In Sicherheit blödeln
Innovationen sind sehr begehrt. Nur, wo findet man sie? An einem Ort, an dem meistens niemand sucht – in den Köpfen der Mitarbeiter.
Wo sind sie, die Innovationen, das Neue, die Sensation, der neue Hit und Verkaufserfolg? Wir brauchen einen Berater, einen Innovator, einen bunten Hund, einen Wahnsinnigen vielleicht. Die Rufe schallen durch die Büroetagen und entlang der Fertigungsstraßen. Die Ökonomie sucht das Neue wie die Ritter der Tafelrunde den Heiligen Gral.
Wer ist denn dieser Gral, dieses erlösende Etwas namens „Innovation“ überhaupt? Ich habe den Innovationsberater Raimund Wiesinger gefragt. Seine Antwort ist auf den ersten Blick ernüchternd: „Eine Innovation ist eine wirtschaftlich erfolgreich umgesetzte Idee.“ Da hätte ich mir doch eher eine Interpretation mit sehr vielen Superlativen und bunten Lichteffekten erwartet. Ich habe Daniel Düsentrieb vor mir oder Herrn Frankenstein. Das sind doch Innovatoren. „Hm“, murmelt Herr Wiesinger und schlägt mir vor, den Innovator nicht mit dem romantischen Bild des erfolglosen oder verrückten Erfinders zu verwechseln.
„Es geht ja bei Innovationen nicht nur um ein neues Produkt“, meint er, „sondern manchmal um die Verbesserung von Prozessen. Wenn ein Prozess durch eine Maßnahme kostengünstiger läuft, dann war es auch eine Innovation.“
Ich sehe schon: Nicht das Ding an sich ist also die Innovation, sondern das, was die Firma daraus macht. Erst wenn es zum Return on Investment kommt, darf man eine Idee auch eine Innovation nennen.
Da hängen also nach der Idee noch Marketing und Vertrieb dran. Der Innovationsberater dämpft den letzten Rest romantischer Attitüden in mir aus: „Gehen Sie es doch langsam an. Die kleine Schwester der Innovation heißt Verbesserung. Und die kann oft wirklich viel.“ Ich wollte den großen Knaller, und jetzt krieg ich die kleine Schwester? Gibt’s da wenigstens ein Dating-Portal? Ja, meint Wiesinger, nur würden das die Manager zu wenig in Anspruch nehmen. Sie glauben nicht, dass das Gute so nahe liegt: „Die meisten Lösungen sind schon da – in den Köpfen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Aber dort sucht meistens niemand. „Manchmal passiert zufällig etwas Gutes“, meint Wiesinger, „dann muss man schauen, ob man das systematisieren kann.“
Was macht denn dann ein Innovationsberater eigentlich? „Einen sicheren Raum schaffen, wo die Leute das Gefühl haben, gehört zu werden. Nach Ideen fragen und klar machen, dass absolut gar nichts zu blöd ist. Im Gegenteil: Ich lade zum Blödeln ein. Aus drei blöden Ideen entsteht ein Geistesblitz.“
Eigentlich ist das ebenso nüchtern wie vielversprechend. Die nächste große Idee kommt nicht immer im Feiertagsgewand. Sie schleicht sich an, macht sich groß und größer und zeigt dann „plötzlich“ ihr strahlendes Gesicht. Alles ist immer schon da. Man muss nur verstehen, die Schätze zu sehen und zu bergen. Den Mut muss ein Unternehmer einmal haben: einfach die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragen und einen „sicheren Raum zum Blödeln“ bereitzustellen.