Finanzierung
Die Masse macht’s
666 Prozent, 800 Prozent und sogar 1133 Prozent: Das sind die Fundinglevels, die einige der jüngst abgeschlossenen Crowdfunding-Projekte auf der Plattform Green Rocket erreicht haben. Das heißt, dass die ursprünglich gesetzten Fundingziele jeweils um ein Vielfaches überschritten wurden. Ähnlich sieht es auch bei den beiden Schwester-Plattformen aus: bei Home Rocket, wo es um die Finanzierung von Immobilienprojekten geht, und Lion Rocket, einer Plattform mit Investitionsmöglichkeiten in etablierte Unternehmen.
Green Rocket war die erste der drei Crowdfunding-Plattformen der Grazer Gründer und Unternehmer Wolfgang Deutschmann und Peter Garber-Schmidt – und auch die erste Crowdfunding-Plattform für nachhaltige Start-ups und Unternehmen in Österreich. Damals, 2013, waren Deutschmann und Garber-Schmidt gerade einmal Anfang 20. Die besten Freunde, die zusammen die HTL besucht haben, hatten aber zu diesem Zeitpunkt schon drei Jahre Erfahrung als Unternehmer: Noch während der Schulzeit, in den Ferien zwischen der vierten und fünften Klasse, gründeten sie ein Dienstleistungsunternehmen im Bereich Erneuerbare Energien. Den „letzten Push“ zum mutigen Schritt, in so jungen Jahren zu gründen, hat ihnen der Austausch mit dem Unternehmer Johannes Fürpass, Geschäftsführer der Terra-Mix Bodenstabilisierungs GmbH, gegeben, der auch Gesellschafter von Rockets ist. Wolfgang Deutschmann erzählt: „Er hat uns Mut gemacht und uns gesagt, dass man im Leben auf nichts warten darf, sondern die Dinge selbst anpacken muss.“
Nachhaltige Projekte bis KMU
Echter Erfolg stellte sich aber erst mit den Crowdfunding-Plattformen ein, die mittlerweile in der Rockets Holding zusammengefasst sind. Während sich Deutschmann und Garber-Schmidt im Jahr nach der Gründung noch alleine um den Aufbau des Unternehmens kümmerten, beschäftigen sie heute 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mittlerweile können die Rockets auf zirka 230 erfolgreiche Finanzierungen verweisen – etwa 70 davon wurden 2021 abgeschlossen, und für 2022 erwarten sie etwa 90 Projekte. Die Crowd investierte seit der Gründung vor neun Jahren insgesamt 127 Millionen Euro. 35 Millionen Euro des investierten Kapitals wurden bereits wieder ausbezahlt.
Über die Plattform Green Rockets finanzieren vor allem Start-ups ihre nachhaltigen Innovationsprojekte und -produkte. Zum Beispiel die Firma Aviloo: Sie entwickelte einen unabhängigen und herstellerübergreifenden Batterietest für gebrauchte Elektrofahrzeuge und erhielt dafür 1,25 Millionen Euro Investment von der Crowd. Oder das Unternehmen Nourivit Technologies: Es bietet Landwirten eine nachhaltige und toxikologisch unbedenkliche Alternative zu chemisch-synthetischen Pflanzenschutz- und Düngemitteln an und konnte 600.000 Euro über Crowdfunding an Land ziehen.
Standortausbau bis Internationalisierung
Crowdfunding ist nicht nur für Start-ups, sondern auch für etablierte KMU eine spannende Möglichkeit, um an Investitionskapital zu gelangen. Für diese Zielgruppe haben Wolfgang Deutschmann und Peter Garber-Schmidt 2016 Lion Rockets gegründet. Einige Beispiele bisheriger Projekte: Der aus der Steiermark stammende Onlinehändler niceshops holte sich über Lion Rocket mehr als 810.000 Euro Investitionsgeld für den Ausbau des Standortes in Saaz. Die Distillery Krauss konnte mit mehr als 460.000 Euro Crowdfunding-Kapital wichtige Expansionsschritte finanzieren. Und der Fleischereibetrieb Schirnhofer wollte – nach der Insolvenz wegen der Zielpunkt-Pleite im Jahr 2015 – über Lion Rocket 100.000 Euro an Investitionen an Land ziehen, erreichte aber mehr als viermal so viel. Daraufhin schloss er ein zweites Crowdfunding an, bei dem wieder rund 430.000 Euro zusammenkamen.
Wolfgang Deutschmann erklärt die Beweggründe aus Sicht vieler KMU: „Für KMU ist Crowdfunding meist eine Alternative oder eine Ergänzung zur Bankfinanzierung.“ Wenn beispielsweise ein KMU einen neuen Standort bauen oder die Internationalisierung vorantreiben will, aber die Bank 50 Prozent Eigenmittel verlangt, das Unternehmen aber nur 20 Prozent hat, könne es sich die fehlenden 30 Prozent des Eigenmittelbedarfs über Crowdfunding finanzieren. Peter Garber-Schmidt klärt an dieser Stelle über eine immer wieder gehörte Befürchtung auf: „Es ist ein Trugschluss, dass wir mit Crowdfunding die Banken ablösen wollen. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn den Unternehmen die nötigen Eigenmittel fehlen, sind wir oft erst die Ermöglicher der Bankenfinanzierung.“ Und Wolfgang Deutschmann räumt mit falschen Hoffnungen auf: „Die Unternehmen, die bei der Bank abblitzen, blitzen auch bei uns ab.“
Für KMU ist Crowdfunding
eine Ergänzung zur Bankfinanzierung.
Erfolg nach strenger Prüfung
Nicht jedes Projekt schafft es folglich auf eine der drei Rockets-Plattformen. Die Unternehmer Deutschmann und Garber-Schmidt betonen, wie streng sie die Projekte und die Unternehmen prüfen. Dabei muss zum einen das Projekt so vielversprechend sein, dass die Rückzahlung des Kapitals innerhalb weniger Jahre wahrscheinlich ist, und zum anderen sollte auch das Unternehmen eine gesunde Entwicklung haben. Doch jene Projekte, die es erst einmal ins Crowdfunding geschafft haben, erreichen bzw. überschreiten laut den Gründern ihr Fundingziel – jedenfalls ist das seit Jahren so. Nur in der Anfangszeit von Rockets hätten einzelne Projekte das Ziel verfehlt. Deutschmann: „Wir können mittlerweile gut abschätzen, welche Projekte bei der Crowd die Fundingschwelle erreichen werden.“
Wer also bei Rockets nicht abblitzt, kann von Vorteilen profitieren – und das gilt auch für die Investoren. Deutschmann: „Unternehmen können sich die Risiken mit der Crowd teilen, aber sie teilen auch die Chancen, indem sie der Crowd Zinsen anbieten.“ Die Laufzeit der Projekte, also die Zeit, bis das Geld an die Crowd zurückgezahlt werden muss, sollte nur wenige Jahre umfassen, damit das Investment attraktiv ist. Auf den Websites der drei Unternehmen finden sich Details über aktuelle und abgeschlossene Projekte: Daraus wird ersichtlich, dass die Zinsen meist zwischen 5 und knapp 8 Prozent liegen. Mehr als 35.000 Investorinnen und Investoren sind bisher bei Rockets registriert. Schon mit 250 Euro kann man investieren. 99 Prozent der Investoren sind laut Deutschmann und Garber-Schmidt Kleinanleger, und im Schnitt nehmen sie 1.300 Euro pro Investment in die Hand.
Ein wichtiger Schritt erfolgte 2018: Da entwickelte Rockets eine Software für Online-Wertpapier-Emissionen, über die Unternehmen der Crowd Aktien zum Erwerb anbieten können, um Streubesitz aufzubauen. Und demnächst wird es noch spannender für das Unternehmen. Denn während bisher nur Crowdfundings aus Österreich und Deutschland über Rockets finanziert werden konnten, wird das bald aus ganz Europa möglich sein.