Tschüss 40-Stunden-Woche
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. KMU, die bei Arbeitszeitmodellen mutige neue Wege gehen, profitieren von mehr Produktivität, zufriedeneren Mitarbeitenden und einer stärkeren Arbeitgeber*innenmarke.

Seit 50 Jahren prägt die 40-Stunden-Woche Österreichs Arbeitswelt – doch wie einst ihre Vorgängerin, die 45-Stunden-Woche, gerät sie zunehmend ins Wanken. Spätestens seit der Covid-Pandemie werden starre Modelle wie „9-to-5“, Anwesenheitspflicht und Top-Down Hierarchien erneut hinterfragt.
Warum die 40-Stunden-Woche überholt ist
In Zeiten zunehmender Digitalisierung und Globalisierung stehen KMU vor vielen Herausforderungen. Sicher ist, die Baby-Boomer rücken langsam ab, und die nachkommenden Generationen sind nicht gerade begeistert davon, sich in veraltete Strukturen einzuordnen. Die 40-Stunden Woche stammt immerhin aus dem Industriezeitalter – als Männer als Alleinverdiener galten und Frauen den Haushalt führten – ein Bild, das der heutigen Realität nicht mehr entspricht. Zudem laufen viele Prozesse heute schneller ab. Warum sollte die Arbeitszeit also nicht daran angepasst werden?
Vorteile für KMU
In Österreich fehlen tausende Arbeitskräfte, besonders in Handwerk, Pflege und Gastronomie. Flexiblere Arbeitszeiten könnten dabei helfen, neue Arbeitskräfte zu mobilisieren, wie Personen mit Betreuungspflichten, Weiterbildungsambitionen, oder junge Talente – ein großer Wettbewerbsvorteil. Sie haben außerdem das Potenzial, die Gesundheit und Zufriedenheit der Mitarbeitenden maßgeblich zu steigern (langfristig durchaus wirtschaftlich sinnvoll). Doch nicht nur das: Studien zeigen, dass kürzere Arbeitszeiten oft zu höherer Effizienz führen, da die verfügbare Zeit bewusster genutzt wird. Der Fokus verschiebt sich hierbei von „Zeit absitzen“ zu effizienterem, ergebnisorientiertem Arbeiten. Natürlich gilt: Nicht jedes Modell passt zu jeder Branche. Entscheidend ist, die internen Arbeitsprozesse klug zu gestalten und mit kreativen Lösungen und etwas Flexibilität auf die unterschiedlichen Lebensrealitäten und Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen zu können – zum Vorteil von Belegschaft und Unternehmen.
Neue Wege in der Arbeits(zeit)gestaltung
Doch die Anpassung an neue Bedingungen des Arbeitsmarktes endet nicht mit dem Herunterschrauben der Stundenanzahl. Wer die Chancen nutzen möchte, die „New Work“ bringt, muss Flexibilität auf allen Ebenen denken: Ortsunabhängigkeit, freie Zeiteinteilung, Förderung einer Unternehmenskultur, die autonomes, partizipatives und kreatives Arbeiten ermöglicht, sowie Organisationsstrukturen, die auf individuelle Bedürfnisse eingehen und Eigenverantwortung ermöglichen. Das alles kann loyale Arbeitskräfte anziehen, die motiviert sind, sich langfristig und innovativ für den Erfolg des eigenen Unternehmens zu bemühen.
Flexible Arbeitszeitmodelle im Überblick:
Manche Jobs bieten sich leichter für eine Reform der Arbeitsgestaltung an. Berufe mit direktem Kundenkontakt, etwa in Gastronomie oder Hotellerie, lassen sich nicht ins Home-Office verlagern. Dennoch gibt es Möglichkeiten, Alternativen zur 40-Stunden Woche anzubieten, wie Schichtenteilung/Jobsharing oder die 4-Tage Woche.
- 4-Tage Woche: Wochenarbeitszeit, oft leicht reduziert, verteilt auf vier Arbeitstage bei gleichem Lohnausgleich.
- Gleitzeit: Arbeitszeiten innerhalb eines festgelegten Rahmens frei wählbar.
- Schichtarbeit / Jobsharing: Flexible Schichten / Zwei oder mehrere Personen teilen sich eine Vollzeitstelle.
- Teilzeit: Fixe (z. B. 30-Stunden-Woche), variable oder Jahresarbeitszeit.
- Vertrauensarbeitszeit: Keine fixe Zeiterfassung, sondern Zielerreichung im Fokus.
- Homeoffice und Remote Work: Arbeiten von zu Hause oder unterwegs, kombinierbar mit anderen Modellen.
Was kann das alles für Formen annehmen?
Einige KMUs in Österreich experimentieren bereits mit der Vier-Tage-Woche. Darunter auch Bauunternehmen – um gesundheitliche Bedingungen zu verbessern (höhere Motivation und weniger Burn-out, Krankenstand und Arbeitsunfähigkeit) sowie Fachkräfte anzuziehen. Bei Projekten mit langen Anfahrtswegen ermöglichen Schichtmodelle längere Freizeitblöcke. Der steirische Installateur Kubica führte nach positiven Erfahrungen mit Aufträgen an Großbaustellen, die den Mitarbeiter*innen den fünften Tag frei gaben, die 4-Tage Woche auch im eigenen Unternehmen ein – 35 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich, wofür sich Geschäftsführer Martin Wasif gegenüber dem Magazin Kontrast aussprach – trotz gewisser Zusatzkosten aufgrund von größerer Belegschaft. Der Beruf sei ein körperlich anstrengender, die Mitarbeiter*innen würden viel leisten und das gehöre honoriert. Die Aufträge zu erfüllen ginge sich trotzdem aus, und die Bereitschaft, bei Bedarf auch freitags zu arbeiten, sei da. Ein Musterbeispiel zu Jobsharing bietet das Tiroler Unternehmen Gerätewerk Matrei, in dem zwei Frauen – Martina Erdtner und Romana Zimmermann – seit einiger Zeit gemeinsam die Personalabteilung leiten. Eine geteilte Vollzeitstelle also, mit separaten Dienstverträgen. Diese Beispiele zeigen, dass flexible Arbeitszeitmodelle in verschiedenen Branchen erfolgreich umgesetzt werden können.
Wie kann ein KMU den ersten Schritt machen?
Eine Umstellung auf kürzere oder flexiblere Arbeitszeiten muss nicht von heute auf morgen passieren. KMU können mit kleinen Pilotprojekten starten, um herauszufinden, welches Modell für sie funktioniert. Wichtig ist, sowohl die Bedürfnisse der Mitarbeitenden wie betriebliche Anforderungen zu berücksichtigen. Einen möglichen Startpunkt könnte eine anonyme Mitarbeitendenbefragung bilden. Die Studie „(Arbeits)ZEIT zu gestalten!“ der Friedrich-Ebert-Stiftung betont die Bedeutung einer gründlichen Analyse der aktuellen Arbeitszeitmodelle und der Zufriedenheit der Mitarbeitenden als ersten Schritt zur Umsetzung flexibler Arbeitszeiten, sowie regelmäßige Evaluationen und Feedback-Gespräche im laufenden Pilotprojekt. Nach einem definierten Zeitraum sollten Ergebnisse ausgewertet und das Modell ggf. angepasst werden. Ein Gespräch mit der Arbeiterkammer oder Wirtschaftskammer kann helfen, rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen abzuklären.
Maßgeschneiderte Lösungen
Zusammengefasst geht es bei Flexiblen Arbeitszeitmodellen nicht um Verallgemeinerungen sondern darum, das Potenzial auszuschöpfen, das dem eigenen Feld entspricht. Die 40-Stunden-Woche ist nicht zwingend die richtige Lösung für jedes Unternehmen. Die digitalisierte Welt kommt mit neuen Anforderungen, junge Menschen mit ausgeprägten digitalen Kompetenzen und für KMU bietet sich damit die Chance, durch flexible Arbeitszeitmodelle nicht nur als Arbeitgeber*in attraktiver zu werden, sondern auch die eigene Unternehmenskultur zukunftsorientiert zu gestalten.
Weiterführende Informationen:
New Work Forum
Beitrag über New Work im WKO Blog „Marie Mehr Wert“:
Jobsharing im Gerätewerk Matrei
Beitrag über den Installateurbetrieb Kubica
PwC Studie New Work – Die Zukunft der Arbeit in Österreich
„New Work: Das ist die neue Arbeitswelt”
Studie New Work: Chancen, Herausforderungen und Politikempfehlungen
Studie „(Arbeits)ZEIT zu gestalten!”
JobTwins