Wirtschaftsstandort
Neun Standort-Schätze in Österreich
Da ist noch viel Luft nach oben: Obwohl Österreich immer noch als attraktiver Wirtschaftsstandort gilt, steckt die Alpenrepublik in den wichtigsten internationalen Standortrankings seit Jahren im Mittelfeld fest. Das ist das Fazit einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Deloitte. Im Deloitte Radar Europa Ranking, dem Durchschnitt der herangezogenen Standort-Indizes, belegt Österreich aktuell nur Platz 10 – mit keiner Aussicht auf eine Verbesserung in Richtung Top-Positionen. „Unser Ziel sollten die Top 5 in Europa sein, dafür gibt es aber großen Handlungsbedarf: Vor allem der anhaltende Arbeitskräftemangel, gepaart mit der anrollenden Pensionierungswelle, bringt Herausforderungen mit sich, denen sich der Wirtschaftsstandort stellen muss“, erklärt Harald Breit, CEO von Deloitte Österreich. Doch nicht nur am Arbeitsmarkt herrscht Handlungsbedarf. Neben Versäumnissen bei der Digitalisierung entwickelt sich Österreich auch beim Standortfaktor Staat und Unternehmen schlechter als im Vorjahr. Aber es gibt auch trotz Krisen positive Aspekte. Das Land schneidet im Bereich Infrastruktur weiterhin sehr gut ab und punktet international weiterhin mit seiner Lebensqualität. Darüber hinaus gibt es in jedem Bundesland außergewöhnliche Initiativen, die vor allem KMU beim Thema Vernetzung oder auch Wissenstransfer unterstützen. Wo diese besonderen Orte sind und warum KMU gerade dort wirtschaftlich noch besser wachsen können, zeigt die folgende Übersicht.
1) VORARLBERG: Dornbirn
Forschung, Wirtschaft, Wissen und Kreativität treffen sich in Vorarlberg an einem einzigen Standort: dem Campus V. Zentral gelegen in Dornbirn, umfasst das Quartier neben Hochschul- und Forschungseinrichtungen, auch Coworking, die „Postgarage“ sowie über 70 innovative Unternehmen und Institutionen mit rund 700 Mitarbeiter*innen und 1.600 Studierenden. Die Postgarage dient als Ort der Weiterentwicklung der heimischen Wirtschaft, Start-up- und Digitalszene, an dem die verschiedenen Stakeholder verstärkt mit Fokus auf digitale Innovationen zusammenarbeiten. Mit dabei ist auch die Digital Factory Vorarlberg (DFV), die Anfang 2022 den operativen Betrieb aufgenommen hat. Die DFV arbeitet in den Schwerpunkten Cloud- Manufacturing, Künstliche Intelligenz und Data-Science, Cybersecurity sowie Funktechnologie und Internet of Things. Ziel ist es, praxisorientierte Lösungen für und gemeinsam mit der Vorarlberger Wirtschaft zu entwickeln.
Der Campus V wächst auch laufend weiter. Bis 2025 entsteht ein Neubau mit 4.000 Quadratmetern Büroflächen. Das neue Gebäude soll Unternehmen aus den Bereichen Innovation, Technologie, Digitalisierung, Kreativität und Wirtschaftsdienstleistung beheimaten.
2) NIEDERÖSTERREICH: Tulln
Digitalisierung ist eines der großen Schlagworte, wenn es um erfolgreiches Wirtschaften geht. Das Herz des digitalen Wandels schlägt, zumindest was Niederösterreich betrifft, seit Ende 2022 in Tulln. Dort wurde nämlich im Bereich des Campus Technopol Tulln das „Haus der Digitalisierung“ eröffnet. Dieses soll als zentrale Anlaufstelle dazu dienen, um die digitale Transformation der heimischen Wirtschaft zu beschleunigen. Auf 4.200 m² Gesamtfläche gibt es dort beispielsweise einen Showroom- und Veranstaltungsbereich, die Erweiterung der FH Wiener Neustadt oder auch Inkubator-Flächen. Eines der aktuellen Angebote ist eine Roadshow zum Thema Cybersecurity, die das Bewusstsein für die Gefahren, denen Unternehmen im Internet ausgesetzt sind, schärfen soll.
Interessant für KMU ist die lokale Verbindung mit dem Technopol Tulln. Technopole sind Zentren, die Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft an einem Standort vernetzen und sind gezielt rund um Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen angesiedelt. Inhaltlich ist der Technopol Tulln auf biobasierte Technologien fokussiert, mit folgenden Schwerpunkten: Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, biobasierte Prozesstechnologien und Agro-Biotechnologie.
3) WIEN: Aspern
In der Seestadt Aspern entsteht bis 2030 nicht nur Wohnraum für mehr als 25.000 Menschen. Die Stadt im Nordosten Wiens, errichtet auf dem ehemaligen Flugfeld Aspern, zieht mit innovativen Projekten auch immer mehr visionäre Unternehmen an. Andocken können diese zum Beispiel im von der Wirtschaftsagentur Wien errichteten Technologiezentrum Seestadt. Zurzeit sind dort auf 14.000 m² mehr als 30 Unternehmen und Start-ups aus den Bereichen Industrie 4.0., smarte Produktion und Internet of Things aktiv, wie beispielsweise Atos, die TU Wien Pilotfabrik für Industrie 4.0, ASCR (Aspern Smart City Research) oder auch Theobroma Systems. Der Baustart für einen weiteren Gebäudeteil mit 4.800 m² – das Technologiezentrum 3 – erfolgt noch heuer.
Ende des Vorjahres fertiggestellt wurde hingegen der Gewerbehof Seestadt, der auf 7.500 m2 flexible Mietflächen für bis zu 40 kleine und mittlere Unternehmen aus Gewerbe, Produktion und Handwerk bietet. Die Besonderheit: Der Gewerbehof Seestadt ist „eingebettet“ in die umgebenden Wohnkomplexe und der produzierende Bereich wird somit bewusst ins Leben der Stadtbewohner*innen miteinbezogen, wodurch sich für die Gewerbetreibenden neue Geschäftsfelder eröffnen. Entwicklungspotenzial bieten auch künftige Kooperationen mit Einrichtungen wie Schulen, Wirtschaftsbetrieben, Einzelhandel oder Gastronomie, die in und rund um die Seestadt angesiedelt sind.
4) BURGENLAND: Oberpullndorf
Wirtschaftlich gesehen zählt das Mittelburgenland derzeit zu den schwächsten Regionen Österreichs. Das soll sich ändern. Derzeit entsteht im Bezirk Oberpullendorf ein interkommunaler Wirtschaftspark auf einer Gesamtfläche von rund zehn Hektar, der bis Jahresende fertiggestellt sein soll. 40 Prozent der Flächen sind bereits konkret verplant. Mit an Bord des Projekts, das rund 300 Arbeitsplätze bringen soll, sind alle 28 Gemeinden des Bezirks. Der Standort liegt direkt an der S31 im Bereich des Kreisverkehrs zwischen Oberpullendorf und Steinberg-Dörfl.
Welche positiven wirtschaftlichen Effekte ein Businesspark haben kann, zeigt das burgenländische Flagship unter ihnen, der Businesspark Parndorf/Neusiedl – besser bekannt als Designer Outlet Parndorf. Dieses ist Zugpferd und mit 30.000 Besuchern pro Tag Frequenzbringer des Businessparks, wo sich auch zahlreiche Industrie- und Gewerbebetriebe angesiedelt haben. Unternehmen wie Mareto, der Weltmarktführer bei der Erzeugung von Kunststoffen für die kosmetische und pharmazeutische Industrie, profitieren von der guten Lage. So ist der Flughafen Wien nur 20 Minuten, der Flughafen Bratislava nur 30 Minuten entfernt.
5) OBERÖSTERREICH: Bad Leonfelden
Wenn in Oberösterreich das Wort „Inkoba“ fällt, sollten Unternehmer*innen hellhörig werden. Die „Interkommunale Betriebsansiedlung“ hat sich nämlich zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Mittlerweile sind zwei Drittel aller Gemeinden des Landes in derartigen Kooperationsgemeinschaften organisiert, entwickeln gemeinsam Betriebsbaugebiete und teilen sich dabei Kosten und Erträge. Die Inkoba Sterngartl, zu der sich zwölf Gemeinden rund um die Region Bad Leonfelden zusammengeschlossen haben, gilt dabei als Vorzeigemodell. In den bereits fertiggestellten Betrieben im Betriebsbaugebiet an der B126 sind jetzt schon knapp 140 Menschen beschäftigt – Tendenz steigend. Von den über 70.000 Quadratmetern neu gewidmeter Betriebsbaufläche sind nur mehr 4.000 Quadratmeter frei. Durch die Umsetzung eines gesamtheitlichen Grünraum- und Bepflanzungskonzeptes soll der Standort an Aufenthaltsqualität gewinnen.
Erfolgreich angesiedelt haben sich hier zum Beispiel bereits die M-Tron GmbH, die Maschinenring Granitland GmbH sowie die österreichische Bergkräutergenossenschaft. Derzeit im Bau ist der neue Standort der Strabag AG. Aufgrund der großen Nachfrage wird schon jetzt über eine Erweiterung des Inkoba-Areals nachgedacht.
6) SALZBURG: Puch-Urstein
Seine Geschichte ist äußerst bewegt: Vor einem Jahrzehnt wurde der Grundstein für den Wissenspark Puch-Urstein gelegt, drei Jahre Stillstand durch die Insolvenz des Bauträgers haben das Projekt ins Stottern gebracht. Nun hat der Standort südlich der Stadt Salzburg, angrenzend an den Campus der Fachhochschule Salzburg, wieder Fahrt aufgenommen. Ende 2022 erfolgte der Spatenstich für die letzten beiden Bauteile, 2024 soll alles fertig sein. Die Vision ist, dass sich dort eine Art Salzburger Silicon Valley entwickelt. Im Wissenspark angesiedelt sind bereits Unternehmen wie das Hilfswerk Salzburg, Techno Z, Geoconsult oder Molecular Devices. Das kalifornische Unternehmen gilt als Spezialist für digitale Mikroskope. Stammzellen, Krebszellen und Co werden mit den Mikroskopen sichtbar gemacht. Entwickelt werden die Produkte für die Forschung. Apropos Forschung: Profitieren können die Unternehmen im Wissenspark vom Wissenstransfer mit der FH Salzburg. Zu den Schwerpunkten des Wissensparks zählen die Bereiche Medizin, Tourismus, Kultur, Medien, Design und Technologie.
7) KÄRNTEN: Klagenfurt
Der Standort, eingebettet zwischen der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und dem Wörthersee ist in vielerlei Hinsicht mehr als attraktiv. Doch nicht nur deshalb platzt der Lakeside Park, Plattform für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Universitätsinstituten im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, derzeit aus allen Nähten. Aktuell gibt es 15 Gebäude mit einer Mietfläche von rund 38.000 Quadratmetern, auf denen sich 75 Unternehmen mit etwa 1.500 Mitarbeiter*innen angesiedelt haben. Geplant ist eine Erweiterung um vier neue Gebäude, die Platz für 30 neue Unternehmen bieten.
Der Campus ist ein Innovationsraum für namhafte Unternehmen sowie drei außeruniversitäre Forschungsinstitute: Joanneum Research, Lakeside Labs, AIT-Austrian Institute for Technology. Im Vorjahr hat mit Dynatrace ein IT-Spezialist und Weltmarktführer im Bereich Software-Intelligenz im Lakeside-Park ein neues Büro bezogen und seinen Standort erweitert. Gründende finden hier Unterstützung im Build! Gründerzentrum Kärnten. Internationalen Modellcharakter erreichte der Lakeside Park mit der Etablierung des „Educational Lab“, einem offenen Labor, in dem sich kooperative Organisationen, Initiativen und Projekte versammeln, um neue Lehr- und Lernformen im MINT-Bereich zu entwickeln, zu erproben und umzusetzen.
8) STEIERMARK: Niklasdorf
Nicht jedem oder jeder wird Niklasdorf sofort ein Begriff sein. Wer sich hingegen mit Materialien und Werkstofftechnologien beschäftigt, wird die steirische Gemeinde mit rund 2.400 Einwohnern im Bezirk Leoben schnell auf der Landkarte finden. Denn das dortige Impulszentrum, das sich auf den Prototypen- und Anlagenbau spezialisiert hat, existiert bereits seit 1990. Hier vernetzen sich rund 25 Unternehmen, darüber hinaus arbeitet das Impulszentrum Niklasdorf eng mit der Montanuniversität Leoben und dem Joanneum Research zusammen. Neu hinzugekommen ist im Vorjahr das Materials Innovation Hub, das Start-ups aus dem Umfeld der technischen Universitäten und wissens- und technologieintensive Unternehmen aus den Bereichen Material und Oberflächen anziehen will. Bis zu sechs Unternehmen finden auf rund 1.600 m² Fläche in drei Hallen und Büroräumlichkeiten Platz für neue Ideen und technologische Entwicklungen. Mit der Adrana GreenTec GmbH, der BECONEO GmbH und der Meister-Quadrat-Kunststoff- und Automatisierungstechnik GmbH haben sich bereits drei neue Unternehmen angesiedelt.
9) TIROL: Lienzer Talboden
Als besondere Impulsregion südlich der Alpen will sich der „Zukunftsraum Lienzer Talboden“ positionieren. 15 Gemeinden haben 2014 diese Initiative gestartet, um die Region mit 471 km² Fläche und 28.000 Einwohnern zu einem attraktiven Standort zu entwickeln – als Wirtschafts- und auch als Lebensraum. Dazu wurde ein Standortentwicklungsprozess gestartet und jene Bereiche herausgearbeitet, die für das Leben, Arbeiten und Wirtschaften in der Region zentral sein werden. Dazu gehört zum Beispiel eine gemeinsame Wirtschaftsentwicklung, die Förderung der Mobilität zur besseren Erreichbarkeit oder die bessere Nutzung des hohen Bildungsniveaus – immerhin verfügt Osttirol über eine der höchsten Akademikerquoten in Österreich.
Eine der Initiativen des Zukunftsraums ist die Umsetzung des Regionet. Dieses moderne Glasfasernetz schließt alle Verbandsgemeinden an die internationalen Informations- und Datensysteme an. Die nächsten Schritte in Richtung „Digitaler Datenraum“ zu einer smarten Region sind bereits in Planung. Kernthemen werden dabei der Ausbau eines Netzwerkes für den gesamten Zukunftsraum und die Digitalisierung kommunaler Abläufe, Prozesse und Dienste sein.