Wertschätzung schafft Wertschöpfung
Die Dahir-Hausverwaltung zeigt, dass man auch mit Immobilien in schlechter Lage Gewinn machen kann. Man muss nur das alte Denken über Bord werfen.
TEXT: HARALD KOISSER
Was eine Hausverwaltung macht? Sich um Liegenschaften kümmern, sie instand halten, Mietverträge gestalten, Lieferanten beauftragen und Bauarbeiten abwickeln, das Mietrechtsgesetz einhalten. „Um die Liegenschaft kümmern sich alle“, sagt Immobilienverwalterin Dagmar Kotzmuth, „aber wer kümmert sich um die Menschen?“ Dagmar und Georg Kotzmuth tun es. Sie haben dazu Dahir, die erste „sozial-ökonomische Hausverwaltung“ gegründet. Die Liegenschaften, die sie verwalten, befinden sich in wenig attraktiver Lage von Graz, viele Mieter haben Migrationshintergrund. Was wie eine unliebsame Betätigung für eine Hausverwaltung klingt, wurde zu einem sozialen Mitmachprojekt. „Eigentlich wollten wir nie in die Hausverwaltung“, gesteht Georg Kotzmuth, „wir haben Immobilien entwickelt, bis ein Eigentümer uns gefragt hat, ob wir sie nicht auch verwalten wollen.“ Nach einigem Grübeln hat das Ehepaar zugesagt, aber wichtig war ihnen, es sinnvoll zu tun. „Wir haben sofort erkannt, dass uns die Mieter wichtig sind.“ Sie begehrten Unerhörtes: ein erhöhtes Hausverwaltungsentgelt! Die Vermittlung der Wohnungen sollte ohne Ausnahme für die Mieter provisionsfrei sein. Eine Struktur, die ein wertschätzendes Arbeiten erlaubt.
UNTERSTÜTZUNG AUF GANZER LINIE
Die wahre Unterstützung der Menschen bei der ungewöhnlichen Hausverwaltung ist heute eine menschliche: „Wir kümmern uns um die Mieter schon beim Einzug. Wir machen zuerst ein längeres persönliches Interview, um herauszufinden, wo sie stehen, was sie brauchen, ob sie Arbeit haben oder asylberechtigt sind“, erzählt Dagmar Kotzmuth. Und so geht es weiter. Probleme mit den Nachbarn, kultureller oder kommunikativer Natur? Die Hausverwaltung ist da und vermittelt. Administrative Herausforderungen? „Wir unterstützen die Menschen bei Behördenwegen“, sagt Kotzmuth, „sie kommen ja zum Beispiel sehr schwer zu irgendwelchen Förderungen, die möglich wären, einfach aufgrund von Sprachproblemen.“ Dahir hat für diese Mammutaufgabe allerdings keine Dolmetscher angestellt, sondern „wir setzen unsere eigenen Mieter als Dolmetscher ein“, weil es auch um eine Motivation zu Nachbarschaftshilfe geht. Das Hausverwalter-Ehepaar kennt jeden ihrer Mieter persönlich. Wenn sie durch das Grazer Viertel gehen, wo ihre 250 Wohneinheiten liegen, kommen sie aus dem Winken und Händeschütteln nicht heraus. Dass in den Häusern sozial schwache Menschen wohnen, hat sich einfach aufgrund der Lage der Immobilien ergeben. Das Stadtviertel Gries in Graz zählt nicht zu den Nobeladressen.
„Wenn wir erzählt haben, was wir tun, haben alle gesagt, wir sind wahnsinnig“, lacht Georg Kotzmuth. Die Mieter können Cash zahlen. Was für eine Katastrophe. Viel zu gefährlich. Macht das nicht. Dahir macht das. Die Mieter kommen zu euch ins Büro? Ihr redet mit ihnen? Dahir macht das. „Was wir schon für Jobs und Kindergartenplätze vermittelt haben – für Mieter und Freunde unserer Mieter“, freut sich Dagmar Kotzmuth.
Die Hausverwalterin sieht sich als Architektin und systemischer Coach für diese selbstgestellte Aufgabe gut vorbereitet und stellt auch nur Leute mit einem hohen Maß an kultureller und kommunikativer Kompetenz als Mitarbeiter/-innen an. „Unsere Arbeit ist Empathie“, verkündet Kotzmuth, „Jeder hat das Recht auf Wohnen. Das ist ein Menschenrecht. Wir kümmern uns darum.“
RECHT AUF WOHNEN, RECHT AUF RENDITE
Eigentümer von Immobilien sehen allerdings auch ein anderes Recht – das Anrecht auf Rendite. Und die bekommen sie, auch wenn die Eigentümer zuerst einmal mehr an Hausverwaltungsentgelt bezahlen als sonst üblich. Dafür werden ihre Immobilien in wenig günstiger Lage optimal vermietet, „und wir bieten eine zumindest gleiche Rendite, mit wesentlichem höherem sozialen Impact“. Aufgrund des engen Miteinanders gehen die Mieter mit ihrem Zuhause viel vorsichtiger um, Dahir hat deutlich weniger Rechtsanwaltskosten als so manche Hausverwaltung und kaum Mietausfälle. „Wir halten die Leute zahlungsfähig“, sagt Kotzmuth.
Gemeinsam mit dem Eigentümer einer Liegenschaft haben sie die letzten fünf Jahre sozial-ökonomische Verwaltungstätigkeit nach rein wirtschaftlichen Richtlinien evaluieren lassen. Die von Dahir verwaltete Einheit war mit Abstand die rentabelste. Das Modell ist also nicht nur sozial und human, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Dass Dahir ein nachhaltiges, soziales, aufsehenerregendes Projekt ist, war für die beiden selbst ein Aha-Erlebnis. „Voriges Jahr sind wir durch Zufall zur Integrationskonferenz Ashoka eingeladen worden und gleich ausgezeichnet worden. Das war für uns wie ein Erweckungserlebnis. Wir haben bis dahin einfach unser Ding getan und haben uns nie als innovativ oder besonders sozial gesehen. Für uns war das einfach normal“, sagt Georg Kotzmuth. Angespornt von Ashoka, haben sie vor kurzem erstmals ihr Konzept verschriftlicht. Dahir bereitet sich auf Expansion vor, denn Immobilien in problematischer Lage, über die andere Hausverwaltungen jammern, gibt es genug. In Wien zum Beispiel, dem ersten Ziel des Dahir-Teams. „Man muss einfach die alte Denke über Bord werfen,“ und wenn Georg Kotzmuth das heute sagt, kann er mehrfach erfolgreich nachweisen, wie das geht und was es bringt. Sich mit Mietern beschäftigen, ist nicht immer lustig, aber es rentiert sich, denn „Wertschätzung schafft Wertschöpfung“.
Dagmar und Georg Kotzmuth bieten mit ihrer Hausverwaltung eine Rendite und gleichzeitig sozialen Impact.