Interview
"Cyberkriminelle haben es nun auf kleine Betriebe abgesehen"
In einem exklusiven Interview mit Hermann Anderl, dem CEO von Canon Austria, tauchen wir tief in die Welt der Digitalisierung ein. Als Digitalisierungs-Experte beleuchtet er die Herausforderungen und Chancen, die sich für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) durch die digitale Transformation ergeben, spricht aber auch zunehmende Gefahren durch Cyberkriminalität an. Von innovativen Tools bis zu strategischen Anpassungen – Anderl gibt Einblicke, wie Unternehmen die digitale Zukunft erfolgreich gestalten können.
Die Wirtschaft: Herr Anderl, die digitale Transformation ist omnipräsent. Welche spezifischen Implikationen hat diese für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Österreich?
Hermann Anderl: Die Digitalisierung bietet für die Wirtschaft, gerade für KMU auch in Österreich, viele Möglichkeiten: Prozesse verändern sich, neue Angebote und Dienstleistungen entstehen und eine Vielzahl an digitalen Tools steht zur Verfügung, die den Arbeitsalltag erleichtern. Branchenabhängig zwar von unterschiedlicher Bedeutung – aber grundsätzlich bringt nur Veränderung den Fortschritt. Das heißt, eine Nichtanpassung in einem veränderten Marktumfeld kann keine Erfolgsgeschichte werden. Und diese Notwendigkeit bedeutet finanzielle Herausforderungen, aber auch die Aneignung und Anwendung des notwendigen Know-how, um sich im Marktumfeld erfolgreich positionieren zu können.
Welche Chancen und Herausforderungen identifizieren Sie im Kontext der digitalen Transformation für KMU?
Wichtig ist vor allem, die Digitalisierung nicht als Gefahr zu sehen, sondern als Chance für eine erfolgreiche Unternehmenszukunft. Pain Points wie zum Beispiel Datensicherheit, offene Zugänge, Workspaces und Cloudlösungen sind zu identifizieren und adressieren. Eine Studie aus 2022 von Canon Deutschland zeigt, dass die Digitalisierung in Unternehmen nachweislich ein hohes Niveau erreicht hat – eine offensichtliche Folge der Pandemie – aber dennoch noch weiter ausbaufähig ist.
59 Prozent der befragten IT-Verantwortlichen in den Unternehmen unterschiedlichster Branchen, schätzen den Digitalisierungsgrad im eigenen Unternehmen eher hoch ein. Speziell im Banken- und Versicherungssektor wächst der digitale Standard. Ein weiterer Punkt: Mit einer ansteigenden Mitarbeiteranzahl nimmt auch die Einschätzung eines hohen Digitalisierungsgrads zu. Eher niedrig digitalisierte Unternehmen sind im Handel (17 Prozent) zu finden, in der öffentlichen Verwaltung oder im Gesundheitswesen (15 Prozent). Insgesamt verbringen Mitarbeiter*innen aber nach wie vor viel Zeit mit papiergebundenen operativen Office-Tätigkeiten. Hier unterstützt die Digitalisierung bei der Archivierung von Altablagen.
Canon Austria hat sich die Unterstützung von KMU im Zuge der digitalen Transformation auf die Fahnen geschrieben. Welche konkreten Lösungsansätze und Dienstleistungen offerieren Sie?
Mit dem Canon Digi-Check durchleuchten wir sechs Bereiche der Bürokommunikation. Konkret schauen wir auf die Infrastruktur, Sicherheit, Produktivität, Mobiles Arbeiten, Informationsmanagement und Automatisierung. Die Analyse zeigt zum einen den „Digitalen Reifegrad“ der Organisation und die Benchmark in Bezug auf Branche und Unternehmensgröße gegenüber den anderen Marktteilnehmern.
Zum anderen liefert der Digi-Check eine Potenzialanalyse: wo liegen die digitalen Stärken und wo gibt es noch Optimierungsbedarf? Denn ohne eine entsprechende Infrastruktur kann hybrides Arbeiten nicht funktionieren. Und das sollte natürlich nicht nur entsprechend sicher, sondern auch den Compliance-Regeln entsprechen. Mittlerweile wurde das Angebot bereits bei rund 700 Unternehmen unterschiedlicher Branchen im DACH Raum in Anspruch genommen. Weitere Canon Lösungen und Dienste zum Thema Cybersecurity tragen ebenso dazu bei, über den gesamten Informations-Lebenszyklus Dokumente und sensible Daten zu schützen.
Ein signifikanter Aspekt der digitalen Transformation ist die Digitalisierung von Dokumenten. Welche Vorteile bietet diese KMU und inwiefern kann Canon hier unterstützend tätig werden?
Mit der hybriden Arbeitswelt gehen auch Collaboration-Tools einher, mit deren Hilfe man über Netzwerke hinweg kommunizieren kann. Sie sind zwar unverzichtbar, stellen aber auch kritische Schwachstellen für Cyberkriminalität dar. Denn die Anzahl an Cyber-Gefahren steigt! Dabei haben es Cyberkriminelle nun auf "kleinere" Ziele abgesehen, die eher zahlungswillig sind und die nicht viel in Cyberabwehrmaßnahmen investieren. Wir sprechen hier von kleineren Anwaltskanzleien, Ordinationen, aber auch Agenturen oder Handwerksbetrieben. Um für Sicherheit zu sorgen, haben wir bei Canon deshalb Schwerpunktbereiche festgelegt, die Unternehmen als Erstes berücksichtigen sollten: Informationssicherheit fängt bei ihren Mitarbeitenden an, setzt sich auf den Geräten fort und benötigt eine Kombination aus bewährten Verfahren und intelligenten technologischen Richtlinien. Sich also um das menschliche Verhalten zu kümmern, ist die eine Sache, aber intelligente Technologien am Arbeitsplatz zu nutzen, um die Risiken auf das geringstmögliche Maß zu reduzieren, ist die andere Sache. Es gilt es Mittelmaß zwischen Risikobereitschaft und Risikotoleranz zu finden!
Welche Handlungsempfehlungen geben Sie KMU, die den Prozess der digitalen Transformation in ihrem Unternehmen anstoßen möchten?
Grundsätzlich gilt es, die Welle der Digitalisierung zum Wohle des eigenen Unternehmens im größtmöglichen Ausmaß zu nutzen, sich daraus Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und gleichzeitig auch ein attraktiver Arbeitgeber zu werden, Stichwort Mobile Working und Datensicherheit. Als Startpunkt dazu sollte ein reflektierter Blick in das eigene Unternehmen geworfen werden, um vom Ist-Zustand einen Stufenplan abzuleiten, in welchen Bereichen Digitalisierungsmaßnahmen sinnvoll oder sogar erforderlich sind. Das wäre die „Pflicht“ jedes KMU! Dieser nach innen gerichtete Blick macht jedenfalls das Risiko der Geschäftstätigkeit wesentlich transparenter und ermöglicht auch KMU das volle Ausnutzen des Potenzials der Digitalisierung – und das ist der Hauptzweck des von uns angebotenen Digi-Checks! Ein Ignorieren der Erkenntnisse muss zwar nicht existenzbedrohend sein (Stichwort: Cyberangriffe) – kann aber die Geschäftstätigkeit einschränken und Wettbewerbsvorteile einbüßen.
Zur Person
Mag. Hermann Anderl ist seit 2020 Geschäftsführer bei Canon Austria. Der studierte Betriebswirt begann seine Karriere vor genau 30 Jahren bei Canon Austria in verschiedenen Produktmanagement-Positionen und später als Sales & Marketing Director. 1997 wechselte er zu einem internationalen Druckerunternehmen und sammelte erste internationale Erfahrung als Managing Director in Österreich, der Tschechischen und der Slowakischen Republik und Ungarn. 2008 übernahm Anderl die Funktion des Managing Directors von Océ in Österreich und später für die Océ-Tochtergesellschaften in der Tschechischen und der Slowakischen Republik. Seit 2010 ist Océ Teil der Canon Gruppe. 2013 erfolgte seine Berufung zum Managing Director von Canon CEE (Central & Eastern Europe).