Hochfliegende Pläne

28.02.2018

Im Firmenbuch steht nur beiläufig „Schiebel Elektronische Geräte“. Tatsächlich sind die Wiener Neustädter Weltmarktführer bei unbemannten Helikoptern. Und damit haben sie viel vor.

TEXT MARIA LEICHT

Vor Schreck blieb ihm der Mund offen stehen. Da hatte er vor laufender Kamera der Journalistin alles über seine unbemannten Mini-Helikopter erzählt, lang und breit. Und dann fragte sie, ob denn im Cockpit überhaupt genug Platz für einen Piloten sei. „Sie hat es nicht verstanden“, schüttelt Hannes Hecher den Kopf. Deswegen zeigt der CEO der Schiebel Group jetzt jedem Journalisten ein Video, gleich zu Beginn des Interviews. Da sieht man die filigranen Fluggeräte, drei Meter lang, 1,10 Meter hoch, 200 Kilo schwer. Ganz augenscheinlich sind sie für Insassen zu klein. Ihr Nutzen ist ein anderer: Die Camcopter – ein Mischwort aus Kamera und Helikopter – können senkrecht in die Luft starten, bei jedem Wind, bei jedem Wetter, von minus 40 bis plus 55 Grad Celsius. Sie bleiben sechs Stunden in der Luft und schaffen einen Radius von 200 Kilometern, was etwa der Fläche des Burgenlandes entspricht. Und sie tragen Messgeräte aller Art, Wärmebild-, Radar-, Radioaktivität-, Hyperspektralkameras, was immer der Kunde will.

Nur keine Waffen. Dagegen verwehrt sich Hecher energisch. Weil er die Frage schon so oft gehört hat, spult er routiniert seine Antwort herunter: „Ein Camcopter hat 200 Kilo Startgewicht. 110 davon wiegt er selbst. Dazu kommen ca. 50 Kilo Treibstoff. Und dann hat er noch 50 Kilo Zuladung. Viel zu wenig für Raketen.“ Und überhaupt, Raketen bräuchten keine Hilfe, um ihr Ziel zu finden. Und wer Sprengstoff platzieren wolle, schicke einen Attentäter. Dafür riskiere niemand ein Gerät, das „einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag“ koste.

WAFFEN: NEIN!

Deswegen redet er auch nie von Drohnen. Die werden mit Spielzeug oder mit kriegerischen Handlungen in Verbindung gebracht. Wiewohl seine Camcopter an vielen Kampfschauplätzen eine Rolle spielten. Ein paar seiner bislang 300 produzierten Einheiten wurden in der Ostukraine abgeschossen, von Raketen, deren Absender natürlich nicht zu eruieren war. „Wir flogen das Gebiet im Auftrag der OSZE ab“, stellt er klar, „um die Einhaltung des Waffenstillstandes zu sichern.“ Bis auf ein winziges Restrisiko ist es also nicht möglich, Camcopter mit Waffen zu bestücken. Sie fliegen für andere Zwecke. Über das Mittelmeer, um Flüchtlingsboote zu orten. Entlang der somalischen Küste, um Piratenschiffe zu sichten. Entlang von Wüstengrenzen, um Schmuggler aufzuspüren. Auftraggeber sind zu 80 Prozent der öffentliche Sektor, Innen-, Verteidigungs- oder Finanzministerien – letztere wegen der Schmuggler. Die verbleibenden 20 Prozent sind der Punkt, an dem Hecher arbeitet: Bei den privaten Kunden liegt das Geschäft der Zukunft, mit dem er den Umsatz von derzeit 60 auf 100 Millionen Euro pushen will. Ölfirmen, die ihre Plattformen in Echtzeit monitoren wollen. Events, auf denen große Menschenströme gelenkt werden. Bei der Olympiade 2014 in Sotschi überwachten Schiebel-Camcopter das Geschehen aus der Luft. Energieunternehmen, die Maste und Leitungen checken. Die Landwirtschaft. Der Tagbau. Dort will Hecher hin. Als Erster und von Österreich aus. Die Rolle steht ihm gut: Der agile, bewegliche Herausforderer, der gegen mächtige globale Konkurrenz antritt, die um das Zehnfache größer ist als sein Unternehmen: „Wir sind nicht der schwere Öltanker, der einen Tag für eine Wende braucht. Wir sind flexibel. Das macht es so intensiv.“

THINK BIG

Seine Kunden wird er wohl auch in Zukunft nur zum geringsten Teil in Österreich finden. Eher sieht er sich für US-Farmer in den endlosen Weiten des Mittleren Westens die Wasserdichte ihrer Pflanzen messen. Oder für die Canadian Pacific Railway die Strecke nach Schneeverwehungen absuchen. Hecher denkt groß. Das Potenzial des Camcopters zeigte sich schon 2005. Die Technologie war eigentlich für die Minensuche entwickelt worden. Was den Firmenstandort in Kambodscha erklärt: „Davor mussten dort Menschen die Minengebiete absuchen“, beschreibt er, „sie trugen schwere Schutzanzüge – bei 90 Prozent Luftfeuchtigkeit. Sie haben 20 Minuten durchgehalten.“ Der Camcopter flog das Gebiet am Morgen und zu Mittag ab, und maß Unterschiede in der Bodentemperatur. Fremdmaterialien in der Erde erkannte er an der unterschiedlichen Erwärmung des Untergrunds. Ein guter Ansatz, doch er konnte nur mit 85-prozentiger Sicherheit Minenfreiheit garantieren. Die ursprüngliche Idee war bald verworfen, zurück blieben zwei Weltmarktführer-ProdukProdukte: zum einen manuelle Minensuchgeräte, die dank eines Großauftrags der US Army noch immer zehn Prozent zum Gesamtumsatz beitragen, zum anderen das Urmodell des Camcopters: „Damals haben wir den Nutzen der unbemannten Plattform erkannt. Seither verfeinern wir sie, machen sie ausdauernder, leichter und langlebiger. Und wir arbeiten daran, jeden Sensor dranzuhängen, den der Kunde in die Luft bringen will.“ 150 Zulieferer steuern die Komponenten bei, nur die Außenwände aus Kohlefaser stellt Schiebel selbst her. 120 Mitarbeiter bauen alles im Werk in Wiener Neustadt zusammen.

WOHIN DIE REISE GEHT

Auch am Geschäftsmodell wird eifrig geschraubt. Das Fluggerät ist nicht alles. Hecher projiziert ein Foto an die Wand, das das ganze Paket zeigt: ein Bildschirm für den Bediener, einer für die empfangenen Bilder, Steuerungselemente und Zusatzequipment: „Dafür gibt es acht Wochen Schulung und alle acht Wochen eine Wartung. Deswegen sind wir so sicher zu wissen, wie unsere Geräte eingesetzt werden.“ Sein aktuelles Engagement gilt der Zulassung für den europäischen Luftverkehr. Ein langwieriger Prozess. Die Camcopter sollen über bewohntes Gebiete fliegen dürfen. Innerhalb der nächsten drei Jahre will Hecher das Zertifikat der Europäischen Agentur für Flugsicherheit in Händen halten. Derweil behilft er sich mit befristeten Luftkorridoren. Und beweist, was der Camcopter alles kann: Im Oktober etwa suchte er die steirischen Wälder nach dem mutmaßlichen Doppelmörder von Stiwoll ab. Und, kein Zweifel: Da geht noch mehr.

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