Fußball und Business

Was Führungskräfte vom Fußball lernen können

Leadership
24.06.2024

Aktualisiert am 26.06.2024
Was sich Führungskräfte vom EM Gruppensieger Österreich abschauen können? Eine Analyse aus der Management-Perspektive von Jonas Puck, wissenschaftlicher Leiter des Executive MBA Energy Management, der sich das Team und sein Umfeld genauer angesehen hat.
Marcel Sabitzer

Bereits in den letzten Wochen und Monaten ist im Umfeld sowie im Nationalteam selbst viel passiert. Beide Dimensionen, die interne und die externe, haben aber nicht nur in Unternehmen einen erheblichen Einfluss auf die Prozesse und den Erfolg von Teams, sondern auch im Fußball. Daher unterscheidet Jonas Puck bei seiner Analyse zwei Bereiche, nämlich Themen, die die österreichische Nationalmannschaft selbst (A) betreffen, und solche, die mit dem Umfeld der österreichischen National-Elf (B) zu tun haben.

Alaba, Schlager und Kalajdzic: wenn Leistungsträger ausfallen

Ralf Rangnick und Christoph Baumgartner
Austria's Christoph Baumgartner celebrates with Austria's head coach Ralf Rangnick after scoring his side's second goal during a Group D match between Poland and Austria at the Euro 2024 soccer tournament in Berlin, Germany, Friday, June 21, 2024.

Gemeinsam sind wir stark! Ralf Rangnick hat während der Euro 2024-Qualifikation aus den Einzelstars der österreichischen National-Elf ein echtes Team geformt. Er kennt die Stärken und Schwächen jedes einzelnen Spielers und vereint die Mannschaft für ein gemeinsames Ziel. Spitzenleistungen erfordern mehr als die Summe der Einzelleistungen – was es braucht, ist ein Umfeld, in dem sich die Stärken potenzieren. Was aber, wenn kurz vor dem wichtigen Turnier einige der Top-Start, der Leistungsträger der Mannschaft ausfallen?

Leadership-Learning: Wenn zentrale Spieler oder Schlüssel-Mitarbeiter ausfallen, schwächt das natürlich eine Mannschaft. Gleichzeitig kann es aber auch die Kohäsion innerhalb des Teams verbessern, weil alle näher zusammenrücken müssen. In einer derartigen Situation können sich auch bis dato unauffällige Mitarbeiter zu echten Leistungsträgern entwickeln. Ein guter Manager weiß das und begleitet diesen Prozess aktiv. Das Ergebnis: Ein Ausfall zentraler Leistungsträger erschüttert ein Team – wenn es ein guter Manager aber schafft die Steine wieder richtig zusammenzusetzen, kann so der Zusammenhalt in der Mannschaft gestärkt werden.

Ralf Rangnick entscheidet sich für Österreich

Das kam dann doch unerwartet: Nachdem er schon seit einigen Wochen in Fachmedien als möglicher Nachfolger von Thomas Tuchel gehandelt wurde, entschied sich Rangnick Anfang Mai 2024 dazu, nicht zum deutschen Rekordmeister FC-Bayern München zu wechseln, sondern Teamchef des österreichischen Nationalteams zu bleiben.

​Leadership-Learning: Ein wahrhaft starkes Statement, wenn das Team spürt, dass sich der Chef trotz attraktiver Angebote im Unternehmen bleibt. Diese besondere Art des Commitment schafft Vertrauen und Sicherheit und motiviert die Mitarbeiter zusätzlich, jeden Tag aufs Neue die extra Meile zu gehen und ihre Leistung zu verbessern.

Diversität als USP

Voneinander lernen ist auch im Fußball ein echtes Erfolgsrezept. Und in dieser Beziehung hat die österreichische National-Elf einiges zu bieten: zahlreiche Spieler spielen wie in den letzten Jahren in der deutschen Bundesliga, nun gibt es aber zahlreiche weitere Erfahrungen. Trauner spielt in den Niederlanden, Danso in der französischen Ligue 1, Arnautovic und Posch in der Serie A in Italien, Pentz in der dänischen Superliga, Lindner in der belgischen Ersten Division, Trauner in der niederländischen Eredivisie und nicht zuletzt Alaba in der spanischen Primera División.

Leadership-Learning: Die österreichische Nationalmannschaft profitiert enorm von der Erfahrung und den verschiedenen Spielstilen, die ihre Spieler aus den internationalen Ligen mitbringen. Dies führt nicht nur zu einem besseren Verständnis der Spielstile möglicher Gegner, sondern hilft auch dabei, kreative Lösungen zu finden und innovative Ansätze zu entwickeln. Ein Aspekt, der auch in Unternehmen einen echten Unterscheid machen kann.

Mit Niederlagen richtig umgehen

Ralf Rangnick hat es geschafft: Souverän hat er sich mit der österreichischen Nationalmannschaft für die EURO 24 qualifiziert. Die knappe Niederlage gegen Frankreich wurde weggesteckt, gegen Polen wurde ein souveräner Pflichtsieg errungen und gegen Oranje gelang die Sensation: Gruppensieg!

Leadership-Learning: Doch Rangnick weiß: Kein Grund, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen. Rangnicks Herangehensweise zeigt deutlich, dass sowohl Siege als auch Niederlagen wertvolle Lernchancen bieten. Erfolgreiche Führungskräfte analysieren deshalb nicht nur die Erfolge, sondern schaffen gleichzeitig auch eine Kultur, in der Fehler OK sind. Ganz nach dem Motto: Errungenschaften gemeinsam feiern, aber gleichzeitig Fehler nicht verteufeln, sondern sie aktiv als Lernchancen nutzen. So können sich alles verbessern und erfolgreicher werden – gemeinsam als Team!

Sturm Graz beendet die Dominanz von Red Bull Salzburg

In der abgelaufenen Saison hat der steirische Traditionsclub Sturm Graz nicht nur Red Bull Salzburg nach 10-jähriger Dominanz als österreichischer Fußball-Meister entthront, sondern mit dem Gewinn des ÖFB-Cups auch den Pokal geholt - und damit das erste Double der Vereinsgeschichte seit 25 Jahren gewonnen. Damit ist den Schwarz-Weißen etwas gelungen, womit zu Beginn der Saison nur wenige gerechnet hatten.

Leadership-Learning: Sich auf den ersten Blick übergroße Ziele zu stecken, ist nicht nur etwas für Träumer und Phantasten. Wer es schafft, mit Beständigkeit und harter Arbeit seine Leute zu begeistern, mit dem eigenen Elan mitzureißen und ihre Stärken zu fördern, wird erleben, wie alle im Team über ihre Grenzen hinausgehen und vermeintlich Unerreichbares möglich machen. Teamarbeit und Zusammenhalt machen’s möglich! Dies gilt im Nationalteam wie auch im Unternehmen.

Warum die Spieler von Red Bull Salzburg und Bayern München trotzdem Gewinner sein können

Wer oben ist, möchte auch oben bleiben. Zweiter sein ist keine Option, denn der zweite ist ja bekanntlich schon der erste Verlierer. Noch schlimmer wird es für erfolgsverwöhnte Teams, wie etwas Red Bull Salzburg oder den FC-Bayern München. Die Österreicher haben bis 2024 zehn Mal ununterbrochen den Meistertitel geholt. Die Bayern haben sogar noch Größeres geleistet: elf Mal deutscher Meister (bis 2024), 2019 Gewinner der UEFA-Champions League und des so seltenen „Sextuple“ durch den Gewinn aller möglichen Titel in einer Saison. Für beide Teams hat der Erfolg 2024 aber ein jähes Ende genommen: Sie sind in der abgelaufenen Saison völlig titellos geblieben.

Leadership-Learning: Was aber bedeutet ein solcher Misserfolg aus psychologischer Sicht? Und wie kann man trotzdem Kraft aus der Niederlage schöpfen? Akzeptanz heißt hier das Zauberwort. Misserfolge und Rückschläge gehören zum (Berufs-)Leben wie Wolken zum Himmel. Wer es schafft, so an die Dinge heranzugehen (und sich nicht zu sehr an den Misserfolgen zu reiben), hat bereits einen großen Schritt in eine erfolgreiche Zukunft geschafft: Zumindest in den Medien scheint es so, als hätten die Spieler von Bayern München und Red Bull Salzburg – mit Unterstützung ihrer Vereine - diese Saison gut verarbeitet. Es scheint sogar so, als wollten.

Über den Autor

Jonas Puck ist Professor für International Business an der WU Wien und akademischer Direktor des Executive MBA Energy Management der WU Executive Academy. Er ist Vice-Chair der European International Business Academy (EIBA), Mitglied in zahlreichen Herausgeberbeiräten führender internationaler Zeitschriften und Partner der Unternehmensberatung intior.

Gemeinsam mit seinem WU-Kollegen Jakob Müllner, der auch akademischer Direktor des Executive MBA Finance der WU Executive Academy ist, hat Jonas Puck die Forschungsinitiative Sport und Management (RISM - Research Initiative Sports and Management) am Institut für International Business der WU Wien gegründet. Die Initiative widmet sich der Durchführung, Verbreitung und Förderung von akademischer Forschung mit betriebswirtschaftlicher Relevanz im und über den Sport. Ziel ist es, die Interaktion zwischen Menschen aus Sport, Wissenschaft und Managementpraxis sowie den Austausch von Perspektiven und Ideen zu fördern.