Arbeitszeit runter, Produktivität rauf

Mitarbeiterführung
17.02.2023

 
Die Arbeitswelt ist im Wandel. Neue Arbeitszeitformen werden beliebter. Ob Vier-Tage-­Woche oder ein flexibler Arbeitsplatz, die Ansätze sind divers.
work - life balance

Montag, 7 Uhr morgens in einer beliebigen österreichischen Großstadt: Die öffentlichen Verkehrsmittel sind überfüllt und auf den Straßen stauen sich die Pendler*innen zu ihren Arbeitsplätzen. So sieht der klassische Arbeitsalltag für viele Menschen aus. Und täglich grüßt das Murmeltier, könnte man sagen, denn auch an den anderen Werktagen ist die Situation zumeist nicht anders. Doch es gibt immer mehr Unternehmen, die von dem Konzept fünf Tage zu je acht Stunden abweichen. New Work ist ein zentrales Schlagwort, das man im Zuge neuer Arbeitszeitmodelle regelmäßig hört. New Work kann als allumfassende Änderung in der Arbeitswelt beschrieben werden. Neue Technologien, die Digitalisierung oder die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) sind dafür verantwortlich, dass die Arbeitswelt sich rasant wandelt, und mit diesem Wandel einhergehend sind es auch die Arbeitszeitmodelle, die immer vielfältiger und kreativer werden. Je nach Branche gibt es unterschiedliche Ansätze, wie eine Arbeitswoche gestaltet werden kann, denn was in der Industrie funktioniert, muss nicht bei einem Start-up die optimale Lösung sein. In einem Dienstleistungssunternehmen können die Notwendigkeiten wieder ganz anders aussehen. Doch viele dieser Modelle haben gemeinsam, dass der Trend zu einer Verdichtung der Arbeitswoche erkennbar ist, beziehungsweise auch weniger Arbeitsstunden pro Woche gearbeitet werden. Viele Studien belegen dabei, dass die Effizienz bei weniger Wochenarbeitsstunden tendenziell steigt und Menschen produktiver arbeiten, als es bei den klassischen Modellen der Fall ist. So manche Unternehmen setzen zusätzlich vermehrt auf Homeoffice und auf Co-Working-Spaces, um so nicht große Büroflächen dauerhaft mieten zu müssen. Ein solcher Space steht beispielsweise im oberösterreichischen Sierning bei Steyr zur Verfügung. „DAS FRANZI“ bietet unterschiedliche monatliche und jährliche Membership-Pakete für Unternehmen an. Der Name wurde deshalb gewählt, da in dem Gebäude, in dem der Co-Working-Space beheimatet ist, früher die Kaiser-Franz-Joseph-Schule war und der Name genderneutral ist.

Von Sierning bis in die USA
„Im Vordergrund stand und steht die Idee, einen Ort für Kooperationen und Netzwerke zu schaffen und Arbeitsplätze mit professioneller Infrastruktur und modernem Ambiente zu bieten“, sagt Karin Fachberger, Projektleiterin des Co-Working-Space im Gespräch mit die wirtschaft. Der Space existiert seit etwas mehr als zwei Jahren und geht auf die Initiative von Frau in der Wirtschaft Steyr und der Raiffeisenbank Region Sierning-Enns zurück. Besonders Unternehmen aus der Gegend Sierning und Umgebung nutzen diese Möglichkeit des Platzteilens. Lichtplaner, Berater*innen zu Arbeitssicherheit, Vermögen, Mode und Styling, aber auch Business- und Lebensberater*innen belegen die 250 m2 große Fläche mit insgesamt 20 Arbeitsplätzen. Doch nicht nur Unternehmen aus der Umgebung mieten sich ein, auch aus Wien und dem Ausland gibt es Nutzer*innen. Seit Beginn des Co-Working-Space in Sierning existiert eine Kooperation mit der factory3000 in der Linzer Tabakfabrik. Damit können die Unternehmen, die im FRANZI einen Fixdesk haben, auch die Räumlichkeiten in Linz nutzen, um dort zu arbeiten. Somit ist mehr Flexibilität möglich. „Wir haben Mitgliedskarten, die wir unserer Community geben dürfen. Der Vorteil dieser Kooperation ist, dass es mehrere professionelle Standorte gibt, um Kund*innen zu treffen, noch flexibleres Arbeiten möglich ist und es zusätzlich weitere Netzwerkmöglichkeiten gibt“, erklärt Fachberger.

Wir messen nicht die Anwesenheit,
sondern das Ergebnis.

Daniel Marwan, epunkt

Daniel Marwan zitiert
Daniel Marwan, epunkt

Mehr Produktivität in weniger Arbeitsstunden
Doch nicht nur Co-Working-Spaces werden immer beliebter, viele Unternehmen denken mittlerweile auch die Arbeitszeit neu und kürzer. Eines dieser Unternehmen ist der Personaldienstleister epunkt mit Standorten in Linz, Wien, Graz und Salzburg. Seit November 2022 arbeiten die rund 220 Angestellten an den Standorten nur mehr 34 Stunden pro Woche – bei gleicher Entlohnung wie zuvor. Verteilt ist die Arbeitszeit auf vier Tage. Am Freitag bleibt geschlossen. Vergangenen Sommer startete der österreichische Recruiting-Marktführer den Pilotversuch zur Arbeitszeitverkürzung – und das mit großem Erfolg. „Bei unserer letzten internen Befragung zur Vier-Tage-Woche gaben mehr als 90 Prozent der Mitarbeiter*innen an, sich erholter und motivierter zu fühlen als zuvor. Unser Motto ist weiterhin: Wir messen nicht die Anwesenheit, sondern das Ergebnis. Daher bleibt die Vertrauensarbeitszeit das Maß unserer Dinge und die effektive Wahl“, sagt CEO Daniel Marwan im Gespräch. Das Unternehmen hat mit der Arbeitszeitverkürzung begonnen, Meetings und deren Dauer zu reduzieren, um somit Produktivitätseinbußen entgegenzuwirken. Jedoch gibt es wöchentliche Jour-fixe-Termine der jeweiligen Teams, um festzulegen, welche die wichtigsten Aufgaben für die Mitarbeiter*innen sind, die bis zum nächsten Termin zu erledigen sind. Zusätzlich zu diesen Terminen gibt es regelmäßige – anonyme – Mitarbeiterbefragungen via TeamEcho, um die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen zu erkennen und um potenziellen Belastungen entgegenzusteuern. „Unsere zentralen Unternehmenswerte sind Mut, Ownership und Vertrauen. Das soll nicht nur am Papier schön klingen, das müssen wir auch leben. Wir schrauben lieber mit gut ausgebildeten und erholten Mitarbeitenden an unserer Produktivität, als über Fluktuation zu grübeln“, so Marwan.

Das Unternehmen tanzt ab Donnerstagabend
Noch etwas hat sich seit der 34-Stunden-Woche verbessert: Es gibt eindeutig mehr Bewerber*innen als zuvor. Die Arbeitgeberattraktivierung stieg stark an. „Schon beim Pilotversuch im Sommer ist die Anzahl der Bewerbungen explodiert. Einige Kandidat*innen haben uns ganz direkt gesagt, dass die Vier-Tage-Woche für sie ausschlaggebend für die Bewerbung war“, meint Marwan. Die Mitarbeiter*innen bei epunkt sind aber nicht gezwungen, dass sie am Freitag zu Hause bleiben müssen. Manche nutzen die Möglichkeit des Fair- Use-Fridays vereinzelt, um Dinge zu erledigen, die im Laufe der Woche liegengeblieben sind. Bei epunkt sieht man eine verkürzte Arbeitszeit als Modell der Zukunft. Man würde es auch anderen Unternehmen empfehlen, um damit attraktiver zu werden. Speziell die junge Generation der Arbeitnehmer, die Generation Z, legt viel Wert auf Freizeit und möchte weniger arbeiten, wie unterschiedliche Studien belegen. Freizeit ist ihnen wichtiger, als mehr Geld zu verdienen. „Die Vier-Tage-Woche erfordert eine Umstellung der gesamten Firma. Der Wettbewerbsvorteil im Kampf um begehrte Fachkräfte rechnet sich aber langfristig“, ist Marwan überzeugt. „AMS-Chef Johannes Kopf meinte kürzlich, die Arbeitgeber werden tanzen müssen. Wir tanzen ab Donnerstagabend. Und das empfehlen wir allen Unternehmen, die auch in Zukunft gute Mitarbeiter*innen anziehen und halten möchten“, so der CEO.

Ein doppelter Gewinn
Egal ob Co-Working-Space oder Vier-Tage-Woche, die Berufswelt ist ordentlich in Bewegung geraten. Unternehmen, die zukünftig für Arbeitnerhmer*innen attraktiv sein wollen, müssen sich diesen Entwicklungen anpassen, wenn sie es nicht ohnehin schon getan haben. Weitere Vorteile bei verkürzten Arbeitszeiten sind für die Betriebe und die Mitarbeiter*innen in der Regel die reduzierten Krankenstände, auch das ergaben Untersuchungen. Und Menschen mit weniger Arbeitsstunden sind auch motivierter, länger im Erwerbsleben zu verbleiben. Es kann daher von einer Win-win-Situation gesprochen werden. „Die Vier-Tage-Woche ist mit Sicherheit die Zukunft der Arbeit. Und sie wird dann funktionieren, wenn jede und jeder Einzelne von uns Ownership übernimmt“, so Marwan.