Frisches Wissen braucht das Land

Bildung
15.02.2022

 
Aus- und Fortbildungen dienen nicht nur dem Wissenserwerb, sondern auch dafür, Talente direkt aus dem Hörsaal zu rekrutieren. Das macht viele neue Lehrgänge doppelt interessant.
Ausbildung. Weiterbildung FH.

Was bieten Universitäten, Fachhochschulen und Bildungsinstitute Neues? Die Palette ist breit gefächert, wie ein Überblick zu Lehrgängen, die erst im Winter auf den Markt kamen, zeigt. Im Zentrum stehen vor allem Themen, die KMU interessieren, sowie didaktische Optionen, die es vor der Pandemie noch nicht gab.
Beginnen wir gleich mit der Art der Wissensvermittlung. Hier können sich Unternehmen auf die Innovationsfreude der WU Executive Academy verlassen. Dort boomen Professional MBA seit Jahren, weil sie klassische General-Management-Fächer mit Spezialisierungen je nach Funktion oder Branche verschränken und auch noch weniger kosten als reine Executive MBA. Schon vor der Pandemie taten sich manche Teilnehmer mit den zahlreichen Präsenztagen schwer. Deshalb erdachte man die „Hybrid Track“-Variante. Dabei sind drei der sechs Module auf zwei Tage reines Online-Teaching eingedampft. Der Rest wird mit flexibel zu absolvierenden Online-Pre- und Post-Modulen aufgefüllt. Das spart Urlaubstage, Reise- und Übernachtungskosten.
Online-Teaching ist allerdings kein Frontalunterricht am Bildschirm. Die Lehrenden bedienen sich aus einem Online-Baukasten mit kreativen Lehrformaten, von der launigen Aufwärmrunde über Break-out-Sessions bis zu Wissensquizzes. Reale Studienreisen (etwa nach Finnland) sind ebenfalls geplant, eine Besonderheit der Executive Academy. Falls sie pandemiebedingt ausfallen, gibt es virtuelle Alternativen, die nahe ans Original herankommen sollen. Man hofft trotzdem auf das „echte“ Finnland.
Die neuen Masterprogramme spiegeln die Markttrends auch inhaltlich: Etwa der „Professional Master Sustainability, Entrepreneurship & Technology“, der gleich drei Zukunftsthemen abdeckt. Oder der Master „Social Innovation & Management“, der soziale Unternehmen anspricht. Juristen und Steuerberater werden sich im „LL.M. Digitalization & Tax Law“ wiederfinden.
Wer es lieber kürzer mag, wird beim Vier-Wochen-Zertifikatskurs „Organizational Design“ oder beim Vier-Tages-Kurs „Strategic Management“ fündig. Noch kürzer sind die Workshops der Summer Academy. Bis auf „Blockchain Basics“ und „Digital Game Changer“ geht es eher um Selbstmanagement: „Purpose driven Leadership“, „Erfolg beginnt im Kopf“, „Rock your digital Performance“, „Rebellen in Organisationen“ (Anecken als Erfolgsfaktor), „Interessensbasiertes Verhandeln nach dem Harvard-Konzept“ und „Emotionales Selbstmanagement“.  

Aus der Ferne studieren

Dem Distance-Learning hat sich auch die Ferdinand-Porsche-Fern-FH verschrieben. Nur Prüfungen und Workshops finden in Wiener Neustadt statt. Inhaltlich für KMU besonders interessant sind die Bachelor- und Masterstudien „Betriebswirtschaft und Wirtschaftspsychologie“ sowie „Wirtschaftsinformatik“. Eine besondere Spezialisierung findet sich hier im Bereich Sales. Auf allen Ebenen, vom viersemestrigen MBA in „Sales Management“ und „International Sales Management“ bis zu einsemestrigen Kurzlehrgängen wie „International Sales & Marketing“, „Leading Sales & Organizations“, „Negotiation Excellence & Sales Strategy“ oder „Sales Management & Digital Sales“.
Ein Semester an der Fern-FH gliedert sich in drei kurze Präsenzphasen und zwei Fernstudienphasen. Während der Fernstudienphasen können die Studierenden ihr Lernpensum selbst einteilen und die Zeit flexibel nach ihren Bedürfnissen gestalten. Im Online-Campus, der rund um die Uhr verfügbar ist, absolvieren sie selbstständig oder in Kleingruppen ihre Lehrveranstaltungen. Für den persönlichen Austausch mit Lehrenden und StudienkollegInnen gibt es Foren, Videokonferenzen und Online-Sprechstunden.

Studieren in Wien

Wer sich mehr Präsenzunterricht wünscht, wird in der Hauptstadt fündig. Der neue Master „Business Communication“ an der WU Wien spricht global tätige Unternehmen an, die wirtschaftlichen Erfolg mithilfe von Kommunikation erzielen und gleichzeitig ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden wollen. Das Masterstudium verspricht kommunikatives und sprachliches Fachwissen vor einem betriebs- und volkswirtschaftlichen Hintergrund.
Die Universität Wien hat gleich sechs neue Programme am Start. Drei für KMU-Juristen: den dreisemestrigen LL.M. „Familienunternehmen und Vermögensplanung“ am Schnittpunkt von Wirtschaft, Familie und Private Wealth Management, den zwei- bis viersemestrigen LL.M. „Europäi­sches und Internationales Wirtschaftsrecht“ für international operierende Unternehmen und den zweisemestrigen LL.M. „Informations- und Medienrecht“ am Schnittpunkt Wirtschaft, IT, Medien und Recht.
Personalisten werden sich eher beim fünfsemestrigen Master „Handlungsorientierte Personal-, Team- und Organisationsentwicklung nach IOA“ wiederfinden. Oder beim sechssemestrigen Master „Supervision und Coaching“, um Veränderungsprozesse professionell zu begleiten. Oder beim einsemestrigen Lehrgang „Digital Inclusion“, der digitaler Ausgrenzung entgegenwirkt.
An der FH Technikum in Wien ist der Master „IoT und intelligente Systeme“ neu. Das Studium kombiniert Systementwicklung und Kommunikationstechnologien und spricht auch Developer in diesem Bereich an. Inhaltlich ist er eine Weiterentwicklung des bekannten Studiengangs „Telekommunikation und Internettechnologien“.
Kürzer und damit ideal für den Einstieg in ein Thema ist das Angebot des Wifi Management Forums. Von „Agiles Führen in einem dynamischen Umfeld“ (16 Lehreinheiten, LE) und „Agiles Zielmanagement mit OKR“ (8 LE) über „Design Thinking“ (24 LE), „Digitalisierungsmethodik für den österreichischen Mittelstand (8 LE), „Geschäftsmodelle und Businesspläne im Wandel“ (16 LE), „KI erfolgreich nutzen“ (4 LE), „Strategisch führen mit Kennzahlen, Ergebnissen und Psychologie“ (16 LE), „Unternehmenskultur als Wettbewerbsvorteil“ (8 LE) bis zum „Young Leader Program“ (24 LE) für die Führungskräfte von morgen. Am Markt am meisten begehrt sind die Absolventen des „Professional Scrum Master“ (16 LE).
Gleich nebenan, am Wifi Wien, stechen einige neue Kurse zum Thema Risikomanagement ins Auge, etwa die kombinierbare Ausbildungsreihe zum „Senior Risk Manager“.

Quer durch Österreich

Jetzt wird es wieder akademisch. An der FH Joanneum in Graz richtet sich der neue Master „Digital Entrepreneurship“ besonders an Innovatoren und Gründer. Neben nachhaltigem unternehmerischem Denken hat er zwei Schwerpunkte: Intrapreneurship (unternehmerisches Handeln in bestehenden Unternehmen) und Corporate Entrepreneurship (Zusammenarbeit zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups).
Neu ist auch der Lehrgang „Automotive Management“ der Internationalen Business School an der FH Kufstein. Er ist bewusst niederschwellig angelegt und bereitet auf Führungsaufgaben im Automotive-Bereich vor.
Der englischsprachige Master „Automotive Mechatronics and Management“ an der FH ÖO ist eine Ausnahme in dieser Novitätensammlung. Ihn gibt es seit fünf Jahren, in dieser Zeit hat er sich zu einer wichtigen Talenteschmiede gemausert. Entwickelt wurde er von Unternehmen aus der Fahrzeugindustrie und dem Automobil-Cluster. Wegen seiner Internatio­nalität – die Teilnehmer stammen aus 15 Ländern – vermittelt er auch interkulturelle Kompetenzen. Keine Sorge: Fast alle Absolventen blieben bislang der heimischen Wirtschaft erhalten.  
Die FH OÖ bietet auch einen interessanten neuen Bachelor für „Verantwortungsvolles Softwaredesign“ an. Über sechs Semester kombiniert er angewandte Informatik mit wirtschaftlicher Kompetenz mit Schwerpunkten wie Ethik, Nachhaltigkeit und sogenannten 21st Century Skills, etwa kritischem Denken, Kreativität, Teamwork und Konfliktlösung. So ein Zufall: Einige namhafte Unternehmen der Umgebung bringen sich mit Projekten, Berufspraktika, Mentoring und Karrierecoaching ein.

Für Techniker

Ein interessantes neues Center for Artificial Intelligence and Machine Learning (CAIML) gibt es an der TU Wien. Sie will damit die Aktivitäten in diesem Bereich, die an unterschiedlichen Instituten mit unterschiedlichen Methoden und Zielsetzungen betrieben werden, vernetzen und zusammenführen. Ambitioniertes Ziel ist, die TU im internationalen Spitzenfeld dieses Forschungsbereichs zu verankern.
Gleich nebenan bietet die TU Academy for Continuing Education (TU ACE) neue Tech-MBA für Führungskräfte mit wirtschaftlichem oder technischem Background an. Im Februar starten die MBA „Automotive Industry“ und „Mobility Transformation“, in Vorbereitung sind „Operations Management“, „Modern Workplace & Facility Management“ sowie „Sustainability & Technology in Finance“.
Die TU ACE offeriert auch Kompaktprogramme mit unterschiedlich vielen ECTS, die bei Bedarf an einen MBA angerechnet werden können. Zur Auswahl stehen „Management & Technology Essentials“, „High Impact Leadership Development Program“, „Projekt Management“, „New Work“, „Business Law“, „Management & Technology MBA für Juristen“ und – jawohl, besonders wichtig für Techniker: „Chinesisch für Anfänger“. Zu Redaktionsschluss in Planung waren „Leadership für Techniker“, „Marketing & Sales für Techniker“, „Business & Innovation Accelerator“ und „International Innovation & Entrepreneurship Field Study“.
Wer der Kreislaufwirtschaft nähertreten will, dem sei Quality Austria mit ihrer bloß zweitägigen Ausbildung zum „Circular Globe Transformation Coach“ ans Herz gelegt (wahlweise in Deutsch oder Englisch). Im Programm ist auch das Seminar „Cradle to Cradle und ISO-Konzepte zur Förderung der Kreislaufwirtschaft“. Es vermittelt die Erfolgskriterien für die kreislauffähige Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen.

Ethik, Diversität, Barrierefreiheit

Eine weitere Möglichkeit, dem galoppierenden Fachkräftemangel die Stirn zu bieten, ist es, sich Menschen „mit besonderen Stärken“ (früher: mit Behinderung) zu öffnen. Um hier alles richtig zu machen, empfiehlt sich der nur zweitägige Lehrgang von Quality Austria zum „Diversity und Accessability Manager“. Hier lernen vor allem HR-Verantwortliche alles über Gleichstellung und barrierefreie Gestaltung in organisatorischer und technischer Hinsicht.
Erwähnenswert auch der Lehrgang zum „Accessibility-Beauftragten“ und das Online-Seminar „Accessible Webdesign & Content“. Hier geht es um barrierefreie Webinhalte. Denn: Gemäß Web-Zugänglichkeitsgesetz müssen die Websites von Behörden und bestimmten Privatunternehmen, etwa im Tourismusbereich, künftig verpflichtend barrierefrei gestaltet sein.
Wo angesichts der rasanten Digitalisierung der Mensch bleibt, darüber macht sich das Zertifizierungsprogramm „Digitalisierung und Ethik“ des Center of Lifelong Learning an der FH OÖ Gedanken. Zielgruppe sind Fach- und Führungskräfte, die souverän die ethischen Aspekte bei der Einführung digitaler Tools managen wollen.

Fazit

Nach dem monochromen Digitalisierungsfokus der letzten Jahre zeigt 2022 wieder eine deutliche Themenspreizung. Und überall sind auch frische Talente zu finden!