Exoskelette

Mehr Kraft und Produktivität

Arbeitsbehelfe
29.02.2024

Im Handwerk, Bau und Gewerbe sind die Belastungen für den Körper hoch. Egal ober man über den Kopf arbeitet oder schwere Lasten heben oder tragen muss. Durch die Anstrengung entstehen Muskel-Skelett-Beschwerden. Eine Abhilfe können Exoskelette schaffen.
David Duwe
David Duwe, Vice President Suitx by Ottobock Europe

Beinahe zwei Millionen Österreicher*innen ab 15 Jahren sind von Rückenschmerzen betroffen, das fand die repräsentative Gesundheitsbefragung der Statistik Austria heraus. Je älter eine Personen wird, umso höher der Anteil jener Menschen, die Probleme mit ihrem Kreuz haben. Bei Personen der Gruppe 60+ sind es gar 38,4 Prozent. Viele dieser Gebrechen entstehen in der Arbeitswelt. Besonders Berufe in Handwerk, Bau und Gewerbe sind oftmals äußerst anstrengend und verlangen dem Körper viel ab, manchmal zu viel. Heben, Tragen, Stapeln oder auch das gebeugte Sitzen bei Löt-Tätigkeiten, all das kann sich mit der Zeit bemerkbar machen und chronische Gesundheitsprobleme verursachen.

Körperkraft nutzen

Eine Lösung zur Entlastung des Körpers können Exoskelette sein, die dafür sorgen sollen, Muskel-Skelett-Verletzungen vorzubeugen. Außerdem können durch diese Stützstruktur die Ausdauer und Produktivität von Mitarbeiter*innen erhöht werden. Die Idee mit Exoskeletten den menschlichen Körper zu entlasten, gibt es schon lange, doch Marktreife erlangte das Stützinstrument erst im 21. Jahrhundert, da davor die begrenzten technischen Möglichkeiten eine Umsetzung erschwerten.
Bei Exoskeletten kann man zwischen zwei Typen unterscheiden: Aktive Skelette werden durch elektrische oder pneumatische Antriebe betrieben und benötigen eine externe Energieversorgung, wie zum Beispiel Batterien. Biomechanische (passive) Exoskelette hingegen setzen auf die Kräfte des Körpers der anwendenden Person. Die Kräfte des Körpers werden umgeleitet und die Energie zwischengespeichert. 
Ottobock aus Duderstadt in Niedersachsen, eines der führenden weltweiten Unternehmen im Bereich Prothetik, bietet unter dem Markennamen ‚Suitx by Ottobock‘ Exoskelette an. „Das CX Soft Back ist eine Rückenbandage, die eine ergonomische Haltung bei Hebe-, Halte- und Stehtätigkeiten fördert, ohne dabei die Bewegungsfreiheit einzuschränken“ sagt David Duwe, Vice President von Suitx Europe im Gespräch mit Die Wirtschaft. Die Entwicklung der Produkte passiert gemeinsam mit den Kunden. Um Nachweise für die Wirksamkeit und den Nutzen von Exoskeletten zu erbringen, setzt man bei Ottobock auf Sensorik und künstliche Intelligenz (KI). „Hierfür haben wir das das sogenannte „Bionic Analytics“-Verfahren entwickelt. Mit Hilfe von drei Mess-Sensoren werden Arbeitsprozesse der Mitarbeitenden sowohl mit als auch ohne Exoskelett täglich für bis zu acht Stunden über einen Zeitraum von mehreren Wochen exakt analysiert“, so Duwe. Danach werden die Daten in anonymisierter Form durch die ausgewertet und die Anwender*innen einer qualitativen Befragung unterzogen.

Arbeiter mit Exoskelett

Exoskelette Made in Austria

Ein etwas kleineres Unternehmen ist die 2018 gegründete Exomys – Augmented Humanity mit Sitz in Wien. Bei den Produkten im Sortiment setzt man ausschließlich auf die passive Variante. So bietet Exomys mit dem Atlas-System ein Exoskelett an, dass das Tragen von schweren Gewichten von A nach B erleichtern soll. Die (Weiter-)Entwicklung von Produkten findet hauptsächlich im eigenen Haus statt. „Wir haben aber auch viele Kooperationen mit Unternehmen aus den Bereichen Logistik, Industrie und der Produktion, die die Tests der Exoskelette durchführen. Uns ist das direkte Feedback der Anwender:innen sehr wichtig“, sagt John Bernhardt, CTO von Exomys. 
Die Produktion der Exoskelette findet exklusiv in Deutschland und Österreich statt. Außerdem sieht man bei Exomys ein Recht auf die Reparatur der Produkte und achtet auf die ökologische Sinnhaftigkeit, wie Bernhardt betont. Das zweite System, das vom Wiener-Unternehmen angeboten wird, trägt den Namen Herkules-System. Ein Bauchgurt, der vorne und hinten verstärkt ist und den Rücken unterstützt. Das Produkt wird von den Kund*innen gut angenommen, wie Bernhardt erzählt und er weiß, was ein zentrales Problem beim Verkauf von Exoskeletten ist: „Der größte Konkurrent ist nicht eine andere Firma, ist der eigene Verstand“, so der CTO und meint damit die Akzeptanz der Produkte. Viele potenzielle Anwender*innen sehen zu wenig Vorteile im Tragen von Exoskeletten und auch das Design schreckt manche ab. „Wir haben ein Re-Branding unserer Farben gemacht. Daher wirkt das Herkules-System jetzt moderner und sportlicher. Damit stieg die Akzeptanz erheblich. Die Außenwirkung auf Nutzer*innen ist sehr wichtig“ so Bernhardt. 
Auch beim Atlas-System, legt man bei Exomys nicht nur Wert auf die Funktionalität, sondern man behält das Optische dabei im Blick. „Unser Atlas-System sieht ein bisschen wie ein Rucksack und ein Sportsitz aus. Wir haben extra Elemente eingebaut, die nur den Zweck haben, dass das Produkt dieser Optik entspricht und die Leute wissen, wie es anzuziehen ist“, sagt Bernhardt. Neben der Optik spielt die Anwenderfreundlichkeit eine wichtige Rolle. Denn ein Exoskelett sollte einfach angelegt und bedient werden können. „Drei, vier Einstellungsmöglichkeiten sind bereits genug“, so Bernhardt.

Exoskelett im Einsatz
Das Exoskelett IX Shoulder Air hilft bei anstrengenden Überschulter-Arbeiten.

Handwerksbetriebe zeigen Interesse

Egal ob beim Ausladen von Containern, bei Maler- und Elektrikerarbeiten an der Decke oder sogar bei langen Operationen, um Chirurg*innen zu unterstützen, Exoskelette werden zukünftig in noch mehr Bereichen eingesetzt werden, davon ist man beim Suitx überzeugt. „Solche körperlich anstrengenden Tätigkeiten lassen sich mit Exoskeletten komfortabler ausführen“, betont Duwe. Die Entlastung der Muskeln in der Arbeit kann auch für die Freizeit nach der Arbeit positive Effekte mitbringen. „Da Muskeln und Gelenke weniger belastet sind, fühlen sich die Nutzer*innen häufig abends nicht mehr so erschöpft“ so Duwe. 
Den Markt für industrielle Exoskelette sieht man bei Suitx kontinuierlich wachsen. „Aber auch Handwerksbetriebe, die ihre Mitarbeiter*innen gesund halten möchten, zeigen immer mehr Interesse“ sagt Duwe. Und auch bei Exomys in Wien beschäftigt man sich mit der Zukunft, verbessert die aktuellen Produkte und ist mit der Entwicklung eines neuen Exoskelett beschäftigt, das in absehbarer Zeit das Sortiment ergänzen wird. „Das neue Produkt wird beim richtigen Heben unterstützen. Beispielsweise kann ein Anwendungszweck das Schlichten von einer Palette auf eine andere sein“, so CTO Bernhardt.  
Exoskelette allein können natürlich nicht die Rückenschmerzen von zwei Millionen Österreicher*innen so einfach verschwinden lassen, aber sie können dazu beitragen, dass weniger Personen durch belastende Tätigkeiten im Beruf Muskel-Skelett-Verletzungen erleiden, und das hilft Anwender*innen und Unternehmen. Denn weniger Krankenstände und eine höhere Produktivität bringen für alle Vorteile.

Das Exoskelett IX Back Air
Das Exoskelett IX Back Air vermindert die Belastung des unteren Rückens.