Inklusion in KMU

Mehr Vielfalt, mehr Erfolg

Jenny Hauser
28.02.2025

In Österreich entscheiden sich immer noch viele kleine und mittelständische Unternehmen für das Bezahlen der Ausgleichstaxe. Sie verzichten dadurch auf die vielfältigen Vorteile von Inklusion, auf wertvolle Arbeitskräfte und neue Perspektiven.

Unternehmen, die sich dem Thema Inklusion verschließen, vergeben sich die Chance, in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation und in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels nicht nur Wettbewerbsvorteile zu erzielen, sondern ihr Unternehmen durch positive Veränderungen nachhaltig zu stärken.
Jedes Österreichische Unternehmen mit 25 oder mehr Mitarbeiter*innen unterliegt laut  Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) der Beschäftigungspflicht mindestens einer Person mit Begünstigter Behinderung (Status einer Person mit festgestelltem Behinderungsgrad von mindestens 50%) auf je 25 Beschäftigte. Wird diese Pflichtzahl nicht eingehalten, ist eine Ausgleichstaxe fällig. Für viele endet das Thema mit dieser Zahlung. Doch Inklusion birgt enorm viel Potenzial. Zahlreiche Beispiele und Studien zeigen: Diverse Teams sind motiviertere und kreativere Teams, wodurch Unternehmen langfristig profitieren – ein Mehrwert für alle.

Den Perspektivwechsel wagen – Was bedeutet Inklusion?

Inklusion als Betrieb zu leben bedeutet, systematische Hürden abzubauen, die Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Hintergründen daran hindern, mit der eigenen Firma zu interagieren – als Kund*innen oder Arbeitskräfte. Die aktive Einbindung in den Arbeitsmarkt von Menschen mit Behinderungen ist dabei zentral. Doch wer sich mit dem Thema Inklusion beschäftigt, wird schnell verstehen, dass es um weit mehr geht: Gender, Herkunft, Alter, Behinderung, Klasse, Pflegeverantwortung, sexuelle Orientierung, Neurodivergenz, etc. Die Überschneidung verschiedenster sozialer Kategorien führt zu ungleichen Startvoraussetzungen. Wer also die Vielfalt im Team dem Zufall überlässt, schließt Teile der Gesellschaft aus und verliert zugleich eine wertvolle Zielgruppe, sowie die Chance, sich als Betrieb weiterzuentwickeln.

Barrieren zu Brücken – Barrierefreiheitsgesetz 2025

Viele Behinderungen sind kaum sichtbar. Barrierefreiheit umfasst daher eine Vielfalt an Themenbereichen, das eigene Unternehmen zugänglicher aufzubauen. Ab dem 28. Juni 2025 gilt das neue Barrierefreiheitsgesetz (BaFG), das Dienstleistungsunternehmen, Händlern, Herstellern und Importeuren konkrete Maßnahmen zum weiteren Abbau von Barrieren vorschreibt. Dies gilt vor allem im Digitalen Bereich – zum Beispiel für Webseiten, Webshops oder Buchungssysteme. Dabei geht es zum Beispiel darum, Informationen in unterschiedlichen Schriftgrößen, Kontrasten, einfacher Sprache oder Audioform zur Verfügung zu stellen. Aber auch die Herstellung und Distribution von technischen Produkten wie Mobiltelefonen werden vom Gesetz erfasst. Zur Analyse von Problemfeldern bieten Organisationen wie myAbility Beratung an. Das Social Enterprise führt „UsAbility Tests“ durch, mit denen Führungskräfte prüfen können, wie zugänglich ihre Produkte und Dienstleistungen sind. Sobald der Status quo beurteilt wurde, können konkrete Umsetzungsmaßnahmen und Strategien ausgearbeitet werden.

Gezielt Maßnahmen setzen

Eine entscheidende Rolle spielt die Herangehensweise an den Rekrutierungsprozess. Hilfestellung bietet etwa das NEBA Betriebsservice. Dessen Key Account Managerin Claudia Papesch sagte dazu in einem Interview zu Inklusion im Modehandel: „Als Unternehmer*in kann man nicht auf jedem Thema firm sein. Es macht daher Sinn, sich außerhalb der Kernkompetenzen starke Partner*innen zum Thema Inklusion ins Boot zu holen.“ Zudem sei es sinnvoll, intern eine*n Inklusionsbeauftragte*n zu bestimmen. Denn Sensibilisierung und Weiterbildung im Team, Ressourcenschaffung und Zielsetzung brauchen Planung. Und: „Wenn es auf der Agenda steht, ist es noch lange nicht erledigt. Es braucht immer jemanden, der oder die es umsetzt“, so Papesch.

Ein guter Ansatzpunkt sind Schulungen, da oft unbewusste Vorurteile und Ängste im Weg stehen. Der Wiener Verein „IZ“ bietet beispielsweise individuell angepasste Seminare zu Diversität und Inklusion an. Schlussendlich ist es hilfreich, die Auseinandersetzung der Firma mit dem Thema auch zu kommunizieren. Informationen auf der Webseite, beispielsweise zum Barrierefreien Besuch des eigenen Unternehmens, signalisieren Zugänglichkeit. Zudem stärkt Sozialbewusstsein die Kund*innenwahrnehmung und kann andere Akteure inspirieren.

Die Kraft der Vielfalt

Reinhard Sorger
Technoholz Geschäftsführer Reinhard Sorger ©beigestellt

In Kärnten gibt es einige KMUs, die Inklusion leben. Eines davon ist das Villacher Unternehmen Technoholz, bei dem Menschen mit Behinderung seit über 25 Jahren fester Bestandteil der Firma sind. „Ein Unternehmen ist eine soziale Gemeinschaft und arbeiten ein soziales Erlebnis. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht mit Menschen, die bei uns begonnen haben und geblieben sind. Sie sind auch sehr verlässliche Mitarbeiter und loyal.“, so Geschäftsführer Reinhard Sorger. Das Unternehmen, bestehend aus 25 Mitarbeiter*innen insgesamt, beschäftigt derzeit drei Personen mit Behinderung. Sorger beschreibt es so: „In Wirklichkeit funktioniert es nicht anders als bei ‘gesunden‘ Menschen. Man geht davon aus, dass der gesunde Mensch sowieso seine Leistung erbringt, was ja auch nicht immer stimmt.“ Stattdessen kann er in seiner Firma starke zwischenmenschliche Kompetenzen konstatieren: „Es ist auch für die anderen Mitarbeiter sehr förderlich, wenn die Welt abgebildet ist. Die Welt ist ja nicht perfekt. Und die Menschen sind auch nicht perfekt. Das Team lernt da mehr Rücksicht zu nehmen.“

Inklusion in KMU als Gewinn für alle

Mit Inklusion kann somit eine positivere Haltung im Arbeitsumfeld entstehen. Führungskräfte sind gefragt, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der Lernbereitschaft im Zentrum steht, Fehler passieren dürfen und Kritik möglich ist. Diese Wertschätzung ist zugleich motivierend für das Team, schweißt zusammen, und steigert den Unternehmenserfolg. Denn ein vielfältigeres Team bedeutet auch vielfältigere Perspektiven und innovative Lösungen. In Österreich stehen KMUs außerdem viele Beihilfen und Förderungen zur Verfügung – etwa vom Sozialministerium, AMS, Sozialversicherungsträgern und den Ämtern der Landesregierungen. Die 335 Euro Ausgleichstaxe pro nicht beschäftigter Person kann stattdessen als Prämie für die Anstellung von in Ausbildung stehenden begünstigt behinderten Personen genutzt werden. Außerdem gibt es Eingliederungsbeihilfen, Zuschüsse zu Lohnkosten, Schulungs- und Ausbildungskosten sowie der Adaptierung von Arbeitsplätzen. Der Österreichische Behindertenrat setzt sich fortlaufend für noch bessere Rahmenbedingungen ein. „Wir können anderen Unternehmen nur raten, einzusteigen in dieses Thema. Es ist ein Mehrwert für die Mannschaft, und für alle ein Gewinn“, so Geschäftsführer Reinhard Sorger.

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