Wirtschaftspsychologie

Auf der Suche nach Sinn in der Arbeit

Anne M. Schüller
28.04.2025

Die Sehnsucht der Menschen nach Sinn in der Arbeit ist groß. Jede*r von uns ist als einzigartiges Individuum mit einem mächtigen Gestaltungswillen geboren worden, um ein Leben voller Sinn zu führen - und nicht, um ein fremdbestimmtes Rädchen im Getriebe der Unternehmen zu sein.

Der Kampf um die besten Talente wird nicht nur durch Geld entschieden, sondern immer mehr auch durch Sinn. Diese Grundeinstellung befruchtet inzwischen den kompletten Arbeitsmarkt. Zunehmend wünschen sich die Menschen, dass alles Berufliche zu einem bereichernden und in hohem Maße befriedigenden Teil ihres Lebens wird.

Wie Sinn gestiftet wird

Sinn und das damit verbundene Glückserleben entstehen, wenn befähigte Mitarbeitende möglichst selbstbestimmt konkrete Arbeiten erledigen können, bei denen sie sich als wesentlich erleben und das Gefühl haben, gebraucht zu werden. Hierzu benötigen sie immer wieder neue Aufgaben – seien es andersartige oder schwierigere – um sich diesen mit Kreativität, Konzentration und Hingabe eigenverantwortlich widmen zu können.

Sie brauchen dabei mehr oder weniger hohe, vor allem aber sinnvolle Ziele und eine Rückmeldung über die Qualität ihrer Arbeit. So macht man sich mit Neuland vertraut – und aus Unbekanntem wird schließlich Bekanntes. Dies gibt uns die wohltuende Sicherheit, eine Situation zu beherrschen. Ein weiteres Plus: Woran wir selbst beteiligt sind, das unterstützen wir mit Engagement und Zielstrebigkeit. Ich nenne das den „Mein-Baby-Effekt“.

Wie Sinn unsere Leistungsfähigkeit steigert

Wir Menschen sind beseelt von dem Wunsch, einen Beitrag zu leisten und fürchten die Vorstellung, ein bedeutungsloses Leben gelebt zu haben. Es gibt uns Genugtuung, uns auf eine im Rahmen unserer Fähigkeiten liegende Art und Weise weiterentwickeln zu können.

Ohne sinnvolle Herausforderungen hätten wir keine Möglichkeit, uns zu bewähren, auf uns stolz zu sein und die so wertvolle wie notwendige Aufmerksamkeit und Anerkennung unserer Mitmenschen zu erlangen. Unsere Motivation wird hochgeschaltet, wenn wir uns um eine Sache verdient machen können. Zu diesem Zweck ist unser Gehirn mit zwei Belohnungszentren ausgestattet: eins für die Vorfreude und eins für die Nachfreude.

Die Vorfreude drückt sich in Verlangen aus. Sie gibt uns den Antrieb, ein begehrenswertes Ziel tatsächlich erreichen zu wollen. Das zweite Belohnungszentrum versorgt uns mit Hochgefühlen nach erfolgreich vollbrachter Tat. Bei jedem Lernerfolg zerstäubt es Dopamin: das Freudentaumel-Hormon. Dopamin bringt die Synapsen in Schwung und lässt die Neuronen tanzen. Das Leistungsvermögen steigt dadurch um bis zu hundert Prozent.

Wir wollen als wertvolles Mitglied einer Gruppe gelten

Die Evolution belohnt uns immer dann, wenn wir uns als wertvolles Mitglied einer Gruppe zeigen, wenn wir Wertstiftendes tun und dabei unsere Sache möglichst immer noch ein wenig besser machen. Der Lohn dafür ist eine mächtige Droge: das Glücksgefühl, über sich selbst hinausgewachsen zu sein. Dies gilt besonders für Kopf- und Wissensarbeiter*innen.

Denn auch Geistesblitze und Schöpferkraft werden mit Dopamin belohnt. Dies führt zu einer weiteren Aktivierung des Gehirns, zum Mehr-machen-Wollen, zum Aufbau von Millionen von Hochleistungsneuronen und zu einer stärkeren Vernetzung der Lerninhalte. „Herausforderungen beflügeln“, sagt der Volksmund so trefflich. Ein Mangel an Herausforderung hingegen lässt selbst die Talente der Besten veröden.

Unternehmen, die von ihren Mitarbeitenden Großes wollen, versorgen sie also am besten mit derartigen Kicks. Sie fordern viel und bringen die Beschäftigten dazu, sich selbst zu übertreffen. Drohkulissen, entseelte Arbeit und anhaltende Frustration hingegen sorgen dafür, dass Menschen ihren Ehrgeiz verlieren, weil die Dopamin-Produktion dann verebbt.

Der Daseinssinn der Mitarbeitenden bei der Arbeit

Nur wer frei ist, kann sich voll entfalten. Wer sich hingegen überfahren oder in eine Statist*innenenrolle gedrängt fühlt, reagiert darauf mit einem lähmenden Ohnmachtsgefühl. Ohnmächtig, also fremdbestimmt und ohne Macht zu sein, das macht uns ganz klein. Hingegen blühen die Menschen auf und beginnen, eigenverantwortlich zu handeln, wenn man ihnen Spiel-Raum im wahrsten Sinne des Wortes gibt.

Die wichtigste Frage im Kontext der Mitarbeiter*innenentwicklung und -führung ist also diese: Was ist der Daseinssinn der Mitarbeitenden und das Warum ihrer Funktion oder Stelle?

Vor allem talentierten High Potentials verlangt es nach Sinn. Sie wollen Selbstwirksamkeit – und nicht zum Spielball Dritte*r werden. Sie wollen Spuren hinterlassen und Teil von etwas Bedeutsamem sein. Und wenn ein*e Arbeitgeber*in das nicht bietet? Als erstes werden die Guten, die Wertvollen und die Innovativen aus solcher Umgebung migrieren, um sich auf die Suche nach einem Arbeitsort mit mehr Sinn, mehr Freiheit und mehr Arbeitsfreude zu machen.

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