Gefährliche Regionalromantik
Bereits vor der aktuellen Coronakrise wurde Regionalität vielfach als „das neue Bio“ und damit als wichtiger Einkaufs- und Verhaltenstrend gesehen. Diese Entwicklung hat jetzt Rückenwind erhalten, der auch noch von der Politik verstärkt wird. Ein Trend, der aus Sicht des Markenexperten Michael Brandtner für ein kleines Land wie Österreich gefährlich werden könnte, wie er in einem Gastkommentar ausführt.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger haben kürzlich an die Bevölkerung appelliert, bei heimischen Online-Shops einzukaufen, um das Geschäft nicht den Großen wie Amazon zu überlassen. Nur vor lauter Regionalromantik sollte man nicht die Wichtigkeit und Notwendigkeit einer internationalen und globalen Wirtschaft „über Bord werfen“.
Der Fluch eines Teufelskreises
In der aktuellen Situation ist es gefährlich, wenn Wirtschaft und Gesellschaft in einen Teufelskreis kommen, der wie ein Sog nach unten wirkt. Übereinfacht könnte man das so formulieren: Weniger Wirtschaftsleistung -> weniger Konsum -> mehr Arbeitslose -> weniger Konsum -> weniger Wirtschaftsleistung. Parallel dazu würde das Steueraufkommen sinken, die Aufwendungen für Sozialleistungen steigen und so weiter. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf unsere Finanzsystem und unsere Währung.
Gerade in so einem möglichen Teufelskreis hilft das, was gerade jetzt viele verdammen, nämlich ein Impuls von außen. Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission schrieb etwa für die Welt am Sonntag: „Wir brauchen einen Marshall-Plan für Europa.“ Nur wenn man sich zurückerinnert, dann war dieser Marshallplan keine innereuropäische Lösung nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern ein Hilfsprogramm der USA.
Ausweg Globalisierung
Auch wenn das jetzt viele weder lesen noch hören wollen, lautet wahrscheinlich der einzige Ausweg aus der Krise Internationalisierung und Globalisierung. Das gilt speziell für ein kleines Land wie Österreich. Nicht umsonst sind die sogenannten Hidden-Champions, die international oder global tätig sind, ein absolutes Rückgrat für unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft. Dazu kommt, dass wir viele Unternehmen gar nicht hätten, wenn diese nur auf Österreich fokussiert wären.
Eine „Voest-Alpine“ alleine für China mag funktionieren, eine „Voest-Alpine“ alleine für die USA mag ebenfalls funktionieren, eine „Voest-Alpine“ alleine für Österreich wäre nie im Leben überlebensfähig. Genau das gilt auch für Unternehmen wie Andritz, Amag, Engel, Fronius, Greiner, Lenzing, Miba, Palfinger, Rosenbauer, WFL, Wintersteiger und viele mehr. Selbst ein KMU wie Kölbl European Tonewood in Aigen-Schlägl benötigt den internationalen Markt und könnte weder in Österreich noch in der EU alleine erfolgreich sein.
Global verdienen, regional einkaufen
Natürlich kann und sollte man dann auch mit dem Geld, das man international verdient, regional einkaufen. Wenn man aber davon ausgehen würde, dass man nur mit dem regional verdienten Geld regional einkaufen könnte, muss man sich auch damit abfinden, in Armut zu enden. Das gilt umso mehr in Zeiten der Krisen. Als die USA den Marshallplan initiierten, waren diese damals die aufsteigende Volkswirtschaft dieser Erde, deren Dynamik sich auch auf Europa und viele Teile der Welt übertrug. Diese Rolle wird wahrscheinlich in Zukunft China einnehmen, da China selbst eine große Volkswirtschaft ist und ihren möglichen Zenit mit Sicherheit noch nicht erreicht hat. So gesehen könnte China, ein wesentlicher Katalysator auf dem Weg zurück sein. Entscheidend wird dabei sein, dass wir mit Sicherheit neu über Globalisierung denken müssen, also aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Nur Regionalromantik alleine wird mit Sicherheit im Desaster enden.
Markenstratege Michael Brandtner ist Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung, Associate of Ries Global und Autor des Buches „Markenpositionierung im 21. Jahrhundert“.