Leistungsoptimierung

Weshalb ein starkes Wir-Gefühl zunehmend wichtig ist

Mitarbeiterführung
07.01.2025

In einer hypervernetzten Welt ist niemand mehr eine Insel. Die besten Innovationen entstehen durch ein gelungenes Zusammenwirken der unterschiedlichsten Kompetenzen an den Schnittstellen verschiedener Disziplinen.
Hände zusammen in Nahaufnahme

Co-Working, Co-Kreativität, Co-Labs, all diese „Cos“ bedeuten, etwas gemeinsam zu tun. Wissensarbeit kann nur durch Kollaboration reiche Früchte tragen. Gerade in unserer zunehmend virtuellen Arbeitswelt gehört es zu den wichtigsten Aufgaben der Führungsriege, Zugehörigkeit und Zusammenhalt unternehmensweit zu fördern. Sind die Verbindungen nämlich zu schwach, dann beginnen die Leute sehr schnell, sich stabilere, besser funktionierende Gruppen zu suchen. Und zwar in einem anderen Projekt, in einem anderen Team oder gleich in einer anderen Organisation.

Gruppenzugehörigkeit ist existenziell

Menschen sind Herdentiere. Sobald wir zusammenkommen, bilden wir sofort Gruppen. Die Spielregeln einer funktionierenden Gruppe klingen generell so: „Hilf den Leuten aus deiner Gruppe! Steh für sie ein! Sei stolz auf sie! Sprich gut über sie! Sei loyal!“ Nach außen grenzt man sich ab, was durchaus mit Aggressionen gegenüber anderen Kohorten verbunden sein kann. Doch im Innenverhältnis stehen wir füreinander ein. In einer schützenden Gemeinschaft akzeptiert zu sein, ist für uns fundamental.

Ausgestoßen zu werden ist das Schlimmste, was uns passieren kann. Ganz allein in der Wüste – der sichere Tod. Die unglücklichsten Menschen sind die, von denen niemand etwas will, die nicht gefragt sind und nicht gebraucht werden. Ein wertvolles und geachtetes Mitglied einer Gruppe zu sein: Das gibt uns Sicherheit und Geborgenheit. Soziale Isolation ist eine der schlimmsten Strafen. Sie macht uns aggressiv - oder depressiv. Sie führt bis zu einem Kollaps der zerebralen Funktionen.

Was Oxytocin mit uns macht

Verbundenheit entsteht durch Zuneigung und gemeinsames Handeln. Begleitet werden diese Prozesse durch einen körpereigenen Botenstoff namens Oxytocin. Es erhöht unser Genusspotenzial und die Bereitschaft, Vertrauen zu schenken. Es wirkt entspannend und gesundheitsfördernd. Es wird immer dann verstärkt ausgeschüttet, wenn es zu einer Begegnung kommt, die feste Bindungen einleiten soll. Gleichzeitig stabilisiert es die Beziehungen, die zu seiner Ausschüttung geführt haben. Deshalb freuen wir uns, wenn wir gute Freund*innen und angenehme Kolleg*innen sehen – und diese freuen sich auf uns.

Unser Gehirn belohnt also positive soziale Kontakte, Geselligkeit und ein geglücktes Miteinander. Dass Menschen Egoisten sind und nur an ihrem eigenen Wohlergehen Interesse haben, ist ein Mythos. Er bekam mächtig Auftrieb, als 1976 Richard Dawkins Buch „Das egoistische Gen“ Weltruhm erlangte. So sitzt dieser Mythos noch immer in vielen Köpfen. Doch in den letzten Jahren wurden eine Reihe neurobiologischer Untersuchungen publiziert, die das vorherrschend altruistische Wesen in uns bestätigen.

Vom „Social Brain“ ist dabei die Rede. Die Summe der Erkenntnisse: Wir sind nicht primär auf Egoismus und Konkurrenz ausgerichtet, sondern auf Zuwendung und gelingende zwischenmenschliche Beziehungen. Wenn wir kooperieren, springt in unserem Hirn das Belohnungssystem an. Und das sorgt nicht nur für Spaß, es kann uns auch zu ganz erstaunlichen gemeinsamen Höchstleistungen bringen.

Wie Hochleistungsteams entstehen

Das Umfeld spielt bei Hochleistungsteams eine entscheidende Rolle. Dazu führte der Sozialpsychologe Lee Ross von der Stanford University vor Jahren ein Experiment mit zwei gleich zusammengesetzten Gruppen durch. Der einen Gruppe erklärte er, sie spielten das „Community Game“, ein auf Gemeinnutz ausgelegtes Spiel. Der anderen Gruppe wurde gesagt, ihr Spiel hieße „Wall Street Game“, das Egoismus belohnt. In Wahrheit handelte es sich um das gleiche Spiel, nur mit verschiedenen Namen.

Im Community Game spielten von Anfang bis Ende siebzig Prozent aller Teilnehmer*innen kooperativ. Im Wall Street Game hingegen arbeiteten siebzig Prozent der Spieler*innen nicht zusammen. So beeinflusste allein der Name des Spiels die Versuchsteilnehmer*innen beträchtlich. Sogar Spieler*innen, die zunächst egoistisch wirkten, ließen sich in der kollegialen Spielvariante zu kooperativem Verhalten bewegen.

Kollaboration favorisieren und Siege feiern

Niemand weiß alles und keiner löst alle Probleme allein. Insofern verschenkt der, der auf internen Wettbewerb setzt, einen Großteil des Potenzials, das durch Co-Kreativität und Miteinander entstehen kann. Ergo: Das Wir zu entwickeln – und auch gebührend zu feiern –, zählt mehr als das Heroisieren von Einzelerfolgen. Durch Letzteres gewinnen zwar einige wenige, doch ein Großteil der Mitspieler*innen wird zu Verlierer*innen gemacht.

Und wo Verlierer*innen sind, da sind immer auch Missgunst und Neid. Boshaftigkeiten, Intrigen und Rufmord stellen sich ein. Selbst die Firma als Ganzes wird Federn lassen. Wer nämlich gegeneinander spielt, wird im entscheidenden Moment dem Kontrahent*innen die Hilfe versagen – und seine Ideen lieber für sich behalten. Produktivitätsdefizite und Innovationsverluste auf breiter Ebene sind dann die Folge.

Wer internen Wettbewerb favorisiert, betrachtet anscheinend immer nur das, was er gewinnt, nicht aber das, was er verliert. Nun, da Kollaboration eine so wichtige Rolle spielt, sind Team-Incentives und Win-win-Konzepte, bei denen abteilungsübergreifend alle auf ein gemeinsames Ziel eingeschworen werden und zusammen gewinnen können, wesentlich besser geeignet. Die Bereitschaft zu voller Leistungskraft ergibt sich aus dem kollektiv erreichten Spitzenergebnis – und nicht über kalte Kennzahlensysteme.

Die Zutaten für ein perfektes Wir-Gefühl

Menschen wollen stolz sein können auf die Kohorte, für die sie sich entschieden haben. Denn dann springt ein wenig von deren Glanz auch auf einen selbst über. Erfolgreiche Unternehmen bieten also nicht nur Identifikationspotenzial, sie dienen auch der Selbsterhöhung. Dabei scheint es Männern viel mehr noch als Frauen wichtig zu sein, solche Zugehörigkeit öffentlich sichtbar zu machen.

Die Zutaten für ein perfektes Wir-Gefühl? Es sind diese:

  • Erfolge, die sich feiern lassen,
  • visuelle Zeichen der Zugehörigkeit,
  • Rituale, die zusammenschweißen,
  • gemeinsam erlebte Geschichten,
  • ein guter Ruf in der Öffentlichkeit.

Ergo: Ein starkes „Wir-Gefühl“ entwickelt sich vor allem durch gemeinsame Erlebnisse, durch erzielte Ergebnisse und Stolz auf die Firma. Wohl nichts motiviert auf Dauer so sehr, wie Teil einer erfolgreichen Gemeinschaft zu sein. Dies tragen die Mitarbeitenden durch positive Erzählungen schließlich nach draußen. So können sie nicht nur wertvolle Bewerber anlocken, sondern auch die Loyalität im Kundenkreis stärken. Denn Mitarbeiter*innen- und Kund*innenloyalität korrelieren. Wer keine loyalen Mitarbeitenden hat, hat auch bald keine loyalen Kund*innen mehr. Und das bedeutet dann ganz schnell das Aus.

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