Interview
Digitale Levels meistern
Vor welche Herausforderungen stellt die digitale Transformation etablierte österreichische Unternehmen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Institute for Digital Transformation and Strategy (IDS) der FHWien der WKW. In den letzten Jahren wurden dazu qualitative Interviews mit Eigentümern und Geschäftsführern von heimischen KMU unterschiedlicher Branchen geführt. Das von der Stadt Wien (MA 23) geförderte Forschungsprojekt läuft bis März 2025. Dr. Sebastian Eschenbach und Projektleiterin Dr. Ann-Christine Schulz informieren über erste Ergebnisse.
Wie schätzen die österreichischen Unternehmen ihre Entwicklung ein?
Eschenbach: Die Mehrheit der befragten Unternehmer sieht mittelfristig eine Bedrohung für ihre aktuellen Geschäftsmodelle. Kundenbedürfnisse und Marktstrukturen verändern sich mitunter rasant. Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, stehen daher unter Druck, Veränderungsprozesse einzuleiten und gleichzeitig Effizienz im bestehenden Geschäft zu gewährleisten. Dies gilt für Unternehmen aller Größen und Branchen. Im Rahmen unserer Forschungsstudien haben wir ausführliche Interviews mit KMU geführt, die das Rückgrat der heimischen Wirtschaft bilden.
Sind die österreichischen Unternehmen zu wenig digitalaffin?
Schulz: Obwohl die Unternehmer grundsätzlich offen für digitale Technologien sind, beschränkt sich ihr Einsatz bisher hauptsächlich auf die Unterstützung bestehender Prozesse in Marketing und Vertrieb sowie der Administration, etwa in Rechnungwesen oder Personalverwaltung.
Werden Vorteile von digitalen Technologien nicht erkannt?
Eschenbach: Die untersuchten Unternehmen verfolgen größtenteils eine Nischenstrategie und konzentrieren sich auf spezifische Teilsegmente des Marktes. Sie zeigen bisher wenig Interesse an neuen Wertschöpfungsnetzen und Business-Ökosystemen, die durch digitale Handelsplattformen entstehen. Die Übertragung bestehender Geschäftsmodelle auf eine Netzwerk-Logik erfordert grundlegende Veränderungen und wird von den Unternehmern als herausfordernd angesehen. Der direkte persönliche Kontakt zu den Kunden und Nutzern ihrer Produkte und Dienstleistungen ist ein entscheidender Vorteil für diese Unternehmen. Sie können schnell und flexibel auf Kundenbedürfnisse reagieren, was ihnen im Vergleich zu größeren Wettbewerbern einen Vorteil verschafft. Dieser einseitige Fokus kann jedoch dazu führen, dass strategische Potenziale digitaler Technologien übersehen werden.
Was wäre für die Unternehmen eine Lösung?
Schulz: Unternehmen sollten „beidhändig“ agieren und Lernprozesse hinsichtlich Effizienz und Innovation kultivieren. Dieses Vorgehen nennt man „organisationale Ambidextrie“. Eine Möglichkeit, einen stärkeren Fokus auf Innovationen zu setzen, besteht in der Bildung von Kooperationen mit Start-ups, Forschungseinrichtungen und Hochschulen. Durch solche Partnerschaften können Unternehmen von externem Know-how und neuen Perspektiven profitieren und Innovationen proaktiv vorantreiben.
Vielen Dank für das Gespräch.
FH-Prof. Dr. Dr. Sebastian Eschenbach, Head of Department of Digital Economy, FH Wien der WKW
FH-Prof.in Dr.in Ann-Christine Schulz, Strategy Coordinator Project Leader MA23-Project „Organizational Ambidexterity in SMEs“