich reagieren sie teils verschieden auf dieselbe Situation. So denken zum Beispiel manche Menschen, wenn sie vor einer neuen Herausforderung stehen, unmittelbar „Das kann ich nicht!“. Andere hingegen denken dann zwar auch zunächst „Huch, was kommt da auf mich zu“; doch dann gelangen sie zur Überzeugung „Irgendwie schaffe ich das schon, auch wenn ich jetzt noch nicht weiß wie“. Entsprechend unterschiedlich muss das Führungs- und Unterstützungsverhalten ihrer Führungskräfte sein.
Führungskräfte zu einem solchen zukunftsweisenden und -führenden Führungsverhalten zu befähigen, ist das Ziel des Positive-Leadership-Ansatzes. Dabei lautet das übergeordnete Ziel: Den Unternehmen sollen letztlich die Führungskräfte sowie Mitarbeiter und Teams zur Verfügung stehen, die sie zum Erreichen ihrer Ziele in einer von rascher Veränderung geprägten Welt brauchen.
Autor*innen-Info
Die drei Autor*innen – Elke Katharina Meyer, Frank Nesemann und Thomas Achim Werner – bilden gemeinsam das Führungsteam der Unternehmensberatung Positivity Guides eGbR, Berlin/Braunschweig, die auf das Themenfeld Positive Führung bzw. Positive Leadership spezialisiert ist. Gemeinsam haben die drei Berater das Buch „Positiv führt! Mit Positive Leadership Teams und Organisationen empowern“ verfasst, das im November 2024 im Verlag BusinessVillage erschienen ist.
Das dazugehörige Interview mit "Die Wirtschaft" finden Sie hier.