Never fuck the office

06.06.2019

Eines vorweg: Die Biologie ist nicht politisch korrekt und hat diesbezüglich auch keinen Anspruch. Gerade die Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung sind es ganz besonders nicht. Aber erst, wenn wir unsere größtenteils ererbten Verhaltensmuster erkennen, können wir uns von ihnen  lösen und an Stelle von Trieben ein von Vernunft bestimmtes Leben führen. Zumindest wünscht sich das der Evolutionsbiologe Gregor Fauma in seinem Gastbeitrag und erkärt, wie Frauen und Männer im Unternehmen um attraktive Kollegeinnen und Kollegen bulen. 

„Never fuck the office“ ist ein oft wiederholter Spruch. Aber ist da auch etwas dran? Welcher Mensch ist das, der diesen Wunsch äußert – und warum tut er das? Schauen wir uns gemeinsam mit einer Biologenbrille auf der Nase ein paar Sequenzen zwischen Manderl und Weiberl am Arbeitsplatz an, um die Frage letztendlich beantworten zu können. Befragt man die Geschlechter getrennt voneinander nach den Kriterien und deren Rangfolge für ihre Partnerwahl, so sind sie einander in vielen Kriterien ziemlich einig: Der Partner, die Partnerin soll gesund, verständnisvoll, freundlich, rücksichtsvoll, kinderfreundlich usw. sein. Es gibt aber auch Kriterien, in denen sie sich unterscheiden. So wünschen sich Männer attraktive und sexy Frauen bereits an vierter, fünfter Stelle ihres Rankings – und die Frauen hingegen setzen den Status des Manns in der Gesellschaft an die dritte Stelle (Buss, 1991). Und dieser Unterschied treibt Frauen und Männer in brutal unterschiedliche Verhaltensstrategien – und beweist, dass die Gründe im unterschiedlichen hohen Investment in die Nachkommen liegen (Trivers, 1972). Männer suchen folglich attraktive Frauen, die für gesunden Nachwuchs sorgen, und Frauen suchen Männer, die nachhaltiges Investment garantieren können. Und so sieht das im Alltag aus:

Szenario 1:

Ein neuer Mitarbeiter wird dem Team vorgestellt. Er sieht verdammt gut aus, bringt alle erforderlichen Skills mit und scheint für das Unternehmen ein echter Coup am Transfermarkt zu sein. Wie reagieren die Frauen im Unternehmen? Es startet die Interfemale Competition, und die beginnt in der Regel damit, dass sich die Frauen gemeinsam und konspirativ über den Neuen den Mund zerreißen. „So gut wie der aussieht ist er sicher schwul …“ gehört da bestimmt dazu. Eine jede versucht, der anderen den Prinzen auszureden – um damit ihre eigenen Chancen zu erhöhen! „Brauchst gar nicht erst probieren – der hat sicher irgendein Modell als Freundin …“ wäre so eine Variante.

Die Evolutionsbiologin und Verhaltensforscherin Joyce Benenson (Harvard) postuliert, dass bereits die kleinsten Mädchen im Wettstreit Verhaltensstrategien an den Tag legen, welche die Gefahren durch Vergeltung durch andere Mädchen reduzieren und zusätzlich die Stärken der anderen Mädchen schwächen. Sie vermeiden dabei, einander in die Quere zu kommen und verbergen den Wettstreit. Offene Auseinandersetzungen kommen nur von Mädchen mit hohem Rang, und diese sorgen für Ruhe durch Gleichheit in der Gruppe – und wer ausschert wird sozial sofort isoliert.

Auf die Situation 1 übertragen heißt das: Die interessierte Frau sollte vor den anderen Frauen natürlich kein Interesse am Mann zeigen! Und gleichzeitig den anderen Frauen darstellen, warum der als Mann eigentlich uninteressant ist. Dabei lotet sie gleichzeitig aus, wer eine echte Konkurrentin sein könnte. Die Konkurrentin wird dann durch das gezielte Absetzen von Gerüchten, die die Gegnerin für den Mann uninteressant machen, sozial isoliert. Und soziale Isolation ist für das weibliche Geschlecht evolutionär betrachtet die absolute Höchststrafe, noch dazu meist irreversibel. Denn evolutionär konnten sich Frauen ausschließlich durch ganz enges Zusammenrücken und Zusammenhalten vor den körperlich überlegenen und testosteronaggressiven Männern schützen. Wer aus diesem Frauen-Bund durch das Brechen impliziter Regeln ausgestoßen wurde, war auf ziemlich verlorenem Posten. Das wirkt bis heute. Im Büro „müssen“ die Frauen ihren Zusammenhalt demonstrieren – geflirtet darf nur heimlich werden. Wehe, es kommt eine drauf …!

Und trotzdem setzt in Folge ein Wettbewerb der Attraktivität ein. Das schmuckere Kostümchen, die höheren Schuhe, ein neues Parfum, die Haare ein wenig dramatischer als sonst … stets kontrolliert und kommentiert von den anderen Frauen im Büro, stets mit irgendwelchen fadenscheinigen Ausreden gerechtfertigt.

Szenario 2:

Eine neue Mitarbeiterin wird dem Team vorgestellt. Sie ist jung, sieht gut aus und steht auf der Karriereleiter nicht sehr weit oben. Wie reagieren nun die Männer? Sie treten in Wettbewerb, ohne es zu auffällig werden zu lassen, und geben sich vorerst sportlich. Sie plustern sich ein wenig auf, machen sich größer, lachen lauter und häufiger und versuchen durch Witze und Kommentare zu anderen Männern, indirekt vor dieser Frau auf sich aufmerksam zu machen. Ganz beiläufig beginnen sie über Aspekte ihres Lebens zu sprechen, die ihren Rang und Status demonstrieren sollen. Verfügen sie zusätzlich über entsprechende Statussymbole, werden diese wie zufällig präsentiert. Aber wie auch bei den Frauen, gibt es keinen offenen Wettbewerb. Beide Geschlechter scheinen einen offenen Wettbewerb auf das Tunlichste vermeiden zu wollen. Während bei der Frau soziale Exklusion das Risiko darstellt, ist es bei den Männern die Angst vor der Niederlage. Männer hassen Niederlagen vor anderen Männern – sie bedeuten stets einen Start-Nachteil bei der nächsten Konfrontation. Denn Verlierer gehen mit einem geringeren Testosteron-Level in die nächste Konfrontation, Sieger mit einem höheren. Daher rühren auch Formulierungen wie „die Straße der Sieger“ oder „sich von Niederlage zu Niederlage hanteln“.

Wer den höchsten Testosteron-Level in der seiner Männertruppe hat, gewinnt auch noch auf einer ganz subtilen Ebene: Aus Testosteron machen die Bakterien auf der Haut Androstenon – und dieses schickt die Mitbewerber olfaktorisch und in Folge ebenso hormonell zurück ins Welpenstadium. Zuviel Androstenon im Raum macht die anderen Männer kooperativer! Sie meiden dadurch tendenziell den Wettbewerb und unterstützen den „Chef“, sie geben sich geschlagen. Autorität kann man riechen, wenn auch nur unbewusst!

Geflirtet wird also immer heimlich. Einem trockenen „Wir sollten einmal nach der Hacke auf einen Kaffee gehen …“ folgen möglicherweise viele SMS, Emails und heimliche Anrufe. Hoffentlich bekommen die anderen nichts mit.

Wie ist das Risiko einer üblen Nachrede verteilt? Prinzipiell verliert die Frau immer. Wird sie beim Flirten von Kolleginnen ertappt, schmeißt sie sich entweder dem Typen an den Hals, will sich hochschlafen oder ist einfach nur eine Bitch der übelsten Sorte. Für die Männer wird sie durch ihren Flirt mit dem Neuen natürlich komplett uninteressant. Die Dolme fühlen sich in ihrer Einzigartigkeit natürlich verletzt. Trägt der anbaggernde Mann ein Risiko? Er möchte nicht öffentlich einen Korb bekommen. Daher darf er nie ernstes Interesse an dem Flirt zeigen! Er muss sein Interesse immer herunterspielen, es als Spiel und Jux vor den anderen Jungs darstellen, sonst wird sein Einsatz zu hoch.

In Summe ist das für beide Grund genug, den Flirt außerhalb des Arbeitsplatzes eskalieren zu lassen. Kommt dann eine öffentliche Beziehung zu Stande, so hat in der Regel die rangniederere Person die üble Nachrede, egal welchen Geschlechts.

„Never fuck the office“ scheint daher ein Wunsch der Geschäftsführung oder Eigentümer zu sein, so sie ein in erster Linie von Frauen gestütztes Unternehmen führen. Ein sexuell attraktiver Mann würde zu viele weibliche Ressourcen binden. In einem von Männern gestützten Unternehmen sorgt eine attraktive Frau hingegen für noch stärkeren Kampf um Status – und erhöht obendrein die Bereitschaft zur Kooperation. Das müsste man fast als politisch unkorrekte Empfehlung aussprechen.

 

 

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