Klassenkampf oder Paradies
Der Vordenker Professor Franz Josef Radermacher macht eines mehr als deutlich: Die Digitalisierung wird unsere Gesellschaftsordnung von Grund auf verändern. Ob zum Guten oder Schlechten wird sich erst zeigen. Ein Gespräch an der Abzweigung zwischen sozialem Niedergang und kulturellem Aufstieg.

Interview: Stephan Strzyzowski
Wir erleben in der Wirtschaft gerade Umwälzungen, die auf der steigenden Leistungsfähigkeit von Computern und der zunehmenden Bedeutung digitaler Plattformen beruhen. Sind wir schon bereit für das, was da auf uns zukommt?
Die Welt verändert sich für viele Unternehmen dramatisch, weil immer mehr Geschäft über externe Plattformen abgewickelt wird und sich dabei die Transaktionskosten erheblich verringern. Ein Beispiel, das ich dafür gerne verwende, ist Venedig auf dem Höhepunkt seiner Macht. Alle internationalen Handelspartner durften dort nur unter der Vermittlung durch Venezianer Verhandlungen führen. Dadurch haben diese viel Geld verdient, denn sie waren die einzigen, über die Waren vom einen zum anderen gelangen konnten.
Heute machen es Uber, AirBnB und viele andere genauso – auch zum Nutzen der Kunden. Für viele Unternehmer ist diese Situation aber, damals wie jetzt, nicht besonders angenehm.
Sie hat aber auch Vorteile. Manche Unternehmen können überhaupt nur anbieten, weil sie über die Plattformen Kunden finden. Die Transparenz kann aber natürlich auch Nachteile für Anbieter bringen. Wer bisher gut positioniert war, ist es vielleicht aufgrund von Bewertungen oder im direkten Vergleich nicht mehr. Eines darf man auf keinen Fall übersehen: Der Plattformanbieter befindet sich aufgrund der neuen Machtverhältnisse in der besten Position von allen Beteiligten. Über ihn läuft alles und wer mitmachen will, muss es nach seinen Regeln und allgemeinen Geschäftsbedingungen tun und dafür bezahlen. Der Anbieter muss im Gegenzug lediglich die Plattform bereitstellen.
Die Plattformen basieren auf Angeboten der Realwirtschaft, sind allerdings häufig nicht deren Auflagen unterworfen und betreiben durch geschickte gesellschaftsrechtliche Konstrukte Steuervermeidung. Ein Preis, der zwingend für die neuen Möglichkeiten zu bezahlen ist?
Nein. Aber die „Plünderung“ des Status quo ist kalkulierter Bestandteil ihres Programms und sie wird auch noch sehr dreist gerechtfertigt.
Wie das?
Im Uber-Umfeld versucht man das Geschäftsmodell zum Beispiel in manchen Ländern als Freundschaftsdienst zu positionieren. Ich finde einen neuen Freund und der holt mich mit dem Auto ab. Ich bezahle keine Taxigebühr, denn es ist kein Taxidienst sondern ein Transport durch einen Freund oder Bekannten. Darum muss er auch keinen Taxischein haben. Ich zahle ihm einen Unkostenbeitrag und den versteuert er natürlich auch nicht. Oder: Ich kann bei einer neuen Freundin übernachten, die ich zwar gestern noch nicht kannte, aber jetzt schon. Ich lade sie zum Abendessen ein statt eine Übernachtung zu bezahlen. Wieder muss niemand Steuern zahlen.
Dieser Umstand wird dem Gesetzgeber, der sonst auch nicht gerade zimperlich ist, wenn es um die Besteuerung von Unternehmen geht, doch bestimmt aufgefallen sein.
Natürlich, aber die Plattformen haben noch ein Ass im Ärmel. Sie können sehr leicht ihre Millionen Nutzer dazu mobilisieren, ihr Sharingmodel politisch zu legitimieren. Denn es gibt sehr viele Menschen, die sonst gar nicht reisen könnten.
Dass so große Veränderungen unseren politischen Apparat überfordern, ist wenig überraschend. Losgelöst von den Schattenseiten: Wo sehen Sie gesellschaftliche Chancen?
In intelligenten Systemen steckt definitiv ein großes Potenzial. Etwa die Chance, dass wir nur das produzieren, was gebraucht wird und es demjenigen direkt zukommen lassen, der es braucht. Auch Re-Use und Recycling können viel intelligenter gelöst werden, als das bisher der Fall ist.
Wenn aufgrund intelligenter Systeme effizienter produziert werden kann, sind wiederum Jobeinsparungen nicht weit.
Sie können aber auch den gegenteiligen Effekt auslösen. Es gibt Menschen, deren genetische Ausstattung nicht besonders gut ist. Sie sind wenig gebildet und verstehen viele Situationen falsch. Wenn ihnen zukünftig ein intelligenter Assistent zur Hand ginge, der ihnen hilft, klüger zu operieren, könnten sie sich am Arbeitsmarkt bzw. im Leben besser behaupten.
Entwickelt man damit nicht eine Zweiklassengesellschaft? Auch zwischen Nord und Süd? Hier die mit der Technologie, dort die ohne.
Nicht zwingend. Die Technologie sorgt auch für eine beschleunigte Aufholsituation. Nur eine Milliarde Menschen hat ein Konto. Aber vier Milliarden Menschen besitzen ein Handy. In Afrika und Asien gibt es mittlerweile gut entwickelte Banksysteme über Mobiltelefonie. Damit kommen plötzlich Menschen in das Finanzsystem, die vorher nicht drin waren. Viele bekommen jetzt Kontakte und Infos, die sie früher nicht hatten. An dieser Stelle wirkt die Digitalisierung eher abstandvermindernd. Es hätte auch die ganze Migration, wie sie jetzt passiert ist, ohne Mobiltelefonie nicht gegeben. Die Digitalisierung ist also auch ein sehr starkes Koordinierungsinstrument für Schwache. Man sollte also nicht argumentieren, dass intelligente Systeme den schwächeren Teil der Bevölkerung noch schwächer machen. Er wird eher gestärkt, und zwar dann, wenn die Systeme zugänglich ausgestaltet werden.
Und wie beurteilen Sie Vorhersagen, dass aufgrund immer intelligenterer Systeme auch viele hochqualifizierte Jobs – etwa von Ärzten und Anwälten – verloren gehen werden?
Das sehe ich so kommen und das ist eine kritische Stelle. Aber nicht die einzige. Das Netz kann uns auch in Konsum hineintreiben, den wir gar nicht wollen. Und das Netz kann uns auch rasch in perverse Ingroup-Zirkel treiben. Das erleben wir gerade. Politische Akteure wie Donald Trump kreieren über digitale Medien eine alternative, in Teilen von der Realität abgelöste Welt und sie wollen, dass wir in dieser Welt leben. Natürlich wird das Netz auch in einem riesen Umfang Jobs beseitigen, auch gut bezahlte, die erstmals auch nicht durch bessere Jobs ersetz werden.
Was ist jetzt anders?
Bisher ist der Mensch immer die Integrationskette hochmarschiert und er war immer der Letztintegrator aller Technologien. Dazu war er immer besser ausgebildet, hatte immer bessere Werkzeuge und hat all dies zu einer noch höheren Wertschöpfungsfähigkeit integriert. Sobald man aber ganz oben für die Integration der Komponenten eine intelligente Maschine nehmen kann, macht diese die Integrationsleistung und man braucht den Menschen nicht mehr.
Lässt sich schon abschätzen, wann es soweit sein wird?
In der Medizin können wir bereits eine lange Strecke von Messungen bis zur Bildverarbeitung und zur Interpretation und Diagnose von Computersystemen erledigen lassen. Wo wir ebenfalls schon weit sind, ist bei rechnergestützten Fonds. Es gibt Beratungsplattformen für Geldanlagen, in denen es keinen humanen Berater mehr gibt. Diese Entwicklung wird in einigen unserer Großbanken tausende Berater arbeitslos machen.
Vermutlich wird es nicht nur Bankberatern und Ärzten so gehen. Wenn oben und unten Arbeitsplätze wegbrechen, müssen sich Gesellschaft und Wirtschaft überhaupt neu organisieren. Haben Sie eine Vorstellung, wie?
Aktuell ist unsere Gesellschaft geteilt in die Eigentümer der Systeme, der Maschinen und Assets und in die Menschen bzw. Mitarbeiter bzw. Arbeiter, ohne die diese Dinge bislang nicht betrieben werden konnten. Aber so, wie im Plattformkapitalismus der Erfinder der Plattform diese besitzt, besitzt hier jener, der die Beratungsrechner besitzt das Business, und der Arbeitnehmer, der nicht mehr gebraucht wird, ist draußen. Damit zwingt sich die Frage auf: Wird die Gesellschaft diesen Produktionsstock dann unter ihre Kontrolle bringen? Dann könnten wir bezahlt werden, auch wenn wir keine Arbeit haben, die zur Wertschöpfung beiträgt.
Das klingt ein wenig nach dem Szenario aus Star Trek, wo die Versorgung der Menschheit von Maschinen übernommen wird und jeder nur noch zur Selbstverwirklichung arbeitet. Schwebt Ihnen so etwas vor?
Die wahrscheinlichste Perspektive ist leider eine Zweiklassengesellschaft. Wir haben oben eine Elite, die das Eigentum hat und unten ist der Rest, für den Brot und Spiele veranstaltet werden. Man nützt die Massen, wofür immer man „Menschenfleisch“ braucht, aber für wenig Geld, als ein kleines Grundeinkommen, während es volle Partizipation und Demokratie es dann nicht mehr gibt.
Und dieses Szenario halten Sie für realistisch?
Ja, der Brasilianisierung der Gesellschaft gebe ich schon immer 50 Prozent. Zu 15 Prozent kommt ein ökologischer Kollaps und nur zu 33 Prozent eine Welt, die so schön ist wie Europa. In einer Welt, die so schön ist wie Europa, hätte man überhaupt kein Problem damit, Maschinen arbeiten zu lassen. In ihr würden wir alle mit dem Ergebnis dieser Arbeit versorgt und der politische Mechanismus, mit dem ich das organisieren würde, wäre die Verantwortung der Politik für den Erhalt einer Balance in der Einkommensverteilung. Sie sollte etwa jener heute in der OECD entsprechen. Das ist übrigens auch die aktuelle Position der OECD, das ist nichts Esoterisches.
In diesem Szenario würde aber noch ein wesentlicher Teil der Menschen einer Erwerbsarbeit nachgehen, oder?
Nein, die Menschen müssen nicht für Lohn arbeiten, aber es gibt einen großen Unterschied zum bedingungslosen Grundeinkommen. Dieses löst nämlich unser Problem nicht, da es vergleichsweise niedrig ist und den erfolgreichen Mittelstand abschafft. Meiner Ansicht nach brauchen wir aber weiterhin hochqualifizierte Menschen, seien es Sportler, Künstler, Mathematiker oder Philosophen. Deswegen müssen wir uns in dieser zukünftigen Welt nach wie vor um Qualifikationen herum orientieren. Auch wenn sie für Brot, Butter und Wertschöpfung nicht mehr gebraucht werden – wir brauchen sie, weil sie gesellschaftliche Aufgaben und Funktionen haben.
Und wer finanziert diese gesellschaftlichen Aufgaben?
Die Honorierung wäre genauso differenziert wie heute. Wir hätten eine differenzierte Einkommensverteilung wegen der Wahrnehmung von Kompetenzen und Aufgaben, die aber allesamt nicht den Charakter von heutiger Arbeit hätten. Sondern eher von bezahlten gesellschaftlichen Rollen. Das ist die Lösung, wenn man Europa für die ganze Welt haben will, und maschinelle Intelligenz einen Großteil der Arbeit macht.
Und wer entscheidet in diesem System, wessen Arbeit was wert ist und wer verteilt das Geld? Der Staat?
Wir legen gesellschaftlich fest, nach welchen Kriterien wir bestimmte Qualifikationen und damit verbundene Rollen honorieren. Das ist eine Aufgabe der Demokratie.
Es gibt also zum Beispiel noch Verlage, weil die Menschen Medien lesen wollen, aber dass niemand mehr für die Inhalte bezahlen will, macht nichts.
Vielleicht bekommt ein Verlag Geld, das er an Menschen, die ihm zuarbeiten, verteilen muss. Es ist eine eigene Frage, wie das generierte Volumen verteilt werden soll. Aber es wird nicht so verteilt, dass alle dasselbe bekommen und auch nicht so, dass die Eigentümer die wesentlichen Mehrwerte lukrieren.
Und wo soll das Kapital herkommen? Aus Maschinensteuern?
Natürlich, das Geld stammt aus einer Besteuerung des Ergebnisses der automatisierten Produktionsprozesse. Man kann ja in einem Betrieb bei immer niedriger Lohnsumme die Steuern entsprechend anpassen.
Käme man damit auch aus dem leidigen Wachstumsparadigma heraus?
Ich muss sagen, dass ich für das Wachstum eintrete, ich bin in der jetzigen Phase nicht dafür, aus diesem Paradigma auszutreten, weil wir noch so unglaublich viele Arme auf dem Globus haben und deshalb noch für Jahrzehnte Wachstum benötigen. Aber meine Zielvorstellung ist, dass das Ende dieser Reise, nach einigen Jahrzehnten ohne dauerndes Wachstum auskommt.
Wie soll das gehen?
Auf den Südseeinseln gab es wildwachsende Bananen- und Kokosnussbäume, von denen die Menschen gelebt haben. Sie waren nicht mit dem Lebensunterhalt beschäftigt. Am Ende bekommen wir jetzt vielleicht ein elaboriertes intelligentes Produktionssystem, das alle „Bananen“ und „Kokosnüsse“ produziert, die wir mögen und wir leben davon und machen ansonsten etwas anderes. Ich halte das für möglich. Wir müssen dann nur fundamental anders an den Begriff des Eigentums herangehen.
Ich habe große Bedenken, dass sich so ein System denen, die etwas besitzen, schmackhaft machen lässt.
Das ist letztlich eine Machtfrage. Für den Wandel sorgen dann Bürokratie und Gewerkschaft. Es ist ja so: Wir haben elaborierte gesellschaftliche Systeme geschaffen, die wahnsinnige Prämien auf Innovation bezahlen und uns alle über die Innovation mit dem Verlust unserer wirtschaftlichen Existenz bedrohen. Die meisten Menschen wollen aber gar keine Innovationen und Veränderungen. Sie wollen klare Verhältnisse, nicht zu viel arbeiten und dass es ihren Kindern gut geht.
Aber ist das nicht genau die Basis des Wachstumsparadigmas? Damit es wachsende Umsätze geben kann, müssen Produkte neue Funktionen bieten, muss alles ständig verändert und verbessert werden.
Nein, wir haben ein Wachstum, weil Menschen aus nachvollziehbaren Gründen mehr Güter und Dienstleistungen wollen. Und weil es eine enorme soziale Differenzierung gibt, wird man immer Menschen finden, die mehr haben. Anders ausgedrückt: Milliarden haben zu wenig und kennen das Beispiel, wie es sein könnte. Befinden sich einmal alle Menschen auf einem balancierten, auskömmlichen und vergleichbaren Niveau, geht diese Dynamik zurück.
Global betrachtet, oder auch im gesättigten Europa, wo ohnedies schon lange die Wegwerfgesellschaft floriert und jeder eine S-Klasse leasen kann?
Auch bei uns! Die Werbung läuft von morgens bis abends. Die ganzen tollen Autos, Handtaschen, Outfits, die wir den ganzen Tag im Fernsehen sehen, sie erzeugen Wünschen. Jeder hat doch immer eine Vorstellung, was er noch haben könnte, wo er noch hinreisen würde. Sobald man die Gesellschaft aber stärker in Balance bekommt, gibt es keine anderen mehr, die so viel mehr haben als wir selber, dass sie ständig Anreiz dafür sind, mehr zu wollen.
Aber sind Menschen bereit etwas zu leisten, wenn die Anreize wegfallen?
Die Menschen sind jedenfalls deutlich zufriedener auf fast jedem Niveau, solange sie das haben, was auch die anderen haben. Eine Welt, die überall aussähe, wie Europa, wäre eine sehr balancierte Welt. Dort fällt der Antrieb für immer mehr irgendwann weg. Man kann um fünf nach Hause gehen, die Rente ist garantiert und damit muss nicht mehr dauernd etwas Neues hinzukommen. Damit ist eine stabile Welt denkbar, in der unsere Exzesse wieder im Kopf stattfinden, aber nicht in Materialschlachten.
Allerdings scheint es aktuell eher so, dass die Gleichheit wieder abnimmt. Nationalstaaten gewinnen wieder an Bedeutung, Wohnungseigentum ist für viele Menschen kaum noch finanzierbar, auch die Religionen nehmen wieder mehr Raum ein und sorgen für Abgrenzung.
Wir sehen gerade, dass die Ungleichheit innerhalb aller Staaten zunimmt, während die Ungleichheit zwischen den Staaten abnimmt. Die größte Ungleichheit innerhalb eines Staates der reichen Welt haben wir in den USA. Nahe daran ist Großbritannien. Das zeigt sich bei den Wahlen: Die Bürger wehren sich gegen diese Ungleichheit, sie werden aggressiv, das ist völlig nachvollziehbar, und sie wählen das System ab. Sie werden permanent ausgeplündert. Obwohl immer mehr da ist, haben sie weniger Die USA haben pro Kopf eineinhalb Mal so viel wie wir. Aber den Industriearbeitern geht es dort teilweise schlechter als denen bei uns. Und das machen sie einfach nicht mehr mit. Trump wird ihnen aber nicht liefern, was sie wollen. Er kann das gar nicht, weil er ja die Steuern der Reichen senken will. Das Programm, das wir brauchen würden, ist nicht das Programm von Trump und May.
Die realistischen, gemäßigten Ansätze scheinen allerdings bei immer mehr Wählern überhaupt keine Akzeptanz mehr zu finden. Die Zahl der gesellschaftlich und politisch gespaltenen Länder steigt mit jeder Wahl.
Das ist richtig. Aus meiner Sicht ist das ein Aufschrei. Der hat auch etwas Positives. Wir brauchen diesen Aufstand. Wenn er in noch mehr Staaten kommt, liegt darin die Chance, dass sich die Politik auf eine grüne und inklusive Weltökonomie verständigt. Das ist der Weg zu einer Balance à la Europa, für den ich mich schon lange einsetze. Dafür muss man aber oben wegnehmen und besteuern. Dort müssen wir hin. Das wäre rechnerisch durchaus möglich. Man müsste überall Steuern erhöhen und wir müssen noch deutlich mehr Transfer leisten.
Sie denken dabei vermutlich nicht an noch höhere Einkommenssteuern, sondern an die stärkere Besteuerung von Kapital?
Natürlich, man muss mehr Geld bei den Unternehmern und vor allem bei den Eigentümern holen. Wir brauchen insbesondere eine höhere Erbschaftssteuer. Wir haben eine Akkumulation von Eigentum. Die Reichen bekommen die höchsten Zinsen, bezahlen die niedrigsten Steuern und akkumulieren teilweise Milliarden über Milliarden. Um dieses System zu finanzieren quetschen wir den Mittelstand aus und schieben ihn nach unten in Richtung Prekariat.
Wenn Sie jetzt aber nur auf die Superreichen abzielen und nicht auf den Eigentümer eines 50-Mitarbeiter-Betriebes, wird die Anzahl doch verschwindend gering. Ist dort wirklich so viel zu holen, oder geht es um eine Ideologiesteuer?
Die Zahlen sind eindeutig! Wir haben ein Prozent Superreiche, die über die Hälfte des Eigentums halten. Und wir haben ein Promille Superreiche, die mehr als ein Viertel des Eigentums besitzt. Da werden Vermögen von 500 Millionen an Kinder vermacht, die bisher vielleicht gar nichts Substantielles geleistet haben. Da sollte man, ganz im Sinne von Piketty und Stiglitz, ansetzen und zwar bald, zum Beispiel mit einem Erbschaftssteuersatz von 25 % oder mehr.
Zur Person
Der Ökonom und Mathematiker Prof. Franz Josef Radermacher ist einer der führenden Vertreter der weltweiten Ökosozialen Marktwirtschaft und tritt mit seiner Global Marshall Plan-Initiative für eine Welt in Balance ein. Als Mitglied des Club of Rome steht er gleichzeitig dem Senat der Wirtschaft International als Präsident vor.