Mit Technik aus der Klemme
So, wie es bis jetzt gelaufen ist, kann es definitiv nicht weitergehen. Ungebremster Raubbau an der Natur durch immer mehr Menschen zerstört die Natur und damit unsere Lebensgrundlage auf dem Planeten. Fraglos muss sich also das Verhalten der Menschen verändern. Doch ob der Wandel im Mindset ausreichend vieler Menschen wirklich schnell genug kommt oder ob dieser politisch verordnet werden kann, ist mehr als fraglich. Technik hat uns in diese Lage gebracht, vielleicht bringt sie uns ja auch wieder hinaus. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf tüfteln Wissenschaftler teils seit Jahrzehnten an Möglichkeiten, um Klimagase einzufangen und die Erderwärmung aufzuhalten.
Die Krux dabei: Manche der Methoden greifen massiv in die Natur ein. Welche Auswirkungen und Folgen sie haben könnten, ist teilweise schwer abzusehen und bislang noch wenig erforscht. Unklar ist vielfach auch, ob manche Maßnahmen überhaupt realisierbar sind. Doch vielleicht kann der eine oder andere Ansatz zumindest einen Puzzlestein zur Lösung beitragen.
Technische Ansätze im Überblick
Sonnenstrahlen blocken
Aus der Vergangenheit wissen wir, dass nach Vulkanausbrüchen die Temperatur in ganzen Regionen deutlich sinken kann. Grund dafür sind Schwefelpartikel, die beim Ausbruch in die Atmosphäre gelangen, wodurch weniger Sonnenlicht auf der Erdoberfläche ankommt. Dieses Prinzip könnte künstlich imitiert werden. Das Problem dabei liegt darin, dass dafür enorme Schwefelmengen benötigt würden, die laufend in die Stratosphäre befördert werden müssten. Zudem schadet Schwefel der Ozonschicht. Womöglich könnte das Prinzip allerdings unter Einsatz anderer Ausgangsstoffe gelingen. Forscher prüfen darüber hinaus die Möglichkeiten, denselben Effekt durch das Aufspannen von Sonnensegeln oder Sonnenreflektoren im All zu erreichen. In eine ähnliche Richtung gehen Ansätze, die Sonnenstrahlen von der Erde aus reflektieren wollen, indem ganze Städte weiß gestrichen werden, oder indem Reflektoren in Wüsten oder auf der Meeresoberfläche zum Einsatz kommen.
Treibhausgase rausfiltern
Um den Anstieg der Temperatur aufzuhalten, sollten nicht nur keine zusätzlichen Treibhausgase emittiert werden, im Idealfall werden die bereits vorhandenen der Atmosphäre auch entzogen. Technisch ist das machbar. Einerseits kann das CO2 direkt bei industriellen Prozessen wie der Zementherstellung oder der Stahlproduktion abgeschieden werden, riesige Filteranlagen können schädliche Klimagase aber auch einfach aus der Luft filtern. Danach können sie in der Erde oder im Ozean eingelagert werden oder sogar zu Treibstoffen weiterverarbeitet werden. Eine zentrale Herausforderung liegt aktuell darin, dass diese Prozesse ebenfalls energieintensiv sind. Durch den massiven Einsatz von erneuerbaren Energiequellen könnte das Prinzip allerdings auch im großen Maßstab funktionieren.
Verwitterung nachahmen
In der Natur entfernen verschiedene Gesteinsarten in Kombination mit Wasser CO2 aus der Atmosphäre und binden es dauerhaft. Dieser Effekt wird bereits genutzt, um saure Böden zu bearbeiten und um Felder zu düngen. Gleichzeitig macht Kalk oder Basaltgestein den Boden fruchtbarer. Gestein könnte also auf Felder und in Ozeane ausgebracht werden. Allerdings könnten die Böden dadurch mit Schwermetallen belastet werden. Zudem wäre der Aufwand immens: Die benötigte Gesteinsmenge pro Jahr entspricht in etwa der Größenordnung eines Berges, den man kleinraspeln müsste. Auch das Gestein zu verteilen würde eine Kraftanstrengung bedeuten. Eine Option könnte allerdings sein, dafür die Infrastruktur der Kohleindustrie zu nutzen.
Welchen Beitrag Technik und Innovation leisten können? Standpunkte zu Stichworten aus Industrie und Wissenschaft
Dieter Drexel, Experte für Klima, Infrastruktur, Transport, Ressourcen & Energie bei der Industriellenvereinigung.
Verzicht: Wir glauben nicht, dass Verzicht die alleinige Lösung für die Klimawende sein kann. Schlicht, weil diese Philosophie bei uns keine ausreichende Akzeptanz findet. Zudem gibt es global Milliarden von Menschen, die weit von unserem Wohlstandsniveau entfernt sind und der Idee noch weniger abgewinnen können.
Verantwortung: Wir müssen die Transformation des Energiesystems und den Klimawandel sehr ernst nehmen und prüfen, wie man Abläufe, Prozesse und unsere Mobilität anders organisieren kann. Dafür benötigen wir Innovation. Sie ist der Schlüssel zu einem nachhaltigen Energiesystem.
Durch Innovation können wird den Klimawandel aufhalten! Davon bin ich überzeugt.
Technische Möglichkeiten: Wir müssen Lösungen entwickeln, um Effizienzen zu steigern, klimaneutral Energie zu produzieren und um fossile Emissionen zu reduzieren. Hier entwickeln sich gerade praktikable Methoden wie Carbon Capture Storage and Use. Zudem liegt im Bereich der Geothermie noch sehr großes Potenzial. Aber auch in der Landwirtschaft und der Abfallwirtschaft benötigen wir innovative Lösungen, um Klimagase zu reduzieren.
Herausforderungen: Ganz wesentlich für die Nutzung erneuerbarer Energiequellen ist die Frage: Wie kann die Energie transportiert werden? Dazu bietet sich Wasserstoff an. Allerdings gibt es für Wissenschaft und Industrie in dem Bereich noch viel zu tun, um die Effizienz zu erhöhen. Hier kann Europa eine ganz wesentliche Rolle spielen. Einen wichtigen Beitrag zum Klimawandel wird sicher auch die weitere Entwicklung der Batterietechnologien leisten. Dass sich die EU so auf Elektromobilität einschießt, ist aus meiner Sicht allerdings ein Fehler. Technologieoffenheit wäre besser. Die Politik soll Ziele vorgeben, aber nicht die technischen Lösungen vorschreiben.
Wir werden nicht die eine Zukunftstechnologie haben, sondern verschiedene Technologien nutzen.
Mindset: Nachhaltigkeit ist ein hoher Wert in Österreich. Sie ist der geistige Nährboden für eine unglaubliche Zahl an hochinnovativen Unternehmen. Ihre Lösungen sind es, die wir über die Landesgrenzen hinaus tragen können. Damit wir die Kurve nachhaltig kratzen.
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Wilfried Sihn, TU-Professor und Geschäftsführer von Fraunhofer Austria
Verzicht: Ich glaube nicht, dass die Menschheit ihr Verhalten ändern wird und wir so den großen Sprung schaffen, den wir brauchen. Das heißt nicht, dass wir nichts tun müssen. Jeder muss etwas tun. Aber mit Einschränkungen im persönlichen Umfeld werden sich die Erfolge in Grenzen halten.
Innovation: Wir müssen die Chance nützen, Technologien zu entwickeln und sie intelligent zu nützen. Teilweise sind sie sogar bereits vorhanden oder in der Entwicklung. Denken wir zum Beispiel an Wasserstoff. Der Weg, den wir gehen müssen, ist, über Technologien dafür zu sorgen, dass wir wirklich klimaneutral werden.
Politische Vorgaben: Was mir bei den politischen Maßnahmen fehlt, ist der Blick auf unsere Arbeitsplätze. Die deutsche Autoindustrie wird beispielsweise gerade vom Gesetzgeber an den Rand des Ruins getrieben. Da fehlt mir das Fingerspitzengefühl. Denn wir werden auch weiterhin Arbeitsplätze in Europa benötigen.
Durchbruchstechnologien: Ich glaube fest an die Innovationskraft der Start-up-Szene. Sie entwickelt richtig gute Ideen. Gerade erst hat ein Start-up aus Oberösterreich einen neuen Wasserstoffspeicher entwickeln, da die Speicherung wirklich schwierig und teuer ist. Entsprechende Lösungen aus verschiedenen Bereichen, die im Labor funktionieren, müssen jetzt marktreif gemacht werden. An tollen Ideen mangelt es wirklich nicht.
Förderungen: Die Budgets, die von der Politik bekannt gegeben wurden, sind ganz okay. Aber oft dauert es zu lange und ist zu schwierig, wirklich an das Geld ranzukommen. Vor allem kleinere Unternehmen tun sich sehr schwer, einen Überblick über die Förderungen zu behalten und auch wirklich welche abzuholen.
Zuversicht: Ich bin nicht zuversichtlich, und zwar aus folgendem Grund. Industrie und Wissenschaft arbeiten zwar massiv an Lösungen und sie werden welche finden. Doch wir reden immer nur von Europa. Die Asiaten und die Amerikaner lachen sich tot über uns. Denn wir graben uns selber das Wasser ab. Europäische Gesetze führen dazu, dass Unternehmen abwandern und dann ihre Produktionen woanders hochziehen. Dadurch werden viele Entwicklungen woanders stattfinden. Wir werden Wohlstand verlieren. Und unsere Weltmarktposition wird immer schlechter.