Tabuthema Wechseljahre
Unternehmen, die das Thema Wechseljahre ernst nehmen, investieren nicht nur in das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiterinnen, sondern auch in die Zukunftsfähigkeit ihrer Organisation.

Was uns heute absurd erscheint, war noch in den 1970er Jahren die Regel: Männer mussten offiziell zustimmen, wenn ihre Frauen einer Berufstätigkeit nachgehen wollten. Unterschwellig halten sich diese alten Denkmuster weiterhin. Ein Beispiel: Frauen begegnen Altersdiskriminierung oft deutlich früher und härter als ihre männlichen Kollegen. Mit Eintritt in die Wechseljahre verringern sich ihre Chancen auf beruflichen Aufstieg merklich. Während Männern mit zunehmendem Alter oft Eigenschaften wie Besonnenheit, Reife oder Führungsstärke zugeschrieben werden, erleben Frauen im gleichen Lebensabschnitt das Gegenteil. Emotionale Reaktionen werden als überzogen bewertet, sie gelten als unberechenbar oder schwierig. Fakt ist: Diese Wahrnehmung schadet nicht nur den betroffenen Frauen – sie kostet Unternehmen langfristig auch Geld.
Die Wechseljahre als Tabu
Die aktuelle Meno Support-Studie der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin zeigt deutlich: Fast jede zweite Frau in Deutschland und Österreich fühlt sich während der Wechseljahre am Arbeitsplatz unzureichend unterstützt oder schlichtweg überhört. Werden die Wechseljahre tabuisiert, entsteht ein Klima des Schweigens. Das hat gravierende Folgen: Erfahrene Mitarbeiterinnen reduzieren ihre Arbeitszeit, verlassen Unternehmen oder ziehen sich ganz aus dem Berufsleben zurück – ein großer Verlust von wertvollem Wissen und Expertise. Weltweit summieren sich die daraus resultierenden Produktivitätseinbußen auf rund 150 Milliarden US-Dollar jährlich. In Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels ist dies ein Verlust, den Unternehmen nicht mehr ignorieren können. Frauen ab 45 Jahren stellen aktuell die am stärksten wachsende Arbeitnehmergruppe dar – ein Potenzial, das Unternehmen stärker in den Blick nehmen sollten.
Das Schweigen brechen
Es liegt eine Chance darin, das Schweigen zu brechen und die Wechseljahre aktiv als wichtigen Teil einer lebensphasengerechten Unternehmensführung zu betrachten. Unternehmen, die das Thema bewusst aufgreifen, schaffen ein Arbeitsumfeld, in dem sich erfahrene Mitarbeiterinnen wertgeschätzt und verstanden fühlen. Das stärkt die emotionale Bindung ans Unternehmen und trägt dazu bei, dass Frauen auch in herausfordernden Lebensphasen im Berufsalltag präsent bleiben. Auch andere Mitarbeitende profitieren – zum Beispiel jene, die an Endometriose oder chronischen Erkrankungen leiden. Ein sensibler Umgang, flexible Arbeitsmodelle und eine wertschätzende Kommunikation helfen also der gesamten Belegschaft.
Es liegt eine Chance darin, das Schweigen zu brechen und die Wechseljahre aktiv als wichtigen Teil einer lebensphasengerechten Unternehmensführung zu betrachten.
Martina Eberhart
Was Unternehmen tun können
Workshops zur Information und Sensibilisierung können ein guter Einstieg ins Thema sein – nicht nur für HR und Führungskräfte, sondern für alle Mitarbeitenden. Auch gesundheitsfördernde Programme wie Sportkurse, Ernährungsberatung und psychologische Unterstützung können einen Unterschied machen. Maßnahmen wie flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Optionen oder eine durchdachte Arbeitsplatzgestaltung können Belastungen reduzieren und das Wohlbefinden sowie die Leistungsfähigkeit unterstützen. Der Einbezug von Arbeitsmediziner*innen, Organisationspsycholog*innen und auch des Betriebsrats schafft eine verbindliche Basis und klare Verantwortlichkeiten.
Wechseljahre sind kein individuelles Defizit, sondern Teil eines natürlichen Übergangs. Unternehmen, die das Thema ernst nehmen, investieren nicht nur in das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiterinnen, sondern auch in die Zukunftsfähigkeit ihrer Organisation. Der erste Schritt? Zuhören, lernen und gemeinsam gestalten – offen, mutig und ohne Scham.
Die Autorin

Martina Eberhart ist Psychotherapeutin und Coach. Ihr Ziel ist es, das „Tabuthema“ Wechseljahre zu brechen und Missverständnisse auszuräumen. Mit einem emotionsfokussierten Ansatz und dreißig Jahren Erfahrung im Bankwesen sensibilisiert sie Unternehmen für die Herausforderungen von Frauen in den Wechseljahren.